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  • · Fachbeitrag · Betäubungsmittelverkehr

    Mangelhafte Dokumentation des BtM-Verkehrs einer Apotheke rechtfertigt keine vorläufige Schließung

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin, christmann-law.de

    | Einer Apothekerin wurden Verstöße gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) in Form der nicht ordnungsgemäßen Nachweisführung vorgeworfen. Dieser Verstoß gegen Vorschriften, die in erster Linie der Überwachung des BtM-Verkehrs und im Fernziel dem Gesundheitsschutz dienen, reicht für sich genommen aber nicht aus, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine konkrete Gesundheitsgefahr zu begründen und eine vorläufige Schließung von zwei Apothekenfilialen zu rechtfertigen (Verwaltungsgericht [VG] München, Beschluss vom 02.01.2024, Az. M 26b E 23.5834). |

    Sachverhalt

    Aufgrund anonymer Hinweise besichtigte die Aufsichtsbehörde die zwei Apothekenfilialen der seit 1990 aktiven Apothekerin und fand heraus, dass

    • seit 2021 mindestens 530 Packungen zu je 10 Ampullen Ketamin ohne ärztliche Anordnung an Patienten abgegeben worden waren und
    • seit Juni 2023 die nach § 17 BtMG erforderlichen Nachweise nicht oder nur lückenhaft geführt wurden.

    Die Aufsichtsbehörde befürchtete zudem, dass die Apothekerin Cannabis unbefugt an Patienten abgegeben haben könnte. Derzeit läuft auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Falschabrechnung und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz (AMG).

     

    Die Aufsichtsbehörde untersagte der Apothekerin jeglichen Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtM) und verfügte schließlich die vorläufige Schließung der beiden Filialapotheken, da ohne Teilnahme am BtM-Verkehr ein ordnungsgemäßer Apothekenbetrieb nicht mehr gewährleistet sei und weitere Verstöße gegen das Arzneimittel- und Apothekenrecht verhindert werden müssten. Die Behörde sei befugt, eine vorläufige Betriebsschließung anzuordnen, soweit dies zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich sei. Die Apothekerin habe zudem die Gesundheit der betroffenen Patienten in Gefahr gebracht, indem sie an Suchtmittelabhängige ohne Verschreibung Ketamin abgegeben habe, ein Narkosemittel, das auch als Suchtmittel missbraucht werde und bei falscher Dosierung oder Mischkonsum mit anderen Substanzen ggf. lebensbedrohlich sein könne. Die sofortige Vollziehung der Bescheide wurde angeordnet.

     

    Die Apothekerin klagte gegen die Schließungsbescheide und beantragte beim VG München, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben (sodass ihr Widerspruch den Bescheid erst einmal aussetzt). Sie begründete dies u. a. damit, dass sie aus Mitleid und womöglich falsch verstandener Verbundenheit mit einer bestimmten Patientin an diese ‒ und nur an diese ‒ Ketamin ohne ärztliche Verschreibung abgegeben habe. Dabei sei es der Apothekerin gelungen, den Konsum der Patientin deutlich zu reduzieren. Diese Vorwürfe habe sie bereits eingeräumt. Seit der Beanstandung im September 2023 sei es zu keiner einzigen Ketaminabgabe ohne Verschreibung mehr gekommen. Die noch ungeöffneten Packungen seien an den Großhandel zurückgegeben worden. Die Behörde versuche, durch unsubstantiierte Behauptungen eine negative Gefahrenprognose zu konstruieren, die jeder tatsächlichen Grundlage entbehre. Es sei nicht nachvollziehbar, an welche Patienten angeblich BtM in anderen Mengen als vorgeschrieben abgegeben worden seien. Die unberechtigte Abgabe von Cannabis an Patienten und weitere Vorwürfe wurden von der Apothekerin vollumfänglich bestritten.

    Entscheidungsgründe

    Das VG gab der Apothekerin recht und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Schließungsbescheide an (mit der Folge, dass die Apothekerin die Filialen bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder öffnen darf). Dies begründete das Gericht wie folgt:

     

    • Der Verstoß gegen Vorschriften, die in erster Linie der Überwachung des BtM-Verkehrs und im Fernziel dem Gesundheitsschutz dienen, ist für sich allein genommen nicht ausreichend, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine konkrete Gesundheitsgefahr i. S. d. § 64 Abs. 4 Nr. 4 AMG zu begründen.

     

    • Die Annahme der Behörde, dass der Ausfall der Antragstellerin bei der BtM-Versorgung und beim Notdienst eine dringende Gefahr für die Patientenversorgung zu begründen vermag, erscheint höchst zweifelhaft, denn es gibt im Stadtgebiet noch weitere Apotheken, die den Ausfall der Apothekerin auffangen könnten.

     

    • Die weiteren Vorwürfe gegen die Apothekerin sind Gegenstand weiterer Ermittlungen bzw. von ihr bestritten worden, sodass sie ungeklärt sind und keine vorläufige Schließung rechtfertigen. Es sei davon auszugehen, dass die seit 1990 beanstandungsfrei tätige Apothekerin durch die Ermittlungsverfahren und das behördliche Verfahren hinreichend diszipliniert werde, sodass keine Wiederholungsgefahr bestehe.

     

    • Die Schließung ist jedenfalls unverhältnismäßig, da sie nicht geeignet ist, die Versorgung der Patienten zu gewährleisten ‒ im Gegenteil, die Schließung einer Apotheke verschlechtert die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Sie ist auch unverhältnismäßig, weil sie nicht erforderlich ist, um die Bevölkerung vor dem Missbrauch von BtM zu schützen, da der Apothekerin bereits der Verkehr mit BtM untersagt wurde.

     

    FAZIT | Der Fall zeigt, wie wichtig eine zeitnahe sowie umfassende Stellungnahme und Verteidigung gegen den Vorwurf der Verletzung arzneimittelrechtlicher Vorschriften für Apotheker ist. Was nicht bewiesen ist, muss (frühzeitig) bestritten werden. Die Apothekerin war hier gut beraten und hat

    • das Offensichtliche zugegeben (Ketamin ohne Rezept abgegeben),
    • das Unklare bestritten (u. a. unerlaubte Abgabe von Cannabis) und
    • Missstände sofort effektiv abgestellt (Ketaminabgabe ohne Rezept).
     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 13 | ID 49902408