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    Interview: „Rechtsanwälte bleiben gefragt, aber die Herausforderungen an sie steigen“

    Bild: ©canjoena - stock.adobe.com

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B. A., Leipzig

    | Was bedeutet die zunehmende Digitalisierung für Rechtsanwälte? Fest steht: Einzelne Anwaltstätigkeiten können obsolet werden. Es entsteht aber auch neuer Beratungsbedarf. Timo Ehmann ist seit 2005 Rechtsanwalt und derzeit Partner bei Weitnauer Rechtsanwälte sowie Gründer von jusmeum.de. Seine Schwerpunkte sind IT-Recht, insbesondere Cloud-Computing, IT-Projektverträge und Signaturrecht. Er sagt: Die digitale Zukunft bietet Anwälten Chancen ‒ aber einhergehend mit neuen Problemen. |

     

    FRAGE: Immer mehr Rechtsuchende nutzen digitale Dienstleistungen, für die man früher zum Anwalt musste. Welche Bereiche sind dies und wo ist das „Geschäftsmodell Rechtsanwalt“ wirklich gefährdet?

     

    ANTWORT: Ich selbst sehe mich bisher nicht gefährdet und habe bei meinen Beratungsfeldern auch keinen Anlass, mittelfristig von disruptiven Angeboten beeinträchtigt zu werden. Grundsätzlich gilt natürlich: Je einfacher die anwaltliche Tätigkeit ist, umso eher kann sie durch Kommunikationstechnik ersetzt werden. Das funktioniert ja schon erfolgreich, wenn Ansprüche wegen Flugverspätungen durchgesetzt oder Bußgelder abgewehrt werden sollen. Nach diesem Muster könnten kurzfristig weitere Onlineservices spezifische Prozesse effizienter durchführen, als dies eine typische Anwaltskanzlei kann.

     

    Die meisten Anwälte werden dies zunächst kaum merken, es sei denn sie sind auf eines der betroffenen Felder spezialisiert. Erst wenn es eine große Zahl derartiger Angebote oder Plattformen gibt, wird sich das für die Anwaltschaft als solche signifikant bemerkbar machen. Der Weg dahin ist aber noch weit.

     

    FRAGE: Bringt die Digitalisierung nicht auch neuen Beratungsbedarf? Um welche juristischen Probleme könnte es da gehen?

     

    ANTWORT: Die Datenhoheit spielt eine wichtige Rolle, da immer mehr Wertschöpfung in Form von Daten gespeichert ist. Was muss ich beim Umgang von personenbezogenen Daten beachten? Und wer darf welche Daten aus welchen Quellen zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken weiterverarbeiten? Immer mehr Apps ermöglichen, mittels Smartphone Verträge zu schließen. Aber: Solche digitalen Vertragsschlüsse stellen eine Herausforderung bei formbedürftigen Rechtsgeschäften dar. Die Ersetzung der Schriftform durch qualifizierte elektronische Signaturen ist möglich, aber weder rechtlich noch technisch trivial. Hier sind rechtsanwaltliche Lösungen definitiv gefragt.

     

    Weitere Beratungsfelder bringt die sogenannte Industrie 4.0 mit sich. Wenn immer mehr Unternehmen ihr Know-how in digitalen Prozessen und Netzwerken vorhalten, wird auch die Frage ausreichenden Schutzes z. B. vor Hackerangriffen wichtig und ob die Unternehmen diesen Schutz auch leisten. Das wird in einem Land wie Deutschland mit einem Mittelstand, der von innovativen Produkten und Ideen lebt, ein entscheidender Faktor sein. Auch der 3D-Druck wird noch viele Juristen beschäftigen. Hier werden sich zahlreiche neue Rechtsfragen stellen, vor allem urheberrechtliche und markenrechtliche.

     

    FRAGE: Digitalisierung heißt auch, sie für die eigene Kanzlei nutzen. Wie kann der Anwalt sein Personal einbinden und Aufgaben delegieren?

     

    ANTWORT: Zunächst einmal wird es eine Herausforderung für Anwälte sein, sich mit neuer Software auseinanderzusetzen, mit der die Arbeit effizienter wird. Da gibt es schon einiges z.B. bei Marken- oder Patentrecherche oder -überwachung, Due Diligence und Ähnlichem. Sich damit zu befassen ist nicht nur herausfordernd, weil Arbeitsweise und etablierte Prozesse umgestellt werden müssen. In anderen Branchen ist das letztlich genauso.

     

    Bei Anwälten, die nach Stundensätzen abrechnen, kommt hinzu, dass sie kein unmittelbares Interesse daran haben, durch Software effizienter und schneller zu werden. Hier tritt dann das Thema in den Fokus, Tätigkeiten auf Mitarbeiter zu delegieren. Wenn Softwareprozesse vereinfacht sind, sind diese leichter auf Mitarbeiter zu übertragen. Das ist aber eine unternehmerische Aufgabe, bei der am Anfang in Software, Schulungen und skalierbare Akquiseprozesse zu investieren ist, was dem Typus „Freiberufler“ nicht leicht fallen wird.

     

    FRAGE: Welche Risiken birgt das?

     

    ANTWORT: Anwälte haften für fehlerhafte Beratung. Wenn diese auf einen Softwarefehler zurückzuführen ist, ändert sich hieran grundsätzlich nichts. Das Problem ist bekannt, weil Rechtsanwälte auch bisher, zum Beispiel bei der Informationsbeschaffung, auf fremde Quellen angewiesen sind. Aber dieser Umstand wird eine neue Dimension bekommen ‒ und Rechtsanwälte werden nicht darum herumkommen, sich hier abzusichern.

     

    FRAGE: Sind insoweit Bürogemeinschaften/Partnerschaften mit Patentanwälten eine gute Idee, die ohnehin über technisches Wissen verfügen und mit Urheberrechtsfragen vertraut sind?

     

    ANTWORT: Anwälte müssen sich zum Thema Digitalisierung positionieren und stehen dabei wie andere Unternehmen auch vor großen Aufgaben, für die sie technisches Know-How benötigen. Externe Dienstleister brauchen intern eine Schnittstelle, mit der sie die Strategien abstimmen können. Das müssen nicht Patentanwälte sein, die ja auch nicht alle IT-Bezug haben. Es können auch Anwälte sein, die IT-Unternehmen beraten und insofern über hinreichendes Wissen für die erforderlichen Entscheidungen verfügen.

    Quelle: ID 45052942