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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung

    Wann darf der Betriebsprüfer einen Steuerbescheid ändern?

    | Bei Betriebsprüfungen geht es neben der Korrektur festgestellter Falschbuchungen häufig auch um die steuerrechtliche Würdigung strittiger Sachverhalte. Grundsätzlich kann aber ein Steuerbescheid durch die Betriebsprüfung nur geändert werden, wenn die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Wann ein Steuerbescheid durch die Betriebsprüfung überhaupt geändert werden kann, zeigt AH. |

    Die Rolle der Festsetzungsfrist

    Die Festsetzungsfrist beträgt im Regelfall vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung beim Finanzamt eingegangen ist.

     

    • Beispiel

    Apotheker B hat seine Einkommensteuererklärung für 2007 im November 2008 beim Finanzamt abgegeben. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2007 beginnt daher mit dem 31. Dezember 2008 und läuft am 31. Dezember 2012 ab. Nach diesem Zeitpunkt ist Festsetzungsverjährung eingetreten. Beginnt der Betriebsprüfer mit seiner Prüfung im Jahr 2013, kann er den Einkommensteuerbescheid für 2007 nicht mehr ändern. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Betriebsprüfung zu einem Steuerstrafverfahren führt.

     

    Hinweis | Das Finanzamt wird bereits in der Prüfungsanordnung darauf achten, dass verjährte Festsetzungsjahre von einer Betriebsprüfung ausgespart werden. Andererseits unterbricht der Beginn einer Betriebsprüfung die vierjährige Festsetzungsfrist. Hätte der Prüfer bereits im Dezember 2012 begonnen, aber die Prüfung erst im März 2012 abgeschlossen, wäre für das Jahr 2007 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Änderungen wären dann noch möglich - genauso wie bei den folgenden Sachverhalten.

    Es liegt noch kein Steuerbescheid vor

    Liegt die Steuererklärung dem Finanzamt bereits vor Beginn der Betriebsprüfung vor und ist bislang noch kein Steuerbescheid erteilt worden, so erfolgt die erstmalige Steuerfestsetzung durch den Betriebsprüfer selbst. Änderungen gegenüber Ihrer Steuererklärung und Ihrer Gewinnermittlung sind dann ohne jede Einschränkung möglich, ohne dass es hierzu einer näheren Begründung bedarf.

    Steuerbescheid steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung

    Häufig werden Steuern vom Finanzamt - insbesondere wenn bereits eine Betriebsprüfung vorgesehen ist - unter dem „Vorbehalt der Nachprüfung“ festgesetzt. Der Vorbehalt der Nachprüfung umfasst die gesamte Steuerfestsetzung. Eine Beschränkung auf Einzelpunkte oder einzelne Besteuerungsgrundlagen ist nicht zulässig. Da der Steuerfall dann in seiner Gesamtheit offen bleibt, können die Steuerbescheide vom Betriebsprüfer bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung ohne Einschränkung zu Ihren Gunsten oder Ungunsten geändert werden.

     

    Wird der Vorbehalt der Nachprüfung nicht ausdrücklich aufgehoben, so entfällt er mit Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist automatisch. Nach Abschluss der Betriebsprüfung muss der Prüfer den Vorbehalt der Nachprüfung aufheben, auch wenn die Prüfung keine Änderungen ergeben hat.

     

    PRAXISHINWEIS |  Achten Sie darauf, dass das Finanzamt nach einer Betriebsprüfung den Vorbehalt der Nachprüfung unter Verweis auf die durchgeführte Betriebsprüfung auch tatsächlich aufhebt. Ihr Steuerbescheid genießt dann eine erhöhte Bestandskraft, weil er jetzt nur noch bei Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung erneut geändert werden kann.

     

    Die Steuerfestsetzung ist vorläufig

    In den letzten Jahren gibt es kaum noch einen Steuerbescheid im Bereich der Ertragsteuern ohne einen Vorläufigkeitsvermerk, weil etwa noch höchstrichterliche Entscheidungen zu einem bestimmten steuerlichen Problem erwartet werden. Im Gegensatz zum Vorbehalt der Nachprüfung wird die Steuerfestsetzung hier aber nur punktuell - eben für die im Steuerbescheid explizit erwähnten Punkte - offen gehalten. Deshalb kann der Betriebsprüfer eine Änderung bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nur bei den ausdrücklich offen gehaltenen Punkten vornehmen, im Übrigen aber nur unter den gleichen Voraussetzungen wie bei bestandskräftigen Steuerbescheiden (siehe unten).

     

    MERKE |  Auch nach einer Betriebsprüfung kann der Steuerbescheid weiterhin wegen eines bestimmten Sachverhalts offen gehalten werden, weil dazu etwa vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ein Verfahren zur steuerlichen Behandlung anhängig ist und der BFH auch beim Abschluss der Betriebsprüfung noch nicht entschieden hat.

     

    Die Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide

    Der Betriebsprüfer kann Schreib- und Rechenfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die bei der Steuerfestsetzung passiert sind, zu Ihren Gunsten wie auch Ungunsten ohne Einschränkung berichtigen. Der Fehler muss lediglich auf ein mechanisches Versehen - wie etwa Flüchtigkeit oder Unachtsamkeit - zurückgehen. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums muss ausgeschlossen sein.

     

    Hinweis | Ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, kann nur im Einzelfall entschieden werden.

     

    • Beispiel

    Der Veranlagungsbeamte hat aus der Gewinn- und Verlustrechnung für die Apotheke anstelle des ausgewiesenen Gewinns von 174.300 Euro einen Gewinn von 147.300 Euro eingegeben. Änderungen bei den Einzelangaben hat er nicht vorgenommen, sodass beabsichtigte Abweichungen vom erklärten Gewinn nicht in Betracht kommen. Der Prüfer kann diesen Zahlendreher deshalb ohne Einschränkungen korrigieren.

     

    Steht Ihr Steuerbescheid weder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung noch ist er vorläufig, kann die Steuerfestsetzung nur geändert werden, wenn der Betriebsprüfer dem Finanzamt bislang noch nicht bekannte Sachverhaltsfeststellungen trifft, die zu einer höheren Steuer führen. Bei Änderungen zu Ihren Gunsten kommt hinzu, dass Sie oder Ihren Steuerberater kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden treffen darf. In beiden Fällen ist eine Änderung des Steuerbescheids auf die Nachholtatbestände beschränkt (Punktberichtigung). Es findet also keine Gesamtaufrollung des Steuerfalls statt.

     

    MERKE |  Unter nachträglichem Bekanntwerden versteht man, dass der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung im Finanzamt zwar schon bestanden hat, aber dem Betriebsprüfer erst im Rahmen seiner Ermittlungen in Ihrer Apotheke bekannt wird. Dabei wird unterstellt, dass das Finanzamt nicht nur darauf vertraut, dass die Angaben in den Steuererklärungen richtig und vollständig sind, sondern bei offenkundigen Zweifeln seiner Ermittlungspflicht nachkommt.

     

    Finanzamt will seine Rechtsauffassung nicht aufrechterhalten

    Bei einer Betriebsprüfung kann gelegentlich Folgendes passieren: Der Prüfer stellt einen Sachverhalt fest und würdigt ihn steuerrechtlich. Sie und Ihr Steuerberater wenden ein, dass dem Vorprüfer dieser Sachverhalt auch schon bekannt war und nicht von ihm beanstandet worden ist. Ein Blick in die Arbeitsunterlagen des Vorprüfers bestätigt das. Nach Ansicht Ihres Steuerberaters kann deshalb wegen Treu und Glauben eine andere (für Sie nachteilige) steuerliche Beurteilung nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen.

     

    • Beispiel

    Die Aufwendungen für Fachbücher und -zeitschriften hat die Apotheke teilweise nur durch einen Kassenbon der örtlichen Buchhandlung nachgewiesen. Der Vorprüfer hat das nicht beanstandet. Die laufende Prüfung will diese Ausgaben nicht anerkennen, soweit nicht für Fachbücher und -zeitschriften ein Beleg mit Angaben des Titels vorliegt.

     

    Für die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer gilt der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Das Finanzamt ist damit grundsätzlich nicht an eine als falsch erkannte Rechtsauffassung gebunden, die es bei früheren Steuerfestsetzungen vertreten hat. Eine Ausnahme gilt nur, wenn das Finanzamt eine Zusage erteilt oder sein früheres Verhalten einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Bei einer Betriebsprüfung ist es daher erforderlich, dass ein entsprechender Hinweis auf die vertretene Rechtsauffassung im Prüfungsbericht enthalten ist, um eine Bindung für künftige Festsetzungszeiträume zu erreichen. Allein der Umstand, dass bei mehreren vorangegangenen Betriebsprüfungen beispielsweise die unzutreffende Berücksichtigung privater Zinsen als Betriebsausgaben unbeanstandet blieb, bedeutet nicht, dass der Betriebsprüfer nunmehr daran gebunden ist. Er kann für seinen Prüfungszeitraum die Steuerfestsetzungen ändern, sofern die formellen Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen.

    Überblick: Die Arten der Steuerfestsetzungen

    Das Schaubild soll noch einmal den Unterschied zwischen den einzelnen Arten der Steuerfestsetzungen verdeutlichen.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • „So bereitet sich der Prüfer bereits im Finanzamt auf die Betriebsprüfung vor“ in AH 05/2013, Seite 13
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 16 | ID 40005300