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    EuGH: Online-Händler sind nicht verpflichtet, eine Telefonnummer anzugeben

    Bild: © Rawpixel Ltd. - stock.adobe.com

    von Martin Rätze, Diplom-Wirtschaftsjurist, Kanzlei Wienke & Becker, Köln

    | Der vzbv hatte gegen Amazon geklagt und bereits in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Der BGH hatte das Verfahren ausgesetzt und den EuGH angerufen, dessen Entscheidung nun vorliegt. Der EuGH (10.7.19, C-649/17) hat entschieden, dass amazon keine Telefonnummer angeben muss, gleichwohl aber zur Angabe von Mitteln verpflichtet ist, die eine schnelle und einfache Kommunikation ermöglichen. |

    vzbv gegen amazon

    Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagte gegen amazon: Das Unternehmen verstoße gegen seine gesetzliche Verpflichtung, dem Verbraucher effiziente Mittel zur Kontaktaufnahme zur Verfügung zu stellen. Hintergrund war, dass amazon zwar verschiedene Kontaktformulare sowie einen Rückrufservice zur Verfügung stellt, jedoch keine Telefonnummer oder Faxnummer angibt.

     

    An dieser fehlenden Angabe störte sich der vzbv. Er meinte, das deutsche Gesetz schreibe eine solche Angabe eindeutig vor. Weiter meinte der vzbv, der von amazon angebotene Rückrufservice sei kein adäquater Ersatz, weil der Verbraucher sich erst umständlich zu diesem durchklicken müsse.

    Deutsche Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie

    Das deutsche Gesetz verpflichtet jeden Fernabsatzhändler zur Angabe einer Telefonnummer. Diese Angabe muss erfolgen, bevor der Verbraucher seine Vertragserklärung abgibt. Die Verbraucherrechterichtlinie kennt eine solche Pflicht nicht. Sie führt aus, dass der Unternehmer „gegebenenfalls“ eine Telefonnummer anzugeben habe. Beim Verfahren vor dem BGH ging es also auch um die Frage, wie dieses Wörtchen „gegebenenfalls“ zu verstehen ist. Daher setzte der BGH das Verfahren aus und stellte verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung an den EuGH:

     

    • Frage 1: Können die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die ‒ wie die Bestimmung des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB ‒ den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen vor Abgabe von dessen Vertragserklärung nicht nur gegebenenfalls, sondern stets seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen?

     

    • Frage 2: Bedeutet die in Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2011/83/EU verwendete Wendung „gegebenenfalls“, dass ein Unternehmer nur über in seinem Unternehmen bereits tatsächlich vorhandene Kommunikationsmittel informieren muss, er also nicht gehalten ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich entschließt, in seinem Unternehmen auch Fernabsatzverträge abzuschließen?

     

    • Falls die Frage 2 bejaht wird: Bedeutet die in Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2011/83/EU angeführte Wendung „gegebenenfalls“, dass nur solche Kommunikationsmittel in einem Unternehmen „vorhanden“ sind, die vom Unternehmer tatsächlich für den Kontakt zu Verbrauchern im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen eingesetzt werden? Oder sind auch solche Kommunikationsmittel im Unternehmen „vorhanden“, die vom Unternehmer bislang ausschließlich zu anderen Zwecken, wie etwa der Kommunikation mit Gewerbetreibenden oder Behörden, genutzt werden?

     

    • Frage 3: Ist die in Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2011/83/EU erfolgte Aufzählung der Kommunikationsmittel Telefon, Telefax und E-Mail abschließend, oder kann der Unternehmer auch andere, dort nicht genannte Kommunikationsmittel ‒ wie etwa ein Internet-Chat oder ein telefonisches Rückrufsystem ‒ einsetzen, sofern dadurch eine schnelle Kontaktaufnahme und eine effiziente Kommunikation sichergestellt ist?

     

    • Frage 4: Kommt es bei der Anwendung des Transparenzgebots des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU, nach dem der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die in Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2011/83/EU genannten Kommunikationsmittel informieren muss, darauf an, dass die Information schnell und effizient erteilt wird?

    Deutsches Recht ist europarechtswidrig

    Der EuGH kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass Deutschland die Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie europarechtswidrig umgesetzt hat. Der EuGH stellt mit klar, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Unternehmer zur Angabe einer Telefonnummer verpflichtet.

     

    Weiter stellte der Gerichtshof fest, dass ein Unternehmer nicht verpflichtet ist, einen Telefonanschluss oder einen Telefaxanschluss neu einzurichten, wenn er einen solchen noch nicht hat. Gerade in Bezug auf den Faxanschluss wäre ein anderes Ergebnis auch völlig unverständlich. Kein „normaler“ Verbraucher besitzt einen Faxanschluss, sodass die Angabe einer Faxnummer überhaupt keinen Mehrwert für den Verbraucherschutz hätte.

     

    Nach der Entscheidung des EuGH verpflichtet die Richtlinie Unternehmer überhaupt nur dann zur Angabe einer Telefon- oder Faxnummer bzw. seiner E-Mail-Adresse, wenn der Unternehmer bereits über solche Mittel verfügt. Allerdings auch dann nicht in jedem Fall: Denn die Richtlinie verpflichtet den Unternehmer dazu, dem Verbraucher Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, die eine direkte und effiziente Kommunikation gewährleistet; der Unternehmer kann also auf andere Kommunikationsmittel als die in der Richtlinie genannten zurückgreifen kann, um diese Pflichten zu erfüllen.

     

    PRAXISTIPP | Hierbei wird sicherlich auch mit zu beachten sein, dass ein Online-Händler gerade über ein häufig automatisierten Geschäftsablauf verfügt und deswegen eine Telefonnummer in der Regel ein denkbar schlechtes Mittel ist, um mit dem Unternehmen zu kommunizieren, ganz einfach deswegen, weil an diesem Anschluss niemand oder nur selten jemand zu erreichen ist.

     

    Balance zwischen Verbraucherschutz und Wettbewerb

    Der Gerichtshof betont, dass die Verbraucherrechterichtlinie grundsätzlich ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten soll, allerdings auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verbraucherschutz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sichergestellt werden soll. Denn auch die Wettbewerbsfähigkeit und die unternehmerische Freiheit des Unternehmens sind europäische Grundrechte aus der Charta der Grundrechte der EU.

     

    Unter Beachtung dieses Grundsatzes antwortet der EuGH: Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist zum einen dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der ein Unternehmer verpflichtet ist, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen i.S. von Art. 2 Nr. 7 und Nr. 8 dieser Richtlinie stets seine Telefonnummer anzugeben. Zum anderen impliziert diese Bestimmung keine Verpflichtung des Unternehmers, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Sie verpflichtet den Unternehmer nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer bzw. seiner E-Mail-Adresse, wenn er über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfügt.

     

    Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung zwar den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das geeignet ist, die Kriterien einer direkten und effizienten Kommunikation zu erfüllen, doch steht diese Bestimmung dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel als die in ihr genannten zur Verfügung stellt, um diese Kriterien zu erfüllen.

    Fazit

    Letztlich wird man abwarten müssen, was der BGH im konkreten Fall aus diesen Vorgaben des EuGH entwickelt. Fest steht aber, dass eine Telefonnummer nicht mehr im Online-Shop angegeben werden muss, sofern andere effiziente Kommunikationsmittel angegeben werden. Denkbar wären hier z.B. moderne Chat-Tools, ein effizienter Rückrufservice oder auch Kontaktformulare.

    Quelle: ID 46017741