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  • · Fachbeitrag · Arzneimittel-Abrechnung

    BGH ordnet das Verhältnis zwischen Apotheken und Rechenzentren teilweise neu

    von RA, FA für MedR und ArbR Dr. Tilman Clausen, Hannover, armedis.de

    | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass in Verträgen zwischen Leistungserbringern für Heil- und Hilfsmittel und Rechenzentren die Abtretung der Vergütungsansprüche des Leistungserbringers an ein Rechenzentrum jedenfalls dann nichtig ist, wenn die Klausel in den Dienstleistungsverträgen, die Rechenzentren üblicherweise ihren Kunden vorlegen, dem Rechenzentrum auch die Weiterabtretung dieser Forderungen ausdrücklich oder konkludent gestattet ( BGH, Urteil vom 06.02.2025, Az. IX ZR 182/23, Abruf-Nr. 246551 ). |

    Sachverhalt

    Der BGH hat in seiner aktuellen Entscheidung anderslautende Entscheidungen des Landgerichts (LG) und des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf aufgehoben. Hintergrund des Verfahrens ist die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP Deutschland GmbH (AvP). Die Klägerin versorgt Hilfs- und Pflegebedürftige, Apotheken, Krankenhäuser, Pflegeheime und ambulante Pflegedienste mit medizinischen Produkten und Hilfsmitteln. Der Beklagte ist der vom Insolvenzgericht eingesetzte Insolvenzverwalter im Verfahren über die Insolvenz dieses Rechenzentrums.

     

    Die Klägerin und AvP standen seit dem Jahr 2005 in ständiger Geschäftsbeziehung. In dem Vertrag der Parteien war u. a. in § 6 Folgendes geregelt:

     

    • § 6 des Dienstleistungsvertrags

    „Die … unterhält zum Ausgleich der Aufrechnungsforderungen der Leistungserbringer ein eindeutig durch das Institutionskennzeichen des Leistungserbringers bestimmtes, für die Kunden des jeweiligen Abrechnungskreises (IK) einheitliches Konto. Die … verfügt über dieses Konto nur zugunsten der Leistungserbringer, zugunsten der Bank, zugunsten der Kostenträger und zu eigenen Gunsten in Höhe der ihr für ihre Tätigkeit zustehenden Vergütung. Der Leistungserbringer tritt seine gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen gegenüber den Kostenträgern an die … ab. […]

     

    Die … hat das Recht, die Forderungen an die kreditgewährende und die jeweilige Zahlung vorfinanzierende Bank abzutreten, welche die Zahlung bzw. Überweisung an den Leistungserbringer vornimmt. […]“

     

    Nachdem das Rechenzentrum der Klägerin am 16.09.2020 mitgeteilt hatte, dass es keine Abrechnungsunterlagen mehr entgegennehmen werde, kündigte die Klägerin die Geschäftsbeziehung am Folgetag fristlos. Zugleich untersagte sie weitere Abrechnungen, erklärte zu noch ausstehenden Abrechnungen den Widerruf ihrer Erlaubnis, solche gegenüber den Krankenkassen abzurechnen, und forderte die Rückgabe noch nicht bearbeiteter Abrechnungsunterlagen. Parallel dazu meldete sie für den Abrechnungsmonat September 2020 Forderungen gegen Kostenträger i. H. v. 30.751,43 Euro zur Insolvenztabelle an, die i. H. v. 29.936,06 Euro festgestellt wurden, d. h., in dieser Höhe an einer Verteilung der Insolvenzmasse teilnehmen würden.

     

    Mit der Klage verlangte die Klägerin von dem Beklagten in seiner Funktion als Insolvenzverwalter zunächst die Zahlung eines eindeutig ihr zuzuordnenden Betrags von 3.084,78 Euro sowie die Zahlung weiterer 27.666,65 Euro. Die Klage blieb vor dem LG und OLG Düsseldorf ohne Erfolg.

     

    In seiner Revisionsentscheidung hat der BGH den Insolvenzverwalter verpflichtet, den Teilbetrag i. H. v. 3.084,78 Euro an die Klägerin auszuzahlen. Im Übrigen wurde der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Das Urteil des BGH befasst sich zunächst mit der Wirksamkeit der oben zitierten Klausel in § 6 des zwischen den Parteien geschlossenen Dienstleistungsvertrags. Nachdem der BGH eine Klausel, die die Abtretung und Weiterabtretung der Forderungen der Leistungserbringer vorsieht, als nichtig erachtet hat, befasst er sich im zweiten Teil der Entscheidungsgründe mit den Konsequenzen, die daraus für die Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter des insolventen Apothekenrechenzentrums resultieren.

     

    Nichtigkeit von Abtretung und Weiterabtretung

    Die Klägerin ist nach Auffassung des BGH Inhaberin über Vergütungsansprüche gegen die Krankenkassen geblieben, weshalb ihr hinsichtlich dieser Ansprüche ein Aussonderungsrecht zusteht.

     

    MERKE | Die Aussonderung ist in § 47 der Insolvenzordnung geregelt. Wer geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist aussonderungsberechtigt und kein Insolvenzgläubiger mit der Folge, dass er diesen Gegenstand gesondert herausverlangen kann.

     

    Die Regelung zur Abtretung der Vergütungsansprüche der Klägerin in dem Vertrag mit dem Apothekenrechenzentrum stehe nicht mit § 302 Abs. 2 S. 2 und 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V in Einklang und sei deshalb genau wie die Weiterabtretung an die finanzierende Bank nichtig. Nach § 302 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB V können Leistungserbringer für ihre Verpflichtungen Rechenzentren in Anspruch nehmen. Rechenzentren dürfen die ihnen übermittelten Daten nur für im Sozialgesetzbuch bestimmte Zwecke und nur in einer auf diese Zwecke ausgerichteten Weise verarbeiten; anonymisierte Daten dürfen auch für andere Zwecke verarbeitet werden. § 302 Abs. 2 S. 3 SGB V enthalte ein bereichsspezifisches Datenschutzrecht, das dem Umstand Rechnung trägt, dass Rechenzentren durch Übermittlung der ärztlichen Verordnung höchstpersönliche Gesundheitsdaten von Patienten ohne deren Einwilligung offenbart werden. Deshalb dürften Rechenzentren im Allgemeinen und Apothekenrechenzentren im Besonderen die Daten, die sie von ihren Kunden bekommen, nur für Abrechnungszwecke verwenden. Jede weitere Datenverarbeitung sei unzulässig und widerspreche dem Grundrecht der Patienten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG).

     

    Individuelle Ansprüche der Klägerin

    Da die Klägerin aufgrund der Nichtigkeit der Abtretung und der Weiterabtretung Inhaberin ihrer Vergütungsansprüche geblieben ist, steht ihr nach Auffassung des BGH der bislang einbehaltene Teilbetrag i. H. v. 3.084,78 Euro zu, der ihr eindeutig zugeordnet werden kann. Hier konnte der BGH selbst entscheiden und hat der Klägerin diesen Teilbetrag zugesprochen.

     

    Hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche, d. h. ob die Klägerin auch hier Aussonderung verlangen kann, hat der BGH den Rechtsstreit als noch nicht entscheidungsreif angesehen und das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen, gleichzeitig aber Hinweise gegeben, was das OLG nach der Zurückverweisung berücksichtigen muss: Der Insolvenzverwalter müsse Angaben zum Erhalt und zum Verbleib des Einziehungserlöses machen, also dazu, ob das Rechenzentrum die Vergütungsansprüche der Klägerin realisieren konnte und wo das Geld verblieben ist. Hierzu müsse er notfalls auch auf Unterlagen der Krankenkassen zurückgreifen. Beträge, die danach der Klägerin zugeordnet werden könnten, stünden dieser zu. Beträge, die ununterscheidbar in die Insolvenzmasse eingegangen sind, dürften dagegen nicht separat herausverlangt werden können.

    Relevanz für die Praxis

    Das Urteil des BGH stärkt zum einen den Patientendatenschutz. Das Gericht stellt ausdrücklich klar, dass über besondere Kategorien personenbezogener Daten, zu denen die Gesundheitsdaten zählen (Art. 9 Datenschutz-Grundverordnung [DS-GVO]), nicht beliebig disponiert werden kann.

     

    Zum anderen wird die Position der Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Apothekenrechenzentren wie der AvP Deutschland GmbH gestärkt. Apotheken, die sich bei der Abrechnung der Apothekenrechenzentren bedienen müssen, weil der Gesetzgeber dies so verlangt, bleiben Inhaber ihrer Forderungen, sodass ihre Rechtsposition im Insolvenzverfahren deutlich verbessert wird. Solange die Forderungen der Apotheken noch identifizierbar vorhanden sind, d. h. einer einzelnen Apotheke zugeordnet werden können, können Sie herausverlangt werden. Der Apotheker, der die Apotheke betreibt, ist hier nicht auf die Befriedigung seiner Ansprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschränkt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Die Insolvenz der AvP Deutschland GmbH: Diese Konsequenzen sollten Apotheker ziehen“, in AH 12/2020, Seite 12
    Quelle: Ausgabe 04 / 2025 | Seite 12 | ID 50340000