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  • · Datenschutzgrundverordnung

    Schadenersatz wegen rechtsmissbräuchlicher Abmahnung

    Bild: © fovito - stock.adobe.com

    von Diplom-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Köln

    | Seit 25.5.18 gilt die DSGVO europaweit. Insbesondere in Deutschland hat dadurch die Diskussion um Abmahnungen im Online-Handel wieder an Fahrt gewonnen. Passend zu dieser Diskussion wurde ein Urteil des KG Berlin veröffentlicht, welches sich mit dem Thema Rechtsmissbrauch beschäftigt. |

    Dauerabmahnung oder Wettbewerb schädigendes Verhalten

    Das KG Berlin (2.2.18, 5 U 110/16, Abruf-Nr. 202071) entschied, dass der im Namen seines Mandanten abmahnende Anwalt und der Mandant dem Abgemahnten gegenüber gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz haften, wenn diese eine Vielzahl von Abmahnungen aussprechen, obwohl der Mandant das Kostenrisiko nicht tragen kann. In dem zugrunde liegenden Fall verschickte ein Anwalt eine Vielzahl von Abmahnungen im Namen seines Mandanten. Dabei unterließ es der Anwalt aber, seinem Mandanten die anfallenden Rechtsanwaltskosten in Rechnung zu stellen. Hierdurch entstand der Eindruck einer Absprache zwischen den beiden.

     

    Bereits im Jahr 2010 hatte das KG Berlin in einem ähnlich gelagerten Fall gegen die Beklagten ‒ also sowohl gegen den Anwalt als auch gegen seinen Mandanten ‒ ein Verfahren entschieden. Insoweit verwies es in dem aktuellen Verfahren auch auf die Begründung von damals. Bereits 2010 war der Mandant nicht in der Lage, das Prozesskostenrisiko aus Abmahnungen durch seine eigene wirtschaftliche Leistung zu tragen. Dadurch lag nach Auffassung des Gerichts die Vermutung nahe, dass der Abmahnanwalt seinen Mandanten vom Kostenrisiko freistellte. Also: Es eine Absprache gebe, dass die Abmahnkosten nicht gezahlt werden müssen, sofern die Abmahnung keinen Erfolg hat. Innerhalb von 6 Monaten war so eine Anwaltsrechnung von 65.000 EUR entstanden. Die Höhe dieser offenen Rechnung verstärkte den Eindruck der Absprache zwischen Abmahner und seinem Anwalt noch.

    Rechtsmissbrauch ist sittenwidrige Schädigung

    Dieses Verhalten des „Abmahn-Duos“ erfüllte nach Ansicht des KG Berlin den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung. Sie seien daher zum Schadenersatz nach § 826 BGB verpflichtet.

     

    Zum Zeitpunkt der vom KG im aktuellen Verfahren zu behandelnden Abmahnung war nach Ansicht des Gerichts die vom Gesetz vorgesetzte besondere Verwerflichkeit des Verhaltens erfüllt. Die wirtschaftliche Situation des Abmahners verschärfte sich immer mehr. Hinzu kam, dass immer mehr Auseinandersetzungen mit Abgemahnten aufgrund des Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs entstanden. Gleichzeitig setzten Abmahner und Anwalt aber ihr Geschäftsmodell der rechtsmissbräuchlichen Abmahnung weiter fort. Dies sei besonders verwerflich. Da hier sowohl die wirtschaftliche Situation des Abmahners derart schlecht war und auch die Absprache zwischen Anwalt und Abmahner im Raume stand, dass dieser kein Kostenrisiko trage, handelten beide auch vorsätzlich. Insofern machten sich beide also schadenersatzpflichtig gegenüber des Abgemahnten.

    Praxistipp

    Einem Abmahner und seinem Anwalt einen Rechtsmissbrauch im Prozess nachzuweisen, ist nur sehr schwer möglich. Denn die gesetzliche Vermutung der Anspruchsberechtigung spricht zunächst für einen abmahnenden Mitbewerber. Als Abgemahnter muss man dem Gericht sehr viele Nachweise vorlegen, um diese grundsätzliche Vermutung zu erschüttern. Hierbei kann eine gute Vernetzung des Anwalts mit anderen Kollegen aus dem Wettbewerbsrecht sehr hilfreich sein. Auch gute Verbindungen zur örtlichen Industrie- und Handelskammer haben hier in der Vergangenheit schon oft gezeigt, dass man rechtsmissbräuchliche Abmahner und deren Anwälte in ihre Schranken weisen kann.

     

    Gelingt dies, muss man dann gar nicht mehr über den umständlichen Weg des § 826 BGB mit seinen eigenen sehr strengen Tatbestandsvoraussetzungen zu seinem Schadenersatzanspruch kommen. Vielmehr bietet das UWG mit § 8 Abs. 4 S. 2 eine unmittelbare Anspruchsgrundlage für die Erstattung der zur Verteidigung gegen die Abmahnung aufgewendeten Rechtsverteidigungskosten. Die Geltendmachung dieses Anspruchs ist denkbar einfach: Hat das Wettbewerbsgericht den Rechtsmissbrauch festgestellt, besteht der Anspruch auf Erstattung der Rechtsverteidigungskosten. Das bedeutet also, der Nachweis des Vorsatzes einer sittenwidrigen Schädigung entfällt.

     

    MERKE | Da es sich dabei um einen unmittelbaren Anspruch aus dem UWG handelt, sind gemäß § 13 UWG sachlich ausschließlich die Landgerichte ‒ und dabei insbesondere die Kammern für Handelssachen ‒ zuständig, bei denen eine entsprechende wettbewerbsrechtliche Kompetenz gebündelt wurde. Den Anspruch aus § 826 BGB müsste der rechtsmissbräuchlich Abgemahnte dagegen vor dem Amtsgericht (sofern es nicht um Ansprüche von über 5.000 EUR geht) einklagen.

     
    Quelle: ID 45378793