· Fachbeitrag · Editorial AK 9/2024
Machen Sie sich mit Videoverhandlungen vertraut!
| Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits mehrfach habe ich an dieser Stelle zur Frage der Videoverhandlung Stellung genommen und für eine deutliche Ausweitung der Möglichkeiten plädiert. Am 19.7.24 ist zumindest eine kleine Reform des § 128a ZPO (und vergleichbar in den anderen Verfahrensordnungen) in Kraft getreten (vgl. AK 24, 129). Was bedeutet dies nun in der Praxis? |
Der neue § 128a ZPO lautet: „(1) Die mündliche Verhandlung kann in geeigneten Fällen und soweit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen als Videoverhandlung stattfinden. ... (3) Beantragt ein Verfahrensbeteiligter seine Teilnahme per Bild- und Tonübertragung, soll der Vorsitzende ihm diese unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gestatten. Die Ablehnung eines Antrags auf Teilnahme per Bild- und Tonübertragung ist kurz zu begründen.“
Der mandatierte Anwalt sollte nun jeweils abwägen, welcher Fall für eine Videoverhandlung geeignet ist. Dies dürften insbesondere Verfahren sein, in denen es um Rechtsfragen geht. Geeignet sind auch Fälle ‒ etwa im Arbeitsrecht ‒, bei denen nicht zu erwarten ist, dass in dem Termin eine Einigung erzielt werden kann. Aber auch Verhandlungen, in denen (erfahrene) Zeugen (etwa im geschäftlichen Bereich) oder Sachverständige zu hören sind, scheiden nicht automatisch aus.
Das Gericht kann jetzt auch nicht mehr einfach ablehnen und ‒ wie es mir schon passiert ist ‒ schreiben: „Die Kammer verhandelt nicht per Video“. Das Gericht muss vielmehr die Ablehnung des Antrags nach § 128a Abs. 3 ZPO begründen. Aus einer unzutreffenden Ablehnung kann es auch durchaus Gründe für eine Befangenheit oder eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs geben.
„Ausreichende Kapazitäten“ heißt, dass ein Termin per Video stattfindet, wenn dafür ein Datum gefunden werden muss, zu dem die technischen Möglichkeiten bestehen. Das LG Baden-Baden wirbt zurzeit in den sozialen Medien damit, dass es weitere portable Videoanlagen erworben hat. Hier dürfte es zukünftig schwierig sein, eine Videoverhandlung abzulehnen.
Es ist jetzt an Ihnen als Anwältin/Anwalt, dieses neue Instrumentarium zu nutzen und sich damit vertraut zu machen. Jede Partei muss überlegen, ob entsprechende Anträge gestellt werden. Niemand soll dazu gezwungen werden.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mir Ihre Erfahrungen mit den neuen Vorschriften mitteilen könnten. Denn mit Ihren verschiedenen Informationen aus der Praxis können wir am besten beobachten, wie die Justiz mit dem neu geregelten Einsatz von Videokonferenztechnik umgeht.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff