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  • · Fachbeitrag · Gesetzgebung

    GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Auswirkungen für Apotheken

    von Dr. jur. Bettina Mecking und Christian Koeker, Düsseldorf

    | Am 20.10.2022 wurde das „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) im Bundestag beschlossen. Auch der Bundesrat hat das Gesetz gebilligt, indem er auf die Einberufung eines Vermittlungsausschusses verzichtete. Von den zu erwartenden Auswirkungen des neuen Gesetzes auf die öffentlichen Apotheken ist die Erhöhung des Apothekenabschlags die einschneidendste, aber auch die Verlängerung des Preismoratoriums und die fast verdoppelte Herstellerabgabe sind zu beachten. AH ordnet die anstehenden Änderungen für Sie ein. |

    Höherer Apothekenabschlag

    Der in § 130 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V geregelte Apothekenabschlag in Höhe von 1,77 Euro auf den für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis (Apothekenverkaufspreis) wird in Form eines neu eingefügten Abs. 1a für zwei Jahre befristet auf 2 Euro je Arzneimittelpackung angehoben. Die Brisanz der Erhöhung des Apothekenabschlags ergibt sich daraus, dass diese in Verbindung mit einem unverändert gebliebenen Fixbetrag nach der Arzneimittelpreisverordnung voraussichtlich ungeschmälert auf das Betriebsergebnis der Apotheke durchschlägt.

     

    Der Apothekenabschlag ist auch in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Reformvorhaben geschwankt. Die Belastungen der Apotheken sind allerdings ‒ aufgrund von Kostensteigerungen und vorangegangenen Sparmaßnahmenpaketen der letzten Jahrzehnte ‒ nun besonders hoch. Die ABDA geht in ihrer Stellungnahme im Gesundheitsausschuss des Bundestags von einer Mehrbelastung von 6.500 Euro für eine durchschnittliche Apotheke aus. Insgesamt sollen durch die Abschlagserhöhung für die öffentlichen Apotheken Mehrbelastungen i. H. v. 120 Mio. Euro jährlich entstehen. Der Anregung der Apothekervertreter, den neuen Abschlagswert wie die Herstellerabgabe vor die Umsatzsteuer zu ziehen, um nicht durch deren Schwankungen zusätzlich belastet zu werden, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt.

     

    Beachten Sie | Der erhöhte Abschlag wurde an die Gesetzesverkündung geknüpft, die am 11.11.2022 im Bundesgesetzblatt (BGBl I, S. 1990) erfolgte. Somit ist er ab dem 01.02.2023 zu zahlen.

    Höherer Herstellerabschlag

    Für das Jahr 2023 ist zudem ein von sieben auf zwölf Prozent erhöhter Herstellerabschlag ‒ insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel ‒ vorgesehen. Dabei handelt es sich fast um eine Verdoppelung des bisherigen Abschlags. Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel nach § 130b Abs. 3b SGB V verbleibt es bei dem bisherigen Herstellerabschlag.

     

    Diese Erhöhung, die eigentlich für die Arzneimittelhersteller vorgesehen war, könnte auch zu einer Verschärfung der Finanzsituation vor allem der kleineren und schwächeren Apotheken führen. Die gesetzliche Konstruktion des § 130a SGB V, dass die Herstellerabgabe nach dem Arzneimittelverkauf durch die Apotheke eingetrieben wird, bleibt nach der Reform unverändert erhalten. Mit der Erhöhung steigt der Liquiditätsdruck auf die betreffende Apotheke erheblich, denn sie trägt das Ausfallrisiko einer Erstattung. Die in § 130a Abs. 1 S. 3 SGB V vorgesehene Erstattungspflicht gegenüber den Apotheken wurde trotz annähernder Verdoppelung dieses Kostenfaktors bei zehn Tagen ab Geltendmachung belassen. Eine Verschärfung stellt sich zudem dann ein, wenn Zahlungsverzögerungen seitens der pharmazeutischen Unternehmen hinzutreten.

    Preismoratorium und Importförderpflicht

    Das Preismoratorium gemäß § 130a Abs. 3a SGB V, das für bestimmte Arzneimittel eine Bindung an den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers vom 01.08.2009 vorschreibt, wird bis zum 31.12.2026 verlängert. Auch die Pflicht zur Abgabe eines preisgünstigen Importarzneimittels (Importförderpflicht) nach § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V gilt weiterhin. Eine höhere Beteiligung an den Einnahmen durch einen frei gebildeten Arzneimittelpreis oder die Möglichkeit, wahlweise heimische Produkte im oberen Preissegment abzugeben, hätte helfen können, die Zusatzbelastungen für die Apotheken ‒ etwa als Folge der Energie- und Rohstoffkrise, der Inflation oder der Tarifsteigerungen bei den Mitarbeitern ‒ auszugleichen.

     

    Beachten Sie | Die Begründung der Bundesregierung für das Preismoratorium ist auch rechtlich nicht stichhaltig: Es sollen im Wesentlichen patentgeschützte Produkte betroffen sein, deren Patente abgelaufen sind und die sich bereits während der Patentlaufzeit amortisiert hätten. Gemäß § 16 Patentgesetz (PatG) und Art. 63 Abs. 1 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ) beträgt die Patentlaufzeit 20 Jahre. Betrachtet man die Preisbindung an den Stand vom 01.08.2009, so laufen die ab diesem Zeitpunkt angemeldeten Patente frühestens im August 2029 aus. Angesichts einer regelmäßig langen Dauer der Patenterteilung liegt die profitable Phase für die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zur zum Aufschlag berechtigten Apotheke vor allem in der zweiten Hälfte der Patentlaufzeit.

     

    FAZIT | Die ursprünglich von der Bundesregierung verfolgte Intention, die gesundheitliche Versorgung der GKV-Mitglieder im Wege einer neuen Lastenverteilung bei der Finanzierung sicherzustellen, trifft letztlich vor allem diejenigen, die diese Gesundheitsversorgung in der Arzneimittelbranche gewährleisten. Der Gesetzgeber setzt den Rotstift nicht danach an, wer zu den größten Kostentreibern gehört (Ärzte, Krankenhäuser), sondern danach, wer zuletzt die größten Zuwächse verzeichnen konnte. Hierbei verkennt er, dass diese Zuwächse bereits als Refinanzierung einer gesteigerten und leistungsfähigen Arzneimittelversorgung auch durch die Krisenzeit hindurch von den Beteiligten eingeplant worden sind. Die Folge könnten in letzter Konsequenz Betriebsschließungen bei den Apotheken sein. Dadurch wird die Gesundheitsversorgung aber nicht stabilisiert ‒ das Gegenteil ist der Fall.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 11 | ID 48711541