Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Annahmeverweigerung

    Unübersetztes Urteil im EU-Ausland zustellen? Ja, wenn Fremdsprache im Unternehmen geläufig

    Bild: © Stefan Yang - stock.adobe.com

    | Ein Unternehmen im EU-Ausland darf ein unübersetztes deutschsprachiges Urteil nicht einfach ablehnen. Zeigt sich in der Gesamtschau, dass der Empfänger eine deutschsprachige Online-Oberfläche bereitstellt und umfangreiche Geschäftsdokumente in Deutsch erstellt wurden, darf organisatorisch von genug Mitarbeitern mit Deutschkenntnissen ausgegangen werden. Es kommt nicht darauf an, dass allein die Personen der Geschäftsleitung Deutsch verstehen (LG Heidelberg 4.10.18, 1 O 71/18). |

     

    Sachverhalt

    Die Verfügungsbeklagte war Betreiberin einer Onlineplattform. Ihr wurde eine beglaubigte Urteilsabschrift in deutscher Sprache in Irland zugestellt. Beigefügt war ein Annahmeverweigerungsformular in deutscher und englischer Sprache. Sie verweigerte die Annahme, da das Urteil in einer Sprache verfasst sei, die nicht verstanden werde, oder nicht in einer der Amtssprachen des Zustellungsortes abgefasst sei. Auch fehle eine Übersetzung.

     

    Entscheidungsgründe

    Gemäß Art. 8 Abs. 1 der für die EU-Mitgliedstaaten geltenden Zustellungsverordnung in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EuZVO) kann ein Schriftstück abgelehnt werden, wenn dieses nicht in einer Sprache abgefasst ist, die entweder der Empfänger versteht

    • oder die eine Amtssprache am Zustellungsort ist,
    • und auch keine Übersetzung in eine solche Sprache beigefügt ist.

     

    Das LG ging in den Beschlussgründen auf das Sprachverständnis i. S. des Art. 8 Abs. 1 lit. a EuZVO ein: Dabei seien nicht die persönlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Geschäftsleitung, sondern die Organisation des Unternehmens insgesamt entscheidend. Die zentrale Frage ist: Kann aufgrund der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden, dass in dem Unternehmen Mitarbeiter vorhanden sind, die sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in der Landessprache kümmern können? Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände (vgl. LG Offenburg 26.9.18, 2 O 310/18; EuGH 28.4.16, C-384/14).

     

    Die Verfügungsbeklagte verfüge über 31 Mio. Kunden in Deutschland und halte für diese eine vollständig in deutscher Sprache gefasste Onlineplattform-Oberfläche vor. In Deutsch sind auch sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente (z. B. Nutzungsbedingungen, sogenannte Gemeinschaftsstandards) verfasst. Gemäß den Nutzungsbedingungen gelte zwischen den Parteien deutsches Recht. Werden derart umfangreiche Dokumente in deutscher Sprache erarbeitet, darf auch von ausreichend deutschsprachigen Mitarbeitern bei dem Empfänger des Schriftstücks ausgegangen werden. Die Zustellung des Urteils sei daher entsprechend § 179 S. 3 ZPO als erfolgt anzusehen.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: ID 45549700