· Fachbeitrag · Leserforum
Leser fragen ‒ AH antwortet: Abgabe von Chemikalien in der Apotheke
von Apothekerin Anja Hapka, Essen
| Chemikalien ‒ ein Thema, das Sprengstoff birgt. AH gibt deshalb Antworten auf wichtige Fragen zur Abgabe von Chemikalien in der Apotheke. |
Erneuerung des Sachkundenachweises
Frage: Ich habe erfahren, dass der Sachkundenachweis für die Abgabe von Chemikalien alle sechs Jahre erneuert werden muss. Leider habe ich den Zeitpunkt verpasst. Muss ich jetzt einen längeren Kurs besuchen oder eine spezielle Prüfung ablegen?
Antwort: Als Apotheker, PTA, Pharmazieingenieur, Apothekenassistent oder Apothekerassistent erwerben Sie mit Ihrem Berufsabschluss automatisch die Sachkunde nach § 11 Abs. 1 ChemVerbotsV (Chemikalien-Verbotsverordnung). Dieser Nachweis der Sachkunde, der übrigens auch für die Abgabe von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden gilt, muss nun entweder alle sechs Jahre durch eine achtstündige Fortbildung oder alternativ alle drei Jahre durch eine vierstündige Fortbildung erneuert werden. Diese Regelung gilt auch dann, wenn ‒ wie in Ihrem Fall ‒ eine Lücke im Nachweiszeitraum entstanden ist. Es bleibt bei der identischen Fortbildungsveranstaltung, eine zusätzliche Prüfung ist nicht erforderlich.
Abgabe von Chemikalien ohne Sachkundenachweis
Frage: Bei uns im Team hat sich bisher niemand Gedanken über den Sachkundenachweis gemacht, den man für die Abgabe von Chemikalien haben muss. Was genau dürfen wir jetzt nicht mehr abgeben?
Antwort: Sie dürfen keine Chemikalien mehr abgeben, die unter Anlage 2 der ChemVerbotsV fallen. Dies sind in erster Linie Stoffe und Gemische, die mit dem Gefahrenpiktogramm GHS06 (Totenkopf mit gekreuzten Knochen) oder GHS08 (Gesundheitsgefahr) und dem Signalwort „Gefahr“ sowie einem der Gefahrenhinweise H340, H350, H350i, H360, H360F, H360D, H360FD, H360Fd, H360Df, H370 oder H372 gekennzeichnet sind. Dies gilt aber auch für Stoffe und Gemische mit dem Gefahrenpiktogramm GHS03 (Flamme über Kreis) oder GHS02 (einfache Flamme), wenn entweder der Gefahrenhinweis H224 (Flüssigkeit und Dampf extrem entzündbar), H241 (Erwärmung kann Brand oder Explosion verursachen) oder H242 (Erwärmung kann Brand verursachen) zutrifft oder wenn sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung Phosphorwasserstoff entwickeln. Generell gilt zudem ein Abgabeverbot für krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Stoffe der Kategorie 1A und 1B. Gängige Beispiele für Stoffe, die Sie ohne den Sachkundenachweis nicht mehr abgeben dürfen, sind demnach Kaliumpermanganat, Methanol und Diethylether.
Abgabe von Wasserstoffperoxid
Frage: Wann und in welchen Konzentrationen darf man noch Wasserstoffperoxid abgeben? Mir ist das Thema sehr wichtig, weil man daraus den Sprengstoff TATP herstellen kann. Als Apotheker trägt man da eine große Verantwortung.
Antwort: Die Verordnung (EU) Nr. 98/2013 verbietet das Inverkehrbringen von Wasserstoffperoxid-Lösung über 12 Prozent und von Gemischen, die mehr als 12 Prozent Wasserstoffperoxid enthalten. Eine Ausnahme bildet die Abgabe an berufliche Verwender, falls diese die berufliche oder gewerbliche Verwendung einer höheren Konzentration im Einzelfall plausibel darlegen können. Eine häufige Frage in diesem Zusammenhang ist, ob an Jäger eine höhere Konzentration als 12 Prozent zum Bleichen von Geweihen abgegeben werden darf. Die Antwort ist eindeutig: Besitzt der Jäger keinen Gewerbeschein, darf in der Apotheke keine höhere Konzentration als 12 Prozent abgegeben werden.
Der UFI-Code
Frage: Ich habe gelesen, dass Apotheken für bestimmte Mischungen, die sie in Umlauf bringen, einen UFI-Code erstellen müssen. Was bedeutet das? Die „Produktinformationen für die Giftinformationszentren“ haben mir nicht weitergeholfen.
Antwort: Wenn eine Apotheke Biozide oder Gemische mit gefährlichen Eigenschaften selbst herstellt oder in kleineren Gebinden abfüllt, muss sie dies gemäß § 16e Chemikaliengesetz (ChemG) seit 2021 dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) melden. Dabei muss die Apotheke auch einen 16-stelligen Code angeben, der sich U nique F ormula I dentifier (eindeutiger Rezepturidentifikator, kurz UFI-Code) nennt. Die Zuteilung dieses Codes ist kostenlos. Zusätzlich zum UFI-Code muss die Apotheke ihre Kontaktdaten übermitteln, den Einsatzbereich des Gemischs erläutern, die exakte chemische Zusammensetzung angeben, toxikologische Informationen zusammenstellen und Angaben zu Farbe, pH-Wert sowie Art und Größe der Verpackung machen. Das BfR leitet den Code mit allen wichtigen Produktinformationen an die deutschen Giftinformationszentren weiter, damit diese bei Vergiftungsfällen mit der fraglichen Substanz sofort konkrete Maßnahmen empfehlen können.
Wichtige Beispiele für den Apothekenalltag sind demnach die Abgabe von wässrigen Verdünnungen von Säuren (Salzsäure ≥ 10 Prozent, Essigsäure ≥ 10 Prozent), wässrigen Verdünnungen von Laugen (Kaliumhydroxid-Lösung ≥ 0,5 Prozent) oder Wasserstoffperoxid-Lösungen ≥ 5 Prozent. Um den Mehraufwand zu vermeiden, der mit der Erstellung eines UFI-Codes und der Meldung an das BfR einhergeht, bietet es sich für Apotheken an, stets nur komplette im Handel befindliche Gebinde zu verkaufen.
Beachten Sie | Verwendet die Apotheke die Biozide oder Gemische mit gefährlichen Eigenschaften nur innerbetrieblich, besteht keine Pflicht zur Mitteilung an das BfR. Das ist z. B. bei Prüfreagenzien, Laufmitteln im Bereich der Dünnschichtchromatographie, bei Ausgangsstoffen zur Herstellung von Rezepturarzneimitteln und bei In-vitro-Diagnostika der Fall.