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  • · Fachbeitrag · Versicherungen

    „Pharmazieratsklausel“: Warum Ihre Versicherung die Apothekenaufsicht kennen sollte

    von Peter Grimm, PriAss GmbH & Co. KG, Altrip, www.die-ApothekerHelfer.de

    | Alle Apothekeninhaber kennen die Aufsichtsbehörden und deren Funktionsträger ‒ und sie wissen, dass sie niemals gegen deren Anordnungen verstoßen dürfen, denn natürlich kennen sie auch den Strafenkatalog. Doch die Versicherungsbedingungen vieler Apothekenpolicen berücksichtigen diese Rechte und Pflichten der Aufsichtsbehörden für Apotheken nicht; zumindest nicht rechtsverbindlich. Weicht die bedingungsgemäße Regulierungspraxis der Versicherung aber vom Votum des Pharmazierats (PhR) ab, kann das für die Apotheke im Schadenfall sogar existenzbedrohend werden. |

    PhR-Klausel 1: Gutachterverfahren

    Nehmen wir das in der Versicherungsbranche weit verbreitete Gutachterverfahren, bei uns PhR-Klausel 1 genannt: In einem Schadenfall birgt es ein enormes Risikopotenzial für Apotheker. Wenn die Schadeneinschätzung des Inhabers und der Versicherung auseinanderliegen, benennen beide Parteien einen Gutachter. Beide Gutachter senden ihr Gutachten einem „Obergutachter“. Dieser entscheidet dann verbindlich über die Regulierung des Schadens. Und genau hier liegt das Problem: In allen das Apothekenrecht tangierenden Fällen ist letztlich das Votum des PhR oder des Amtsapothekers (AA) entscheidend. Mit dem Obergutachter stünde aber ein fachfremder Entscheider über dem Votum eines PhR oder AA. Ein Gutachterverfahren in der beschriebenen Form ist nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern für Apotheken eigentlich auch inakzeptabel.

     

    MERKE | Eine apothekengerechte Absicherung muss akzeptieren, dass über die korrekte Form der Schadensbehebung nur die Vertreter der Aufsichtsbehörden entscheiden. Deren Wort muss auch für Versicherer gelten und dieses für Versicherer unübliche Vorgehen ist rechtsverbindlich zuzusichern.

     

    PhR-Klausel 2: Abgabe von Medikamenten

    Die Abgabe von Medikamenten kann durch den PhR auch dann untersagt werden, wenn die Verpackungen äußerlich unbeschädigt sind. Dafür reichen Rauchgeruch nach einem Brandschaden, Verfärbungen, die nach der Benutzung von Pulverfeuerlöschern auftreten, oder Umverpackungen, die durch Trocknungsvorgänge Feuchtigkeit aufgesogen haben oder überhitzt wurden, aus. All das ist für eine Standardversicherung kein zu ersetzender Schaden, da die Definition des Sachschadens die Beschädigung, Vernichtung oder Zerstörung einer Sache ist. Geschützt durch den Blister sind die Medikamente an sich ja von alledem nicht betroffen. Für die Apotheke bedeutet dies u. U., dass der gesamte Lagerbestand vernichtet und neu angeschafft werden muss ‒ zumindest, wenn der Obergutachter die Regulierung ablehnt.

     

    Beachten Sie | Eine apothekengerechte Absicherung muss diese Gefahr rechtsverbindlich ausschließen.

    PhR-Klausel 3: Dauer einer Betriebsunterbrechung

    Nach einem Schadenfall darf eine Apotheke erst wieder aufschließen, wenn die Wiedereröffnungsrevision erfolgreich war. Für die meisten Versicherungen endet die Betriebsunterbrechung aber mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten. Die Zeit danach wird häufig nicht ersetzt. Die Apotheke muss den Umsatzausfall möglicherweise einige Wochen, im allerschlimmsten Fall sogar Monate selbst tragen. Das gilt vor allem dann, wenn von einer mangelhaften Sanierung ein Risiko für eine erfolgreiche Wiedereröffnung ausgeht.

    PhR-Klausel 4: Das günstigste Angebot zählt

    Meist findet sich in den Versicherungsbedingungen die Obliegenheit, dass der Apothekeninhaber drei Angebote einzureichen hat, von denen das günstigste von der Versicherung ersetzt würde. Für Apotheken, die höchste Hygienestandards einzuhalten haben, kann diese Vorgabe existenzgefährdend sein. Denn die günstigsten Firmen werden selten die sorgfältigsten sein. Und Mängel bei der Sanierungsqualität ‒ z. B. Leichtbauwände oder Abtrennungen der Offizin, die nur im unteren nassen Bereich ersetzt wurden, Trocknungsmaßnahmen ohne Beachtung der DIN EN ISO 9002 ‒ sowie Dokumentationsmängel wie fehlende Hygienenachweise, Feuchtigkeitsprotokolle, Dekontaminationsnachweise etc. können leicht zum Scheitern der Wiedereröffnungsrevision führen. Um das zu verhindern, muss der Versicherer die Kosten qualifizierter Sanierungsbetriebe für Hygiene anerkennen.

    Fazit: Das ist zu prüfen und zu vereinbaren

    Kein Sachverständiger der Versicherung und auch kein Obmann darf darüber entscheiden, ob Medikamente „unbeschädigt“ sind, also noch abgegeben werden können, und ebenfalls nicht, wann eine Apotheke wieder betriebsbereit ist. Der Inhaber darf auch nicht gezwungen werden, minderqualifizierte Firmen zu beauftragen oder die Mehrkosten für Hygienesanierer selbst zu tragen. Eine apothekengerechte Versicherung muss sich deshalb rechtsverbindlich dem Votum des PhR unterwerfen. Das wird nur erreicht, wenn dies ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen vereinbart ist. Eine mündliche Zusicherung oder eine schriftliche Vereinbarung mit dem Versicherer, die nicht Bestandteil der Versicherungsbedingungen ist, reicht nicht aus.

     

    Apotheker sollten daher ihre Versicherungsverträge auf die PhR-Klauseln prüfen. Leider finden sich diese fast nirgendwo direkt benannt, aber anhand dieser einschlägigen Fundstellen im Inhaltsverzeichnis des Kleingedruckten können Sie leicht prüfen, ob Ihre Police apothekengerecht ist:

     

    • Gutachterverfahren
    • Versicherte Sachen/Werte
    • Mitwirkungspflichten im Schadenfall
    • Ende Betriebsunterbrechung
    Quelle: Ausgabe 01 / 2023 | Seite 19 | ID 48764909