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  • · Fachbeitrag · Anwaltsvergütung

    Konkrete Mandatsvermittlung: Rechtsanwälte müssen keine „Lizenzgebühren“ bezahlen

    von RA Martin W. Huff, Huff & Speisebecher RA GmbH, Singen (Hohentwiel)

    | Vermittelt ein Unternehmen Mandate an einen Rechtsanwalt, kann es dafür kein Geld von ihm verlangen. Denn eine solche „Vermittlungsgebühr“ verstößt, in welches Gewand sie auch gekleidet ist, gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO und ist daher nichtig. Damit hat der BGH eine Zahlungsklage des Betreibers der Internetseite geblitzt.de gegen eine Leipziger Kanzlei auf Zahlung von „Lizenzgebühren“ i. H. v. rund 235.000 EUR endgültig abgewiesen und deutliche Worte zu dem Geschäftsmodell gefunden. |

    Sachverhalt

    Über ihr Internetportal geblitzt.de bietet die Klägerin Dienstleistungen für Bürger an, die einen Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes im Straßenverkehr erhalten haben. Zur rechtlichen Überprüfung arbeitet sie mit Partnerkanzleien, darunter die beklagte Leipziger Kanzlei, zusammen. Zwischen dem 1.12.20 und dem 30.6.21 schaltete die Klägerin diese Kanzlei ein, nachdem die Betroffenen bei der Klägerin ihre Unterlagen und eine auf die Kanzlei lautende Vollmacht eingereicht hatten. Die Kanzlei prüfte die Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen den Vorwurf eines Verkehrsrechtsverstoßes und beriet die Betroffenen. Auf Wunsch übernahm sie auch deren weitere Vertretung. Die Vergütungsansprüche der Kanzlei wurden meistens von Rechtsschutzversicherungen gedeckt. Für ihre Leistungen stellte die Klägerin der beklagten Kanzlei Lizenzgebühren von rund 235.000 EUR in Rechnung, basierend auf etwa 1.200 Mandatsvermittlungen in einem halben Jahr. Doch der BGH verneinte diesen Anspruch (18.4.24, IX ZR 89/23, Abruf-Nr. 241780).

    Entscheidungsgründe

    Zur Begründung verwiesen die Richter auf den klaren Wortlaut von § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO. Danach ist die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen unzulässig ‒ egal, ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder einem Dritten. Dabei sei der Begriff des „sonstigen Vorteils“ vor dem Hintergrund des Verbotszwecks weit zu verstehen. Es solle vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen „Wettlauf um den Ankauf von Mandaten“ treten. „Die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate gekauft und verkauft werden. Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen“ .

     

    Dabei müsse ‒ wie hier ‒ der Bezug zu einem konkret vermittelten Mandat bestehen und der Vorteil für die Vermittlung des einzelnen Mandats gewährt werden. Bietet ein Unternehmen nur eine Plattform für Anwälte an, auf der sie ihre Dienstleistung anbieten, handelt es sich nicht um einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO (vgl. zur ebay-Auktion: BVerfG 19.2.08, 1 BvR 1886/08).

     

    Auch sei das Verbot des § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO mit dem Grundgesetz in einer engen Auslegung vereinbar. Denn die Vorschrift schränke die Akquise-Tätigkeit und die Werbemöglichkeit von Rechtsanwälten nicht ein. Werbung sei ihnen erlaubt, allein die „Mandatsvermittlung“ durch Dritte sei weiterhin verboten. Aus dem EU-Recht ergebe sich keine andere Sichtweise.

     

    Die Rechtsfolge ist nach Ansicht des BGH eindeutig: Da es sich um einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot handele, sei der zugrunde liegende Vertrag gemäß § 134 BGB nichtig. Der Klageanspruch ergebe sich auch nicht aus dem Bereicherungsrecht, da insbesondere § 817 S. 2 BGB greife. Die Klägerin habe sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, dass hier ein Verstoß gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO vorliege und es verboten sei, Mandate zu verkaufen. Der beklagten Rechtsanwaltskanzlei könne deshalb auch keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden, die einen Zahlungsanspruch auslösen könnte.

    Relevanz für die Praxis

    Dass das Vermittlungsverbot auch aus Gründen überwiegender Interessen des Allgemeinwohls zulässig ist, ist nahezu einhellige Auffassung in der berufsrechtlichen Literatur. Und dies ist im Ergebnis auch richtig, denn einen Mandatshandel darf es nicht geben.

     

    Den Vorteil hier hat letztlich ganz klar die Leipziger Kanzlei gezogen, die die Vermittlung nicht bezahlen muss. Dies ist die konsequente Folge aus der Nichtigkeit des Vertrags und dem Bereicherungsrecht. Außerdem dürfte sie pro Mandat ‒ je nachdem wie umfangreich dieses war und wie es nach dem Erlass des Bußgeldbescheids weitergegangen ist ‒ zwischen 300 und 500 EUR netto umgesetzt haben.

     

    Die Vermittlung über die Plattform hat sich also für die beklagte Kanzlei gelohnt, für den Vermittler nicht. Wegen des Urteilsspruchs der BGH-Richter werden sich die Betreiber solcher Geschäftsmodelle jetzt neue Abrechnungsgestaltungen überlegen müssen, damit sie die Portale wirtschaftlich betreiben können. Stellen sie entsprechende Plattformen zur Verfügung, dürfen sie den teilnehmenden Kanzleien zwar die Kosten für diese Dienstleistung, z. B. für die Software, den Betrieb der Homepage etc., in Rechnung stellen, nicht aber mehr. Eine Anknüpfung an die Vermittlung konkreter Mandate darf nicht geschehen. Es sind also quasi nur Pauschalen möglich, die sich nicht auf die konkreten Vermittlungen beziehen.

     

    MERKE | Als Rechtsanwalt müssen Sie keine Zahlungen auf nichtige Verträge leisten. Wer sich allerdings jetzt noch an solchen Vermittlungsvereinbarungen beteiligt, riskiert berufsrechtliche Maßnahmen. Denn es geht um die Beteiligung an einem berufsrechtswidrigen Modell. Doch in Zukunft werden sich die Geschäftsmodelle sicherlich verändern. Solange Mandanten ein Interesse an solchen Angeboten haben, werden sich auch immer Anbieter finden, die diese Nachfrage bedienen (können).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Provisionsverbot, wenn Vollmacht konkretes Mandat verschafft, AK 23, 110
    • Entgeltliche Mandatsvermittlung ist berufsrechtswidrig, AK 23, 7
    Quelle: Ausgabe 10 / 2024 | Seite 168 | ID 50104943