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  • · E-Commerce

    BGH: Angabe einer Telefonnummer bei Amazon

    Bild: Rawpixel Ltd., sester1848

    von Dipl.-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Kanzlei Wienke & Becker, Köln

    | Der BGH hat einen Rechtsstreit zwischen dem vzbv und Amazon nun rechtskräftig entschieden. Es ging darin um die Frage, ob Online-Händler gesetzlich dazu verpflichtet sind, eine Telefonnummer anzugeben. Der BGH (19.12.19, I ZR 163/16) hat diese Frage verneint. Die Entscheidung war zu erwarten, weil der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens bereits die wesentlichen rechtlichen Fragen geklärt hatte. |

    Bestellprozess bei Amazon

    Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte mit dem Verfahren den Bestellprozess bei Amazon beanstandet. Insbesondere meinte er, dass Amazon nicht transparent genug über eine Telefonnummer informierte. Denn der Information über die Telefonnummer waren verschiedene Hinweise auf andere Kontaktmöglichkeiten vorangestellt, z. B. mithilfe eines Rückruf-Services oder verschiedener themenspezifischer Kontaktformulare. Inhaltlich ging es in dem Verfahren auch um die Frage, ob Online-Händler durch den nationalen Gesetzgeber verpflichtet werden können, immer eine Telefonnummer anzugeben, obwohl die Verbraucherrechterichtlinie lediglich vorschreibt, dass ggf. eine Telefonnummer zu nennen ist.

    Angabe effizienter Kontaktmöglichkeiten

    Die Verbraucherrechterichtlinie zählt verschiedene Kommunikationsmittel auf, die der Unternehmer angeben kann. Dabei ist diese Liste, wie der EuGH klargestellt hat, lediglich beispielhaft zu verstehen und der Unternehmer kann sich auch dazu entscheiden, andere Wege aufzuführen. Wichtig dabei ist: Diese Wege müssen eine effiziente Kommunikation mit dem Unternehmer ermöglichen. Auch Kontaktformulare oder ein Rückrufsystem, wie dies von Amazon im Streitfall angeboten wurde, können das Kriterium der Effizienz erfüllen. So erfolgte beispielsweise ein Rückruf von Amazon entweder innerhalb weniger Minuten oder während einer vom Verbraucher vorher definierten Zeitspanne.

     

    MERKE | Damit stand also als Zwischenergebnis der Entscheidung fest, dass Amazon (oder andere Online-Händler) zunächst nicht zwingend dazu verpflichtet sind, eine Telefonnummer explizit zu nennen.

     

    Wie viele Klicks sind erlaubt?

    Bei der Angabe dieser Kontaktmöglichkeiten muss der Händler auch das gesetzliche Transparenzgebot beachten. Im Internet ist anerkannt, dass nicht alle Informationen auf einer Seite stehen müssen, sondern dass der Verbraucher auch über Links zum Ziel geführt werden kann. Bisher galt eine relativ strenge Maßgabe, dass der Verbraucher maximal zwei Links klicken darf, um an die gewünschte Information zu gelangen. Diese feste Vorgabe hat der BGH nun aufgeweicht. Es kommt nicht auf die Anzahl der Klicks an, sondern vielmehr darauf, dass der Verbraucher zielgerichtet zum Ziel geführt wird.

     

    Der vzbv bemängelte in dem Verfahren, dass Amazon zwar eine Telefonnummer angab, diese aber sehr versteckt gewesen sei und erst nach Durchlaufen eines „komplexen Ablaufs“ und „nur unter Mühen und über das Durchklicken verschiedener untereinander verschachtelter Seiten“ zu finden war. Tatsächlich gestaltete sich der Weg zur Telefonnummer wie folgt:

     

    Zunächst musste der Verbraucher auf „Kontaktieren Sie uns“ klicken. Auf der sich dann öffnenden Seite wurden ihm verschiedene Kontaktmöglichkeiten angeboten. Klickte er dort auf „Telefon (Rufen Sie uns an)“, öffnete sich eine weitere Seite, auf der der Verbraucher einen Rückruf beauftragen konnte oder über den Link „Allgemeine Hilfenummern“ letztlich auf die Seite gelangte, auf der die Telefonnummer angeben wurde. In Summe waren dies also drei Klicks. Von einem „komplexen Ablauf“ kann bei dieser Art der Ausgestaltung keineswegs die Rede sein. Auch ein „Durchklicken verschiedener untereinander verschachtelter Seiten“ war vorliegend nicht gegeben. Einem Verbraucher, dem es gelungen war, sich bei Amazon ein Kundenkonto anzulegen ‒ inkl. der dort vorgesehenen Zwei-Faktor-Authentifizierung ‒, und der anschließend einen Bestellvorgang durchlief, dem sollte es wohl auch gelingen mithilfe von drei weiteren Klicks eine Telefonnummer zu finden, wenn er denn unbedingt mit Amazon telefonieren wollte.

     

    Dies sah wohl auch der BGH so, denn er entschied, dass der von Amazon vorgegebene Weg die Anforderungen an die notwendige Transparenz der Informationserteilung erfüllte. Dabei kam es dem Gericht insbesondere darauf an, dass der Verbraucher zwar über Seiten mit Vorschlägen zu anderen Kontaktmöglichkeiten geführt wurde, dabei aber auch immer die Information erteilt wurde, wie der Verbraucher weiterklicken musste, um an die Telefonnummer zu gelangen.

     

    Insbesondere dieser Aspekt der Entscheidung ist sehr zu begrüßen. Sie berücksichtigt, dass der Durchschnittsverbraucher mit dem Internet vertraut ist und weiß, was ein Link ist. Verbraucher klicken nicht mehr wild drauflos und schließen dann aus Versehen Verträge ab. Außerdem berücksichtigt dies auch die unternehmerische Freiheit. Dem Unternehmer ist zuzugestehen, dass gerade im Online-Business Telefonanrufe von Kunden lästig sind und wertvolle Arbeitszeit rauben. Welchen Mehrwert soll ein Anruf bei einem Online-Händler haben? Alle Informationen, die der Verbraucher benötigt, findet er im Online-Shop. Andere oder mehr Informationen können ihm am Telefon auch nicht gegeben werden. Für allgemeinere Anfragen kann der Verbraucher auch die Möglichkeit nutzen, dem Unternehmen eine E-Mail zu schreiben, denn zur Bekanntgabe der E-Mail-Adresse sind Online-Händler weiterhin nach § 5 TMG verpflichtet.

     

    FAZIT | Unternehmen müssen nun keine Abmahnungen fürchten, wenn sie die Telefonnummer aus ihrem Impressum streichen, aber dafür andere effiziente Kommunikationsmittel angeben. Das Urteil stärkt die unternehmerische Freiheit, ohne dabei den Verbraucherschutz einzuschränken. Denkbare Alternativen sind eine Live-Chat-Funktion, Kontaktformulare, Rückruf-Services oder vergleichbare Kanäle. Unternehmen können dadurch flexibler agieren und neue technische Entwicklungen auf dem Gebiet der Kontaktwege ausprobieren, ohne dabei gleich einen Gesetzesverstoß befürchten zu müssen.

     
    Quelle: ID 46580131