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  • · Fachbeitrag · Strafrecht

    Was dürfen Apotheker bei dem Verdacht einer Fälschung von Impfnachweisen tun?

    von RA, FA für MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Apotheker gehen bei fünf bis zehn Prozent der Anfragen für digitale Impfzertifikate von Betrugsversuchen aus. Sie fürchten aber gewalttätige Reaktionen der Inhaber auffälliger Impfnachweise, wenn sie Zertifikate verweigern, und vor allem, sich strafbar zu machen, wenn sie den Verdacht einer Fälschung der Polizei anzeigen. Wie ist die Rechtslage? |

    Hintergrund

    Auf Wunsch der geimpften Person ist die Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in einem digitalen Impfzertifikat durch einen Apotheker zu bescheinigen. Der Apotheker muss dabei die Identität der geimpften Person und die Authentizität der Impfdokumentation nachprüfen (§ 22 Abs. 5 Infektionsschutzgesetz [IfSG]). Dies muss im persönlichen Kontakt erfolgen.

    Strafbarkeit bei falsch ausgestellten Impfzertifikaten

    Erkennt ein Apotheker eine Fälschung eines Impfnachweises und erteilt er trotzdem das Impfzertifikat, macht er sich nach § 75a IfSG strafbar. Dies gilt aber nur, wenn er gerade darauf abzielt, dem Zertifikatsinhaber damit eine Täuschung von Restaurantbesitzern etc. zu ermöglichen. Ein Apotheker, der lediglich Zweifel an der Echtheit eines Impfnachweises hat und ein Impfzertifikat erstellt, macht sich hingegen nicht strafbar.

    Schweigepflicht des Apothekers

    Die Apothekerkammern Niedersachsen und Baden-Württemberg haben Absprachen mit den jeweiligen Generalstaatsanwaltschaften getroffen, die Apotheker vor Strafverfolgung schützen, wenn sie eine vermutete Fälschung eines Impfnachweises bei der Polizei melden. Die Kammer Mecklenburg-Vorpommern sieht das genau andersherum. Die Berufsordnungen der Kammern der Länder unterscheiden sich bezüglich der Schweigepflicht des Apothekers: Niedersachsen, Baden-Württemberg, Sachsen, Bremen und Schleswig-Holstein erlauben dem Apotheker, Tatsachen an Dritte weiterzugeben, soweit die Offenbarung zum Schutz eines höherrangigen Rechtsguts erforderlich ist. Die übrigen Kammern sehen diese Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht dagegen nicht vor.

     

    Verhinderung einer akuten Gefährdung der Allgemeinheit

    Wenn der Apotheker die Behörden über einen Täuschungsverdacht informiert, so dient das dazu, eine akute Gefährdung der Allgemeinheit zu verhindern. Denn er unterbindet so, dass eine ungeimpfte Person sich als geimpft ausgeben, dann sich selbst sowie Dritte anstecken kann und auf diese Weise eine wesentliche Säule des Infektionsschutzes unterläuft. In einem solchen Fall ist es nicht strafbar, wenn ein Apotheker oder Arzt die Behörden oder die Polizei informiert (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.10.1968, Az. VI ZR 168/67). Ein Ungeimpfter mit Impfzertifikat kann leichter in geschlossene Räume wie Gaststätten, an Veranstaltungsorte und in bestimmte Geschäfte gelangen, in denen sich haushaltsfremde Personen aufhalten, und diese anstecken.

     

    MERKE | Nur der Apotheker kann den Betrug erkennen und verhindern. Hat er das Zertifikat dagegen einmal erteilt, kann sich der Zertifikatsinhaber danach ungefährdet wie ein Geimpfter bewegen, da die Zertifikate hohes Vertrauen genießen. Verweigert er das Zertifikat ohne den Täuschungsversuch zu melden, kann der Kunde einfach fortwährend andere Apotheker um Zertifizierung bitten, bis er schließlich irgendwann erfolgreich ist.

     

    Schutz der allgemeinen Gesundheit hat Vorrang

    In der Abwägung zwischen der Schweigepflicht (die das Interesse der Allgemeinheit am Schutz von Geheimnissen schützt) sowie dem Rechtsgut des Lebens und der Gesundheit der Allgemeinheit genießt der Schutz der allgemeinen Gesundheit Vorrang. Denn in der pandemischen Lage mit bisher über 100.000 Toten überwiegt das Interesse daran, ungeimpfte Personen von infektionsschutzrechtlichen Lockerungen und Privilegien auszuschließen und so das Leben und die Gesundheit der Allgemeinheit zu schützen das Interesse an der Geheimhaltung durch den Apotheker. Dies gilt erst recht, da hier kein wirkliches Geheimnis zu schützen ist, sondern nur eine schriftliche Lüge.

     

    MERKE | Der Apotheker dient, indem er Patienten mit Arzneimitteln versorgt, der Gesundheit des gesamten Volks (§ 1 Bundes-Apothekerordnung). Mithin ist es seine Aufgabe, dieses Gemeinwohl zu schützen. Will ein Apotheker nach einem sorgfältigen Abwägen des Für und Wider aus seinem Gewissen heraus dazu beitragen, dass größeres Unheil vermieden wird, darf ihm das nicht verwehrt werden.

     

    Handlungsempfehlung für den Apothekenalltag

    Apotheker berichten, dass Kunden, die sich ertappt sahen, dem Personal den Impfpass entrissen haben und aus der Apotheke gestürmt sind. Der Apotheker sollte solchen Ärger vermeiden und dazu den (verdächtigen) Impf- sowie den Personalausweis im Hinterzimmer abfotografieren und dem Kunden zurückgeben. Zumindest sollte er dessen Namen, das Geburtsdatum und die Adresse erfassen. Dann sollte er dem Kunden mitteilen, dass die Zertifizierung aus technischen Gründen nicht möglich ist und ihn bitten, an einem anderen Tag wiederzukommen. Anschließend kann der Apotheker online eine Anzeige stellen oder schlicht die Polizei rufen.

     

    FAZIT | Der Apotheker ist berechtigt, die Polizei über den Verdacht der Fälschung eines Impfnachweises zu informieren. Er verletzt damit nicht seine berufliche Schweigepflicht. Eine Strafbarkeit nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB) scheitert nach den Grundsätzen über die Abwägung widerstreitender Pflichten oder Interessen: Die Information der Polizei dient dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Dahinter tritt der Geheimnisschutz zurück.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 10 | ID 47909370