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  • · Digitale Kanzlei

    „Stresstest“ Corona: Schlägt die Stunde digitaler Kommunikation?

    Bild: © ExQuisine - stock.adobe.com

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B.A., Leipzig

    | Unternehmen schicken Mitarbeiter ins Homeoffice, Präsenztreffen werden durch Telefon- und Videokonferenzen ersetzt, an Ladenkassen ermuntern Hinweise die Kunden, möglichst via Karte bzw. kontaktlos zu bezahlen. Während das Coronavirus das öffentliche Leben und die Wirtschaft herunterfährt, zeigt sich gleichzeitig: Digitale Techniken spielen ihre Vorteile aus, wenn Kontakte und Begegnungen drastisch reduziert werden müssen. Nutzen die Unternehmen das Potenzial? |

     

    Nils Britze, Bereichsleiter Digitale Geschäftsprozesse bei der Bitkom, beobachtet die Entwicklungen genau. Im Interview mit DR erläutert er seine Sicht, wie Deutschland hier aufgestellt ist.

     

    Frage: In der aktuellen Situation weichen viele Unternehmen auf Homeoffice oder Videokonferenzen aus. Wie gut sind deutsche Unternehmen aufgestellt, krisenbedingt rasch massiv auf digitale Kommunikationszonen umzustellen?

     

    Antwort: Die aktuelle Situation kann auch als Stresstest für das digitale Büro bezeichnet werden. Laut unserer Studie, dem Digital Office Index , gibt es digitale Vorreiter, die bereits in der Vergangenheit in die technische und organisatorische Infrastruktur ihrer Büro- und Verwaltungsprozesse investiert haben und in der aktuellen Lage relativ gut aufgestellt sein sollten.

     

    Frage: Und die sogenannten „digitalen Nachzügler“?

     

    Antwort: Bei denen ist ein rascher Wechsel des Modus eher herausfordernder und muss ggf. über kurzfristige Anschaffung von Lizenzen gelöst werden. Neben den technischen Fragen gibt es natürlich auch organisatorische Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt. Wenn es z. B. bislang keine Homeoffice-Kultur im Unternehmen gab, wird diese jetzt sehr kurzfristig entstehen müssen, und es ist nicht selbstverständlich, dass die Zusammenarbeit mit Kollegen oder externen Partnern sofort reibungslos funktioniert. Nichtsdestotrotz sind wir davon überzeugt, dass Unternehmen in der aktuellen Situation in der Lage sein werden, die notwendigen Maßnahmen für standortunabhängige produktive Arbeit zu ergreifen.

     

    Frage: Um bei der aktuellen Corona-Situation zu bleiben: Hier sind Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen gefährdet. Schlägt hier die Stunde der Digitalisierung, weil Ärzte oder Betreuer ohne direkten Kontakt mit Betroffenen kommunizieren können?

     

    Antwort: Ja, das gilt vor allem für telemedizinische Angebote ‒ und insbesondere Videosprechstunden. Vor dem Hintergrund der Empfehlungen, verzichtbare Arztbesuche zu vermeiden und bei Verdacht auf Corona vorab telefonischen Kontakt mit der Praxis aufzunehmen ‒ was viele nicht tun, weil Leitungen besetzt oder ein Arztgespräch gewünscht ist ‒, stellt die telemedizinische Beratung bzw. Behandlung in der aktuellen Situation eine der größten Chancen dar, das Gesundheitssystem zu entlasten und Ärzte sowie Patienten zu schützen. Die Nutzung von und Nachfrage nach bestehenden Videodienstangeboten ist in der jüngsten Zeit enorm gestiegen. Viele Unternehmen leisten bereits einen Beitrag zur Unterstützung des Systems und stellen ihre Videodienste aktuell kostenfrei zur Verfügung. Dies haben erfreulicherweise auch Politik und Selbstverwaltung erkannt und die Möglichkeiten von Videosprechstunden erweitert sowie eine telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ermöglicht.

     

    Frage: Werden Entwicklungen im Bereich der digitalen Kommunikation durch Krisensituationen vorangetrieben? Bzw. sind diese ein zusätzlicher Anreiz, dass Unternehmen ihre internen Strukturen komplett überprüfen, um sich unabhängig von persönlichen Kontaktformen zu machen?

     

    Antwort: Ich denke, hier gilt es eine kurzfristige und eine mittelfristige Perspektive zu unterscheiden. Kurzfristig wird die Nachfrage nach digitalen Lösungen stark zunehmen. Wir müssen aber auch sagen, dass es beim Einsatz digitaler Kommunikationskanäle noch viel Spielraum nach oben gibt. So kamen Online-Meetings und Videokonferenzen 2018 in fast jedem zweiten Unternehmen häufig zum Einsatz. Da waren es 47 Prozent, 2016 erst 40 Prozent. Allerdings hatten klassische Kommunikationskanäle wie Telefax oder der Brief einen wesentlich größeren Anteil. Mittelfristig sollte es dann auch darum gehen, vorhandene Unternehmensprozesse infrage zu stellen und gute digitale Geschäftsprozesse im Unternehmen zu etablieren. Der Nutzen digitaler Kommunikationskanäle ist am größten, wenn diese umfassend in den technischen, rechtlichen und organisatorischen Unternehmenskontext eingebettet sind. Es ist schon zu erwarten, dass sich die aktuelle Situation mittelfristig positiv auf den digitalen Reifegrad von Unternehmen auswirken wird.

     

    Frage: Welche Belastungen resultieren für Telekommunikationsunternehmen daraus, wenn sich dann auch der weltweite Datentransfer massiv erhöht? Ist beispielsweise die deutsche IT-Infrastruktur hierfür gerüstet?

     

    Antwort: Die Breitbandinfrastruktur in Deutschland ermöglicht eine hohe Verfügbarkeit von schnellem Internet. Die Spitzenbelastungen entfallen regelmäßig auf die Abendstunden. Infolge der Corona-Pandemie verlagern sich viele berufliche und private Tätigkeiten in das eigene Zuhause und damit auch ins Internet ‒ diese finden aber überwiegend zu den üblichen Arbeitszeiten statt, in denen bisher bei weitem keine Spitzenbelastungen angefallen sind. Zwar steigt der Datenverkehr insgesamt an. Aber neue Lastspitzen werden dadurch bislang nicht erreicht. Nach aktuellem Stand ist der Datenverkehr infolge der Corona-Pandemie in Deutschland um etwa zehn Prozent gestiegen.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: ID 46416493