- Rechtsprechungsüberblick: Aktive beA-Nutzungspflicht
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Zivilverfahren (inkl. Insolvenzverfahren) |
| Gericht | Inhalt der Entscheidung |
1. | KG Berlin 25.2.22, 6 U 218/21 Abruf-Nr. 228720 | - 1. Eine Ausnahme von der seit dem 1.1.22 bestehenden Verpflichtung der Rechtsanwälte, vorbereitende Schriftsätze nur noch als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen (§§ 130a, 130d ZPO), besteht gemäß § 130d S. 2 ZPO nur, wenn dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, weil entweder das Gericht auf diesem Wege nicht erreichbar ist oder bei dem Rechtsanwalt ein vorübergehendes technisches Problem aufgetreten ist.
- 2. Sieht sich der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen (hier: ausstehendes Ergebnis eines PCR-Testes zum Ausschluss eines Corona-Leidens) nicht in der Lage, seine Kanzleiräume aufzusuchen und den Schriftsatz dort elektronisch zu übermitteln, stellt dies keine vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen dar.
- 3. Die technische Störung ist gemäß § 130d S. 3 ZPO unmittelbar bei der Ersatzeinreichung auf herkömmlichen Wege oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; die Mitteilung von Gründen erst 20 Tage nach Einreichung des Originalschriftsatzes genügt diesen Anforderungen nicht.
- 4. Ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 S. 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt vor dem Fristablauf nicht alle ihm noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, wie etwa die Suche nach einem vertretungsbereiten Kollegen zur formwirksamen Einreichung der fertigen Berufungsbegründungsschrift.
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2. | LG Köln 22.2.22, 14 O 395/21,Abruf-Nr. 228651 | Seit dem 1.1.22 ist die Erhebung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil nur per Fax nicht mehr wirksam. Ein auf diese Weise eingereichter Einspruch ist nach § 341 ZPO zu verwerfen. |
3. | AG Hamburg 21.2.22, 67h IN 29/22, Abruf-Nr. 227716 | - 1. Die Vorschrift des § 130d ZPO ist auch im Insolvenzantragsverfahren anzuwenden. Ein „Dispens“ oder ein „Moratorium“ hinsichtlich der Nichtanwendung ist seitens der Insolvenzgerichte weder möglich noch statthaft.
- 2. Vorübergehende technische Störungen i. S. v. § 130d S. 2 und 3 ZPO sind auch von öffentlich-rechtlichen Gläubigern ohne gerichtliche „Hilfestellung“ spätestens unverzüglich nach postschriftlicher Antragseinreichung ohne weitere Aufforderung mit den Mitteln des § 294 ZPO glaubhaft zu machen. Dies gilt auch, wenn solche mögliche Störungen bei Gericht generell amtswegig bekannt sind.
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4. | LG Frankfurt/Main19.1.22, 2-13 O 60/21,Abruf-Nr. 228652 | Ein bei Gericht nach dem 1.1.22 nicht in der Form des § 130d ZPO als elektronisches Dokument eingereichter Schriftsatz ist formunwirksam und damit unbeachtlich. Eine per Fax eingereichte Verteidigungsanzeige kann daher ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nicht verhindern. |
Straf-/Bußgeldverfahren |
| Gericht | Inhalt der Entscheidung |
1. | OLG Oldenburg 25.2.22, 1 Ss 28/22,Abruf-Nr. 228653 | - 1. Die in § 32a Abs. 6 S. 2 StPO vorgesehene Fiktion fristwahrender Einlegung nach Hinweis auf die mangelnde Eignung einer zuvor mittels elektronischen Dokuments eingereichten Revisionsbegründung kann nur durch die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokuments ausgelöst werden, nicht durch Übermittlung einer Revisionsbegründung in Papierform.
- 2. Ebenso genügt nur die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokuments den Anforderungen einer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden Nachholung der versäumten Handlung.
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2. | AG Hameln 14.2.22, 49 OWi 23/22, Abruf-Nr. 228352 | Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 67 OWiG muss auch nach dem 1.1.22 nicht per elektronischem Dokument eingelegt werden. |
Steuerverfahren |
| Gericht | Inhalt der Entscheidung |
| FG Berlin-Brandenburg 8.3.2022, 8 V 8020/22, Abruf-Nr. 228654 | Die aktive beA-Nutzungspflicht gilt für alle Schriftsätze, die „durch einen Rechtsanwalt“ eingereicht werden ‒ also auch für Rechtsanwälte, die Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater sind. |
Verwaltungsverfahren |
| Gericht | Inhalt der Entscheidung |
1. bis 6. | BayVGH 24.2.22, 15 ZB 22.30186, Abruf-Nr. 228655 VG Frankfurt (Oder)18.2.22, 10 K 21/22.A.,Abruf-Nr. 228659 OVG Lüneburg 17.2.22, 1 LB 93/21,Abruf-Nr. 228657 OVG Berlin-Brandenburg7.2.22, 6 N 19/22,Abruf-Nr. 228656 OVG Sachsen-Anhalt 3.2.22, 1 M 14/22, Abruf-Nr. 228660; 18.1.22, 1 L 98/21.Z,Abruf-Nr. 228658 | Nach dem Inkrafttreten des § 55d VwGO, der die aktive Nutzungspflicht für das elektronische Dokument vorsieht, ist eine herkömmliche Einreichung von Schriftstücken ‒ etwa auf dem Postweg oder per Fax ‒ prozessual unwirksam. |
7. | OVG Schleswig-Holstein25.1.22, 4 MB 78/21, Abruf-Nr. 227933 | - 1. Die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Form (§ 55d S. 1 VwGO) ist nicht von einem weiteren Umsetzungsakt abhängig und gilt ab dem 1.1.22 für sämtliche Verfahren einschließlich solcher, die bereits zuvor anhängig gemacht wurden.
- 2. § 55d S. 3 VwGO enthält eine einheitliche Heilungsregelung. Unerheblich ist, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist. Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung ist verschuldensunabhängig ausgestaltet.
- 3. Die vorübergehende technische Unmöglichkeit ist vorrangig zugleich mit der Ersatzeinreichung glaubhaft zu machen. Lediglich dann, wenn der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen, genügt eine unverzügliche Glaubhaftmachung (§ 55d S. 4 VwGO).
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