· Fachbeitrag · Strafrecht
Apotheker darf bei Verdacht einer Fälschung von Impfnachweisen die Polizei verständigen
von RA, FA für MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de
| Die Offenbarung des Verdachts einer Fälschung eines Impfausweises stellt zwar eine Verletzung der Schweigepflicht des Apothekers dar (§ 203 Strafgesetzbuch [StGB]). Diese ist jedoch regelmäßig aus § 34 StGB gerechtfertigt, wenn ein Mitarbeiter einer Apotheke Anhaltspunkte für eine Impfpassfälschung erkennt und diese Erkenntnisse an die Ermittlungsbehörden weitergibt (Amtsgericht Landstuhl, Urteil vom 25.01.2022, Az. 2 Cs 4106 Js 15848/21). |
Sachverhalt
Ende 2021 suchte der Angeklagte eine Apotheke auf und legte dort einen auf seinen Namen und sein Geburtsdatum lautenden Impfpass vor, den er zuvor zum Preis von 200 Euro von einer Vermittlerin gekauft hatte. Er äußerte den Wunsch nach einem digitalen Impfzertifikat. In der Rubrik „Schutzimpfungen gegen COVID-19“ befanden sich zwei Einträge, die auf den 28.05.2021 sowie auf den 29.11.2021 lauteten. Sonstige Eintragungen enthielt der Impfpass nicht. Die Apothekenmitarbeiter überprüften die angegebenen Chargennummern. Eine der Chargennummern war zum Zeitpunkt der angegebenen zweiten Impfung bereits abgelaufen. Wegen dieser Implausibilität verständigten die Mitarbeiter die Polizei.
Entscheidungsgründe
Der Angeklagte wurde vom Gericht wegen des Gebrauchs einer falschen Urkunde zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Bewährung verurteilt. Dabei stellte das Gericht auch fest, dass der gefälschte Impfpass als Beweismittel verwertbar ist, weil das Beweismittel rechtmäßig von der Polizei erlangt worden war. In diesem Zusammenhang beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, ob der Apotheker die Polizei verständigen durfte oder ob er damit seine Verschwiegenheitspflicht verletzt hat, und kam zu den folgenden Ergebnissen.
Die Verwendung eines gefälschten Impfnachweises stelle eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar. Selbst für den Fall, dass die Ausstellung des Impfzertifikats durch die Apothekenmitarbeiter verweigert worden wäre, wäre naheliegend davon auszugehen, dass der Angeklagte einen erneuten Versuch in einer anderen Apotheke unternommen hätte, in der die Fälschung möglicherweise nicht auffällt. Da die Gefahr somit jederzeit konkret realisiert werden könnte, wenn nicht konsequent gegen den Gebrauch des gefälschten Impfausweises eingeschritten wird, sind Apothekenmitarbeiter in solchen Fällen regelmäßig aus § 34 StGB zur Offenbarung der Tatsache berechtigt, dass der Verdacht einer Urkundenfälschung besteht.
MERKE | Es handelt sich ‒ soweit ersichtlich ‒ um die erste Entscheidung, die sich ausdrücklich mit der viel diskutierten Frage der Schweigepflichtverletzung bei der Anzeige von Impfpassfälschungen auseinandergesetzt hat. Sie steht im Einklang mit den Auffassungen einer Reihe von Generalstaatsanwaltschaften. |