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    BGH pro Unternehmer: Besteht eine Pflicht zur Angabe von einer Telefonnummer im Online-Shop?

    Bild: Rawpixel Ltd., sester1848

    von Martin Rätze, Trusted Shops GmbH, Köln

    | Mit Beschluss vom 5.10.17 hat der BGH (I ZR 163/16, Abruf-Nr. 198075 ) dem EuGH mehrere Fragen in Bezug auf die Angabepflicht von Telefonnummern in einem Online-Shop vorgelegt. In dem Verfahren geht es um die Praxis von amazon, verschiedene Kontaktmöglichkeiten anzubieten. |

    1. Sachverhalt

    Der Kläger ist der vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband), Beklagte ist amazon.

     

    Im Online-Shop der Beklagten bestand im August 2014 die Möglichkeit, einen mit „Kontaktieren Sie uns“ gekennzeichneten Link zu betätigen. Anschließend wurde man danach gefragt, wie man mit der Betreiberin Kontakt treten wollte und hatte die Wahl zwischen E-Mail, dem Button „Rufen Sie uns an“ und einem Chat. Eine Telefaxnummer war nicht angegeben. Wurde der mit „Rufen Sie uns an“ Button angeklickt, öffnete sich eine weitere Internetseite, auf der der Nutzer die Möglichkeit erhielt, seine Telefonnummer anzugeben und sich anrufen zu lassen („Jetzt anrufen“ und „In 5 Minuten anrufen“). Auf derselben Seite befand sich außerdem der Hinweis: „Wenn Sie es vorziehen, können Sie auch unsere allgemeine Hilfenummer anrufen“. Über den Verweis „allgemeine Hilfenummer“ öffnete sich ein Fenster mit Telefonnummern der Beklagten.

     

    Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte informiere die Verbraucher entgegen ihrer Pflicht zur Ermöglichung einer effizienten Kommunikation unzureichend über ihre Telefon- und Telefaxnummer. Die Beklagte habe zudem nicht klar und verständlich eine Telefonnummer angegeben. Der angebotene Rückrufservice reiche nicht aus, da eine Vielzahl von Schritten erforderlich sei, um in Kontakt mit der Beklagten zu treten.

     

    Vor dem LG und dem OLG hatte der Kläger keinen Erfolg. Über die zugelassene Revision muss der BGH noch abschließend entscheiden, denn er hat zunächst das Verfahren ausgesetzt und mehrere Vorlagefragen an den EuGH geschickt.

    2. Entscheidungsgründe

    Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach § 2 Abs. 1 UKlaG, § 8 Abs. 1 UWG, § 3 UWG, § 3a UWG, § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG setzen voraus, dass amazon eine Informationspflicht gemäß § 312d Abs. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB verletzt hat.

     

    Online-Händler wie amazon sind verpflichtet, dem Verbraucher über

    • ihre Identität, beispielsweise den Handelsnamen sowie die Anschrift des Ortes, an dem sie niedergelassen sind,
    • ihre Telefonnummer und gegebenenfalls ihre Telefaxnummer und E-Mail-Adresse sowie
    • die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag sie handeln, zu informieren.

     

    Diese Angaben sind in klarer und verständlicher Weise zu erteilen.

     

    Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass amazon seine gesetzlichen Pflichten erfüllte, da es über das Angebot des Chat oder der Rückruffunktion sichergestellt war, dass Verbraucher mit dem Unternehmen kommunizieren können.

     

    2.1 Das Wort „gegebenenfalls“

    Zur Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche kam es dem BGH aber entscheidend darauf an, ob das deutsche Recht europarechtskonform ist und wie der Senat die Vorschriften auszulegen hat.

     

    Nach dem Wortlaut des deutschen Rechts müssen alle Unternehmer im Fernabsatz dem Verbraucher gegenüber eine Telefonnummer angeben. Angaben zu einer Faxnummer und die Anschrift und Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt, müssen lediglich „gegebenenfalls“ genannt werden. Der BGH geht davon aus, dass der deutsche Wortlaut nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Vielmehr sei die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass sich das „gegebenenfalls“ auch auf die Angabe der Telefonnummer bezieht, wie es in der Verbraucherrechterichtlinie auch eindeutig heißt.

     

    In Art. 6 der Verbraucherrechterichtlinie heißt es, dass der Unternehmer in klarer und verständlicher Weise über die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist, und gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann, sowie gegebenenfalls die Anschrift und Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt, zu informieren hat. Das Wort „gegebenenfalls“ steht also vor dem Wort Telefonnummer und nicht ‒ wie im deutschen Gesetz ‒ danach.

     

    Daneben fragte der BGH noch, wie das Wort „gegebenenfalls“ inhaltlich zu verstehen sei. Müssen nur Telefonnummern oder andere Kontaktmöglichkeiten angegeben werden, die bereits im Unternehmen vorhanden sind oder muss der Online-Händler womöglich erst noch entsprechende Kontaktkanäle einrichten?

     

    2.2 Angabe sämtlicher Kommunikationswege?

    Eine weitere Frage, die der BGH hatte: Muss der Unternehmer wirklich alle Kommunikationswege angeben? Denn es könne sein, dass er z.B. nur für die Kommunikation mit Behörden, Lieferanten oder Dienstleistern eine Telefonnummer nutzt. Gerade in arbeitsteilig organisierten Unternehmen mache eine solche Trennung der Kommunikationswege auch Sinn. Es kann nicht zwingend geschlossen werden, dass Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Organisation alle diese Kommunikationskanäle auch zur Kommunikation mit (potenziellen) Kunden nutzen. Dagegen spricht aus Sicht des BGH, dass man sonst seitens des Gesetzgebers den Unternehmer zwingen würde, seine betriebliche Organisation zu ändern und eventuell sogar neue Mitarbeiter einzustellen. Dies wäre aus Sicht des BGH ein unzulässiger Eingriff in die gemäß Art. 16 und Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützte betriebliche Organisationsfreiheit des Unternehmers.

     

    2.3 Nur „Telefon“, „Telefax“ und „E-Mail“

    Weiter stellt der BGH die Frage, ob die in der Richtlinie genannte Aufzählung der Kommunikationsmittel „Telefon“, „Telefax“ und „E-Mail“ abschließend sei oder ob der Unternehmer auch weitere Formen ‒ wie etwa einem Internet-Chat oder eine Rückrufoption ‒ anbieten darf. Der BGH versteht die Aufzählung nur beispielhaft und plädiert dafür, dass weitere Kontaktmöglichkeiten zulässig sind.

     

    2.4 Art der Angaben auf der Website

    Und letztlich ging es in der letzten Frage noch um die Art der Angabe auf der Website. Denn bei amazon waren am Ende ja tatsächlich Telefonnummern genannt, nur fand man diese nur über mehrfache Klicks. Der vzbv war der Meinung, diese Art der Angabe sei nicht klar und verständlich. Es ist aber nach Ansicht des Senats nicht hinreichend geklärt, welche Maßstäbe an die Klarheit und Verständlichkeit der vom Unternehmer an den Verbraucher zu gebenden Informationen anzulegen sind. Der vzbv ist der Auffassung, dass sich die in der Vorschrift genannten Merkmale „schnell und effizient“ auf die Angabe der Information bezögen. Der Senat kann dieser Auffassung aber nicht zustimmen. Nach seiner Ansicht bezieht sich „schnell und effizient“ auf die Kontaktaufnahme an sich und nicht auf die zu machenden Angaben.

    3. Praxishinweis

    Die Entscheidung des EuGH wird mit Spannung erwartet. Der deutsche Gesetzgeber hat die Verbraucherrechterichtlinie nicht nur an dieser Stelle bei der Umsetzung ins deutsche Recht sehr großzügig interpretiert. Da nach dem aktuellen Gesetzeswortlaut alle Online-Händler verpflichtet sind, eine Telefonnummer im Online-Shop zu nennen, müssen nach dem Beschluss des OLG Hamm (24.3.15, I-4 U 30/15, MMR 15, 517) und dem Beschluss des OLG Frankfurt (4.2.16, 6 W 10/16, MMR 15, 517) auch alle Online-Händler eine Telefonnummer innerhalb der Widerrufsbelehrung nennen.

     

    Der Aufwand für Online-Händler, telefonische Anfragen entgegenzunehmen, ist sehr hoch, insbesondere in den handelsstarken Monaten kurz vor Weihnachten. Den Wunsch des Verbrauchers, auch einmal anrufen zu wollen, kann man nachvollziehen. Wenn er dies möchte, muss er sich selbst nach Händlern umschauen, die einen solchen Service anbieten. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Bereithaltung eines telefonischen Kundendienstes greift ‒ wie der Senat zutreffend entschieden hat ‒ zu stark in die unternehmerische Freiheit ein. Insbesondere bei sehr kostengünstigen Produkten für den Alltag, die keine Erklärungen bedürfen, könnte die Nichtangabe der Telefonnummer auch Auswirkungen auf den Preis haben, da keine Mitarbeiter für den telefonischen Support bereitgestellt werden müssen. Bei höherpreisigen Artikeln wäre es dagegen eine besondere Leistung des Händlers, die noch höhere Preise rechtfertigen würde. Die Freiwilligkeit eines solchen Angebots würde also allen zugute kommen.

    Quelle: ID 45040835