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  • · E-Commerce

    Informationen über Verhaltenskodizes im Fernabsatz

    Bild: © PixelPower - stock.adobe.com

    von RA, FA IT-Recht Dr. Harald Schneider, Siegburg (www.anwalt-siegburg.de)

    | Wettbewerbswidrig handelt, wer angibt, sich dem Verhaltenskodex von Trusted Shops unterworfen zu haben, aber wegen Funktionsunfähigkeit eines Links keine weitergehenden Informationen dazu vorhält (LG München II, 24.8.18, 2 HK O 3181/18). |

    Sachverhalt

    Ein Händler, der einen „Tee-Online-Shop“ betreibt, hatte in seinen AGB angegeben: „Folgenden Verhaltenskodizes haben wir uns unterworfen: Trusted Shops“. Über eine Verlinkung der Worte „Trusted Shops“ wollte der Händler wegen weitergehender Informationen auf eine Webseite der Trusted Shops GmbH verweisen. Als ein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierter Verband die Webseite des Händlers überprüfte, funktionierte dieser Link allerdings nicht und es kam mit der URL von Trusted Shops die Meldung „Seite nicht gefunden“. Der Verband mahnte den Teehändler u. a. wegen der fehlenden Informationen zu dem Verhaltenskodex ab. Da der Händler die Unterwerfung ablehnte, stellte der Verband beim LG München II Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die antragsgemäß per Beschluss erging.

    Entscheidungsgründe

    Das LG München II hat zunächst die Aktivlegitimation des antragstellenden Verbands gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bejaht. Sodann gab es dem Teehändler auf, es zu unterlassen, im Fernabsatz für die angebotenen Warengruppen Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten und/oder zur Abgabe von Angeboten aufzufordern, bei denen dem Verbraucher ein nicht funktionsfähiger Link zu „Verhaltenskodizes“ der „Trusted Shops“ zur Verfügung gestellt wird.

    Relevanz für die Praxis

    Beim Abschluss von Fernabsatzverträgen sind dem Verbraucher nach Art. 246a § 1 EGBGB vielfältige Informationen zu erteilen, die üblicherweise in Form gegliederter (durchnummerierter) AGB abgearbeitet werden. Die gegenüber dem Verbraucher zu erteilenden Pflichtinformationen beschränken sich keineswegs nur auf die bekannten und für jeden Händler relevanten Thematiken wie z. B. die Widerrufsbelehrung nebst dem Muster-Widerrufsformular (§ 246a § 1 Abs. 2 EGBGB) oder den Hinweis auf das gesetzliche Mängelhaftungsrecht (§ 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 EGBGB). Es sind auch Informationen zu berücksichtigen, die nur für einige Händler infrage kommen (in der Auflistung in § 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB mit „gegebenenfalls“ gekennzeichnet). Z. B. unterhält nicht jeder Händler einen Kundendienst oder bietet Ware mit Garantie an (§ 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB). Eine nur „gegebenenfalls“ zu beachtende Verpflichtung stellt auch die im Verfahren des LG München II relevant gewordene Angabe bestehender einschlägiger Verhaltenskodizes dar und die Mitteilung, wie Exemplare davon erhalten werden können (Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 EGBGB). An dieser Stelle verweist das EGBGB auf die Richtlinie 2005/29/EG (sogenannte UGP-Richtlinie). Dort ist in Art. 2f legal definiert, was unter einem Verhaltenskodex zu verstehen ist (siehe auch die entsprechende Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG):

     

    • Art. 2f

    „Verhaltenskodex“ eine Vereinbarung oder ein Vorschriftenkatalog, die bzw. der nicht durch die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschrieben ist und das Verhalten der Gewerbetreibenden definiert, die sich in Bezug auf eine oder mehrere spezielle Geschäftspraktiken oder Wirtschaftszweige auf diesen Kodex verpflichten.

     

    Auf einer mit der richtigen bzw. aktuellen Webadresse erreichbaren Unterseite der Trusted Shops GmbH (www.trustedshops.com/tsdocument/TS_QUALITY_CRITERIA_de.pdf) befindet sich ein PDF-Dokument (Stand: 31.8.18) mit der Überschrift „Qualitätskriterien: Der Online-Shop ist verpflichtet, die gesetzlichen Regelungen zum Fernabsatz, E-Commerce und Datenschutz im elektronischen Geschäftsverkehr einzuhalten“. Viele der dortigen Regelungen sind lediglich Hinweise zu Abwicklungen, die nach den gesetzlichen Regelungen geschuldet sind.

     

    Darüber hinaus werden der Trusted Shops Käuferschutz sowie Qualitätsindikatoren (Mindestnote für Verkäufer-Bewertungen, Mindestquote für „eskalationsfrei“ abgewickelte Erstattungen, Höchstdauer für die Beantwortung von Garantieanfragen) erwähnt. Da die „Qualitätskriterien“ die gesetzlichen Verpflichtungen selbstständig beschreiben, darüber hinaus auch noch Verhaltensweisen regeln, die sich nicht aus den Rechtsvorschriften der bundesdeutschen Gesetze und der EU-Normen ableiten lassen, können die „Qualitätskriterien“ von Trusted Shops als „Vorschriftenkatalog“ i. S. d. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 EGBGB und der UGP-Richtlinie angesehen werden. Anderenfalls hätte sich das Gericht Gedanken machen müssen, ob es sich bei dem als Kodex erwähnten Regelwerk um eine irreführende Werbung (§ 5 UWG sowie Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG Nr. 1, 3 UWG) gehandelt hätte.

     

    Bis auf die Funktionsunfähigkeit des Links zu Trusted Shops hatte der Händler alles richtig gemacht. Die Formulierung „Folgenden Verhaltenskodizes haben wir uns unterworfen: Trusted Shops“ (Trusted Shops verlinkt) genügte grundsätzlich als Information gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 EGBGB. Alternativ zur Angabe der Webadresse, unter der Trusted Shops die „Qualitätskriterien“ vorhält, hätte der Händler als Bezugsquelle auch angeben können, dass er auf Anforderung hin Kopien davon übermittelt.

     

    PRAXISTIPP | Die Funktionsfähigkeit eines Links muss mittlerweile in einem weiteren Kontext als wettbewerbsrelevant gewürdigt werden. Z. B. haben die Gerichte sich inzwischen durchgehend für die Klickbarkeit des Links zur OS-Plattform ausgesprochen. Auch bei der Darstellung von Garantiebedingungen und Kundendienstleistungen (Informationspflichten nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB) wird häufig auf andere Webseiten (z. B. auf Seiten der Hersteller mit allgemeinen Garantiebedingungen) verwiesen. Gleiches gilt für Testergebnisse. Solche Links müssen beim Einfügen auf die Webseite des Händlers sorgfältig überprüft und später auch regelmäßig „gepflegt“ (überprüft und ggf. aktualisiert) werden. Dritte ändern ihre Webseiten-Struktur gelegentlich, sodass die angesteuerte Zieladresse dann nicht mehr stimmt und der Link damit nicht mehr funktionsfähig ist.

     
    Quelle: ID 45477732