· Fachbeitrag · Editorial AK 12/22
Die Kanzleien müssen jetzt überlegen, wie Zeiterfassung geschieht
| Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, am 13.9.22 sorgte das Urteil des BAG zur Arbeitszeiterfassung für erhebliche Aufmerksamkeit (1 ABR 22/21, Abruf-Nr. 231296 ). Die obersten Arbeitsrichter in Erfurt hatten entschieden, dass jeder Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer zu erfassen und dafür zu sorgen, dass die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) eingehalten werden. Diese Pflicht ergebe sich aus den Grundsätzen des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern. |
Die Auswirkungen dieses Urteils sind für die Kanzleien ‒ unter der Kontrolle der Gewerbeaufsichtsämter ‒ erheblich. Alle Kanzleien müsssen für ihre nichtanwaltlichen Mitarbeiter die tägliche und die wöchentliche Höchstarbeitszeit erfassen. Die Ruhezeiten müssen eingehalten werden. Dies alles muss dokumentiert werden. Moderne Zeiterfassungssysteme lassen die Erfassung am Computer, egal ob in der Kanzlei oder im Homeoffice, aber ohne Weiteres zu.
Spannend ist dies bei angestellten Rechtsanwälten, für die nach bisherigem Recht die gleichen Bedingungen wie für nichtanwaltliche Mitarbeiter gelten. Pausen oder begrenzte Arbeitszeiten sind bei der Bearbeitung mancher Mandate kaum einzuhalten. Und gerade kleinere Kanzleien müssen den Aufwand für einstweilige Verfügungsverfahren, Strafverhandlungen, Verhandlungen mit Betriebsräten und Unternehmen und Vieles mehr irgendwie „stemmen“.
Doch für die angestellten Rechtsanwälte gibt es (noch) keine Ausnahmeregelung vom ArbZG. Anders ist dies bei den Wirtschaftsprüfern: Nach § 45 S. 2 WPO sind angestellte Wirtschaftsprüfer als leitende Mitarbeiter anzusehen. Für leitende Mitarbeiter ist gemäß § 18 ArbZG das ArbZG nicht anwendbar.
Bisher sind aus der Anwaltschaft kaum solche Forderungen zu hören. Eine Ausnahme ist das Plädoyer der NJW-Herausgeberin und Kölner Arbeitsrechtlerin Nathalie Oberthür. Woran mag das liegen? Fürchtet man sich vor de Rang der angestellten Rechtsanwälte als leitende Angestellte? Wäre gutes Personal dann unter Umständen noch schwieriger zu finden? Hat sich noch niemand mit dem Arbeitsschutz in Kanzleien befasst? Ist es gar gefährlich, Aufzeichnungen über die in Mandaten abzurechnenden Stunden zu führen, wenn diese nicht mit dem ArbZG in Einklang stehen? Denn hier ist durchaus Vorsicht angebracht ‒ gerade, wenn es einmal zu einer Auseinandersetzung zwischen einer Kanzlei und einem angestellten Rechtsanwalt kommen sollte.
Noch liegen die Urteilsgründe des BAG nicht vor. Dennoch sollte sich jede Kanzlei schon jetzt Gedanken darüber machen, wie sie die Arbeitszeit ihrer Anwälte und Mitarbeiter sinnvoll erfassen kann.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff