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    Die 10 wichtigsten Urteile für den Online-Handel im Jahr 2017

    Bild: ellagrin ‒ stock.adobe.com

    von Martin Rätze, Trusted Shops GmbH, Köln

    | Im vergangenen Jahr wurden einige Fragen, die die Rechtswissenschaft teilweise schon über Jahre beschäftigt, höchstrichterlich geklärt. Andere Fragen wurden vom BGH formuliert und warten jetzt darauf, dass der EuGH diese beantwortet. Nachfolgend fassen wir die 10 wichtigsten Entscheidungen für den Online-Handel aus dem Jahr 2017 für Sie zusammen. |

     

    Übersicht / 10 wichtige Urteile in 2017

    EuGH: Keine Service-Dienste als Kundenhotline

    Der EuGH (2.3.17, C-568/15, Abruf-Nr. 196322) hatte sich auf eine Vorlagefrage des LG Stuttgart (15.10.15, 11 O 21/15, WRP 16, 129) damit beschäftigt, wie Art. 21 der Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU) und dort speziell der Begriff „Grundtarif“ auszulegen ist. Nach Art. 21 haben die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer mehr als den Grundtarif zu zahlen, wenn der Unternehmer eine Telefonleitung eingerichtet hat, um mit ihm im Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag telefonisch Kontakt aufzunehmen.

     

    Auf ihrer Website gab die beklagte comtech GmbH für Kunden, die Informationen wünschten oder eine Beschwerde äußeren wollten, eine 0180-Telefonnummer an, unter der man einen Kundenservice erreichen konnte. Die Kosten für einen Anruf bei dieser Rufnummer betragen aus dem deutschen Festnetz 14 Cent pro Minute und maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz. Damit sind diese Kosten höher als die für gewöhnliche Anrufe unter einer sogenannten „geografischen“ Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer. Die Wettbewerbszentrale war der Auffassung, dass die Kosten für einen Anruf bei einer 0180-Nummer den Grundtarif übersteigen.

     

    Der EuGH entschied, dass der Begriff Grundtarif dahin auszulegen ist, dass die Kosten eines auf einen geschlossenen Vertrag bezogenen Anrufs unter einer von einem Unternehmer eingerichteten Service-Rufnummer die Kosten eines Anrufs unter einer gewöhnlichen geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer nicht übersteigen dürfen. Soweit diese Grenze beachtet wird, ist es unerheblich, ob der betreffende Unternehmer mit dieser Service-Rufnummer Gewinne erzielt.

     

    Noch ungeklärt ist die Frage, ob der Unternehmer eine Telefonnummer zur Verfügung stellen darf, bei der ein höherer Tarif als der Grundtarif gilt, wenn er daneben eine Telefonnummer zum Grundtarif zur Verfügung stellt, über die Kunden Fragen und Erklärungen zu einem bestehenden Vertrag abgeben können. Diese Frage wurde ebenfalls dem EuGH (C 332/17) vorgelegt.

    BGH 5.10.17: Muss überhaupt eine Telefonnummer angegeben werden?

    Der EuGH muss sich außerdem mit der grundsätzlichen Frage beschäftigen, ob Betreiber von Online-Shops verpflichtet werden können, eine Telefonnummer anzugeben. Der BGH (5.10.17, I ZR 163/16, Abruf-Nr. 198075) hat insgesamt fünf Vorlagefragen an den EuGH geschickt.

     

    Hintergrund ist, dass der deutsche Gesetzgeber Art. 6 Abs. 1c der Verbraucherrechterichtlinie fehlerhaft ins deutsche Recht umgesetzt hat. Zusätzlich möchte der BGH wissen, wie die Informationen über die Kontaktmöglichkeiten in einem Online-Shop zu erteilen sind.

    OLG Hamm 3.8.17: Dauerstreit-Thema OS-Plattform

    Seit 9.1.16 ist die Online-Branche aufgrund der Schaffung der OS-Plattform und damit einhergehenden Informationspflichten in Aufruhr. Online-Unternehmen sind verpflichtet, auf ihren Websites einen Link zur OS-Plattform einzustellen. Dieser Link muss für Verbraucher leicht zugänglich sein.

     

    Außerdem, so entschied es das OLG Hamm (3.8.17, 4 U 50/17, Abruf-Nr. 197620), muss dieser Link klickbar sein. Die reine Nennung der Link-Adresse genüge nicht den Anforderungen. Ein solcher Verstoß sei auch spürbar, führte das Gericht aus, ohne eine nähere Prüfung der Spürbarkeit durchzuführen.

    BGH 18.7.17: Sofortüberweisung darf nicht einzige kostenlose Zahlungsart sein

    Der BGH (18.7.17, KZR 39/16, Abruf-Nr. 196972) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob auf einer Website, über die online Buchungen durchgeführt werden konnten, Sofortüberweisung die einzige kostenlose Zahlungsart sein darf, die dem Verbraucher zur Verfügung gestellt wird. Hintergrund ist § 312a Abs. 4 BGB, nachdem Gebühren für die Auswahl einer Zahlungsart nur dann zulässig sind, wenn dem Verbraucher mindestens eine gängige und zumutbare kostenlose Zahlungsart zur Verfügung gestellt wird (Nr. 1). Außerdem begrenzt § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB die Höhe der zulässigen Gebühren.

     

    Der BGH war der Auffassung, dass Sofortüberweisung keine zumutbare Zahlungsart i.S. des § 312a Abs. 4 BGB sei. Der Kunde müsse bei dieser Zahlungsart PIN und TAN einem Dritten zur Verfügung stellen, womit dieser Dritte (der Betreiber der Zahlungsart Sofortüberweisung) Zugriff auf das Konto erlange und die gewünschte Zahlung ausführen könne. Diese Zugriffsgestaltung verstoße aber ‒ unabhängig von der Bewertung ihrer kartellrechtlichen Zulässigkeit ‒ gegen die AGB der Banken. Der Verbraucher werde bei Nutzung von Sofortüberweisung also zum Vertragsbruch gezwungen und genau dies sei unzumutbar.

    BGH 22.11.17: PayPal-Käuferschutz

    Gleich in zwei Verfahren (BGH 22.11.17, VIII ZR 83/16, Abruf-Nr. 198153 und VIII ZR 213/16, Abruf-Nr. 198154) musste sich der BGH mit der Frage beschäftigen, ob der Anspruch auf Kaufpreiszahlung eines Verkäufers gegen den Käufer wieder auferlebt, wenn der Käufer im Rahmen des Käuferschutzverfahrens von PayPal eine Erstattung erhält und damit der Kaufpreis vom Verkäufer-Konto wieder abgezogen wird.

     

    Der BGH bejahte diese Frage und verurteilte in einem Fall den Käufer zur (erneuten) Zahlung des Kaufpreises an den Verkäufer. In dem anderen Fall verwies er die Sache zurück an das LG Saarbrücken. Dies muss im weiteren Verfahren eventuell bestehende Gegenansprüche des Verbrauchers prüfen.

    LG Freiburg: Lastschrift darf nicht auf deutsche Konten beschränkt werden

    Das LG Freiburg (21.7.17, 6 O 76/17, Abruf-Nr. 198155) musste die Frage klären, ob ein deutscher Online-Händler, der die Zahlungsart Lastschrift anbot, diese Zahlungsart auf deutsche Konten beschränken durfte. Konkret war eine Zahlung nicht möglich, wenn der Verbraucher zwar seinen Wohnsitz in Deutschland hatte, aber ein Konto bei einer Bank in Luxemburg.

     

    Das Gericht stufte diese Beschränkung als Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung ein. Nach dieser Vorschrift dürfen die Empfänger eine Lastschrift aber nicht vorschreiben, in welchem Land das Zahlungskonto zu führen ist.

     

    Das bedeutet, dass entsprechende AGB-Klausel, dass Zahlungen per Lastschrift nur von deutschen Konten aus möglich sind, einen Wettbewerbsverstoß darstellen.

    BGH: Vorschusspflicht im Gewährleistungsrecht

    Der BGH (19.7.17, VIII ZR 278/16, Abruf-Nr. 195564) hatte eine wichtige kaufrechtliche Frage zu entscheiden. Es ging um die Frage, ob ein Verbraucher von einem Unternehmen Vorschuss verlangen kann, um eine (möglicherweise) mangelhafte Ware zum Zwecke der Erfüllung der Gewährleistungsansprüche zum Unternehmer zu transportieren.

     

    Konkret ging es um eine in Schleswig-Holstein ansässige Verbraucherin, die ein defektes Auto zum Händler nach Berlin im Rahmen des Gewährleistungsrechts transportieren musste. Das Problem war: Der Wagen hatte einen Motorschaden und fuhr deswegen nicht mehr.

     

    Der BGH entschied, dass dem Verbraucher aus § 439 Abs. 1 BGB ein entsprechender Anspruch auf Vorauszahlung der Transportkosten gegen den Unternehmer zusteht, sofern ein konkretes und bestimmtes Nacherfüllungsverlangen vorliegt.

    BGH: Widerrufsrecht bei Hygieneartikeln ausgeschlossen

    Der BGH (15.11.17, VIII ZR 194/16, Abruf-Nr. 198156) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob auf Verträge über die Lieferung von online gekauften Matratzen das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht Anwendung findet oder ob es sich dabei um Hygieneprodukte i.S. des § 312 Abs. Abs. 2 Nr. 3 BGB handelt, bei denen ‒ sofern eine vorhandene Versiegelung entfernt wurde ‒ das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist.

     

    Der Senat tendiert dazu, dass Matratzen nicht von der Ausnahmevorschrift erfasst werden, legt diese Frage aber dem EuGH vor. Der BGH fragt daher den EuGH, ob die Ausnahmevorschrift dahin auszulegen ist, dass zu den dort genannten Waren solche Waren (wie etwa Matratzen) nicht gehören, die zwar bei bestimmungsgemäßen Gebrauch mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen können, aber durch geeignete (Reinigungs-)Maßnahmen des Unternehmers ‒ wenn auch möglicherweise mit Werteinbußen, die der Unternehmer kalkulieren kann ‒ wenigstens wieder als gebrauchte Sachen verkehrsfähig gemacht werden können.

     

    Außerdem fragt der BGH weiter, wie eine Verpackung beschaffen sein muss, um als Siegel im Sinne dieser Ausnahmevorschrift zu gelten.

    EuGH: Kein ermäßigter Steuersatz für eBooks

    Der EuGH (7.3.17, C-390/15, Abruf-Nr. 193748) musste die Frage entscheiden, ob für eBooks der ermäßigte Mehrwertsteuersatz Anwendung findet. Hintergrund ist, dass es in der Mehrwertsteuerrichtlinie einen Anhang III gibt, der beschreibt, auf welche Waren(gruppen) dieser ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist. Hiervon erfasst sind nach Nummer 6 dieses Anhangs Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern.

     

    Diese Ausnahme betreffe aber gerade keine eBooks, so der EuGH, sodass beim Verkauf von eBooks weiterhin der normale Steuersatz anfällt. Die Lieferung von eBooks wird europarechtlich als Erbringung digitaler Dienstleistungen gesehen und hierfür gelten eigene steuerrechtliche Vorgaben. Es sei legitim, wenn der europäische Gesetzgeber für elektronisch erbrachte Dienstleistungen den ermäßigten Steuersatz nicht vorsehe, entschied das Gericht. Andernfalls würde die Kohärenz der gesamten vom Unionsgesetzgeber angestrebten Maßnahme beeinträchtigt, die darin besteht, alle elektronischen Dienstleistungen von der Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auszunehmen.

    OLG Naumburg: Kein pauschaler Ausschluss des Widerrufsrechts für Medikamente

    Das OLG Naumburg (22.6.17, 9 U 19/17, Abruf-Nr. 198157) ist der Fragen nachgegangen, ob Verträge über die Lieferung von online gekauften Medikamenten immer vom Widerrufsrecht ausgeschlossen seien. Einen solchen pauschalen Ausschluss verwendete eine Online-Apotheke in ihren AGB und wurde hierfür abgemahnt.

     

    Das Gericht sah in der Klausel eine unzulässige Einschränkung des Widerrufsrechtes des Verbrauchers und verurteile die Apotheke zur Unterlassung. Weder sei bei allen Medikamenten eine schnelle Verderblichkeit gegeben noch weisen alle Medikamente eine Versiegelung auf, sodass die Ausnahme aus § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB greifen könnte.

     

    Zwar mag es Medikamente geben, die unter eine der beiden Ausnahmen fallen, aber ein pauschaler Ausschluss für alle in einer Apotheke verkauften Medikamente ist unzulässig.

     
    Quelle: ID 45040837