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  • · Banking 4.0

    „FinTechs sind eher ein Teil der Lösung und nicht Ursache aktueller Herausforderungen“

    Bild: © tashka2000

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B. A., Leipzig

    | Wie andere Wirtschaftszweige verspürt die Finanzindustrie die Herausforderungen der Digitalisierung. Ein Gespräch mit Marc Pussar, Senior Manager Tax bei PricewaterhouseCoopers (PwC), sowie Markus Lange, Partner Tax bei PwC, macht deutlich, worauf sich die globale Finanzwelt einstellen muss und was diese Entwicklungen für Juristen bedeuten. |

     

    Frage: Banken kämpfen mit veralteten IT-Systemen. Das zeigten schon die Probleme, als Microsoft 2014 sein Programm Windows XP einstellte. Wie geht die deutsche Bankenwirtschaft mit dem Problem um?

     

    Antwort Pussar: Banken sehen die Herausforderungen bezüglich ihrer IT-Infrastruktur und arbeiten an Lösungen. Die IT-Landschaften vieler Banken sind über Jahrzehnte gewachsene, komplexe Strukturen. Entsprechend herausfordernd ist deren Anpassung an die aktuellen Anforderungen. Dabei geht es nicht nur darum, die IT zu aktualisieren, sondern vielmehr um einen Wandel, der ihrer heutigen zentralen Bedeutung und dem Wert von Daten in der Wertschöpfungskette Rechnung trägt.

     

    Frage: Welche Entwicklungen in der Digitalisierung ändern das Aufgabenfeld von Juristen bei Banken und Investmentgesellschaften massiv? Worauf müssen sich interne Rechtsabteilungen und Anwälte einstellen?

     

    Antwort Lange: Die Digitalisierung führt zur Standardisierung bestimmter Leistungen. Rechtsabteilungen werden erwarten, dass ihnen für solche Leistungen Standardlösungen angeboten werden können. Anwälte müssen sich fragen, ob und wie solche Lösungen in ihr Geschäftsmodell passen. Die effizientere Bearbeitung von Standardthemen wird sowohl Ressourcen auf der Seite der Banken und Investmentgesellschaften als auch aufseiten der Anwälte freisetzen. Diese freien Ressourcen, die bisher auf standardisierbare Aufgaben verwendet wurden, lassen sich dann nutzen, um sich anspruchsvollen Fragestellungen zu widmen. Dadurch können Banken und Investmentgesellschaften die Qualität ihrer Produkte verbessern und neue Produkte entwickeln.

     

    Frage: FinTechs setzen etablierte Banken immer stärker unter Druck, insbesondere junge Kunden wandern ab. Kann man zwischenzeitlich schon von einer Marktsättigung sprechen oder ist die Welle von Banken- und Finanz-Apps noch nicht auf dem Höhepunkt?

     

    Antwort Lange: Den vermeintlichen Dualismus von FinTechs und etablierten Banken gab es vielleicht nie. Weder kam es zur Disruption und zum Untergang der klassischen Banken noch zum Verschwinden der FinTechs. Vielmehr sehen wir Symbiosen zwischen beiden, die sich weiter verstärken. Es geht um die erfolgreiche Entwicklung und Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle in der Finanzindustrie. Deren Notwendigkeit ist eine Konsequenz der Globalisierung und der Digitalisierung. FinTechs sind hier eher ein Teil der Lösung und nicht die Ursache der aktuellen Herausforderungen. Etablierte Banken und FinTechs werden weiterhin gebraucht, um sich zu ergänzen und so die weitere Entwicklung einer wettbewerbsfähigen und kundenorientierten Finanzindustrie zu fördern.

     

    Frage: Facebooks Digitalwährung Libra ist noch gar nicht am Start, hat aber Politik und Wirtschaft weltweit unruhig werden lassen. Virtuelle Währungen, die von großen Netzwerken oder global agierenden Konzernen im Alleingang angeboten werden: kann so etwas zu einem Trend werden?

     

    Antwort Pussar: Libra schließt an Entwicklungen in Asien an. Dort verfügen Alipay und WeChat Pay über die Bedeutung, die Libra erreichen möchte. Die Verbreitung einer digitalen Zahlungsoption und ihre Einbindung in ein Ökosystem entscheiden darüber, wie relevant sie im Alltag als Zahlungsmittel werden. Das dürfte auch der Grund dafür sein, warum Facebook die Entwicklung von Libra nicht allein, sondern mit 28 weiteren Unternehmen vorantreibt. Sieht man die Mitgliederliste dieser Libra Association an, scheinen wichtige Namen zu fehlen. Vor diesem Hintergrund ist noch mit weiteren Initiativen zu rechnen. Auch neue Umsetzungskonzepte für digitale Zahlungsoptionen, inklusive virtueller Währungen, sind denkbar. Wichtig wird dabei das Ökosystem sein, in das die Zahlungsoption eingebunden wird. Vor dem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich noch etwas tun wird. Das heißt aber nicht, dass es eine endlose Vielzahl von derartigen Währungen geben wird. Spannend bleiben die Reaktionen der Staaten, die von einer verstärkten Regulierung bis hin zu eigenen digitalen Währungen reichen könnten.

     

    Frage: Deutschland sei zurückgefallen, die EU drohe zwischen den USA und den asiatischen Innovationstreibern gerade im Finanzwesen Boden zu verlieren. Was bedeutet es konkret für die Weltwirtschaft, wenn digitale Innovationen im Inland schleppender vorangehen? Wann kann ein Vorsprung uneinholbar sein?

     

    Antwort Pussar: Die USA und Asien sind sicher starke Wettbewerber. Wichtige Innovationen kommen von dort. Die Offenheit für innovative Finanzprodukte ist dort sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Kundenseite höher als in Deutschland. Zum einen sind Deutsche in Bezug auf Finanzen eher sicherheitsorientiert. Zum anderen verfügt Deutschland über eine vergleichsweise gute Infrastruktur, etwa in Sachen Zahlungsverkehr. In Ländern ohne eine solche Infrastruktur sind Kunden eher auf Alternativen angewiesen und daher offener für innovative Lösungen. Die starke Regulierung in Europa verlangsamt ebenfalls die Geschwindigkeit innovativer Entwicklungen. Gleichzeitig kann man sie aber auch als Chance begreifen. Zum einen zwingt sie zu besonders sicheren Produkten, die sich auch als solche vermarkten lassen, und zum anderen gelten die regulatorischen Beschränkungen nicht nur für europäische Unternehmen, sondern auch für Unternehmen aus Drittländern, die auf den EU-Markt vordringen möchten.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: ID 46068458