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  • · E-Commerce

    Informationspflichten des Online- und Marketplace-Händlers unmittelbar vor Bestellabgabe bejaht

    Bild: Rawpixel Ltd., sester1848

    von RAin Jennifer Bender, Bonn (www.medi-ip.de)

    | Auf Antrag der Wettbewerbszentrale hat das LG München I (4.4.18, 33 O 9318/17) Amazon verurteilt, es zu unterlassen, im Onlineshop Sonnenschirme bzw. Bekleidungsstücke anzubieten, ohne auf der Bestellabschlussseite die wesentlichen Eigenschaften der jeweiligen Ware anzugeben. Die Bestellabschlussseite ist die Seite, auf der der Verbraucher durch Anklicken des Bestellbuttons sein Angebot zum Abschluss des Kaufvertrags abgeben kann. |

    Sachverhalt

    Die Beklagte, ein Online-Handelsunternehmen mit Sitz in Luxemburg und einer Zweigniederlassung in Deutschland, vertreibt in ihrem Onlineshop Waren aller Art mit dem Hinweis „Verkauf und Versand durch Amazon“. Unter anderem bot sie in ihrem Onlineshop das Produkt „Sch. Sonnenschirm Rhodos, natur, ca. 300 x 300 cm 8-teilig, quadratisch“ mit der ASIN B004EWGODW zu einem Preis von 382,99 EUR an. Bei einem Aufruf des in den digitalen Warenkorb gelegten Produkts erschienen die auf der Angebotsseite gemachten Informationen nicht mehr. Dort waren nur ein Foto des Produkts sowie die Information „Sch. Sonnenschirm Rhodos, natur, ca. 300 x 300 cm 8-teilig, quadratisch“ abrufbar. Die Beschreibung des Produkts war als Link ausgestaltet, bei dessen Anklicken man auf die Produktseite mit den entsprechenden Informationen weitergeleitet wurde. Wählte man die Option „Zur Kasse gehen“, erschien eine Bestellabschlussseite. Auf dieser konnte durch Anklicken des Links „Jetzt kaufen“ ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags abgegeben und der Bestellvorgang beendet werden. Neben der Abbildung eines Produktfotos fanden sich dort ebenfalls nur folgende Produktangaben:

     

    • Angaben

    Sch. Sonnenschirm Rhodos, natur

    Ca. 300 x 300 cm 8-teilig, quadratisch

    EUR 328,99

    Anzahl: 1 Ändern Verkauf durch Amazon EU S.à.r.l.

    Geschenkoptionen

     

    Im Hinblick auf das gleichfalls im Online-Shop angebotene Produkt „O. Damen Kleid Weria“ für 55,95 EUR wurden auf der Produktseite ebenfalls zahlreiche Angaben gemacht. Diese waren nach Einlegen in den Warenkorb und dessen Aufruf allerdings nur noch über einen auf die Produktseite führenden Link einsehbar. Als unmittelbar erkennbare Produktinformationen waren dort lediglich enthalten: „O. Damen Kleid Weria, Blau (Sea Ground 6060), 44“. Bei Anklicken des Knopfes „Zur Kasse gehen“ erschienen nur die bereits im digitalen Warenkorb angezeigten Informationen. Es fehlte ein Link auf die Produktseite.

     

    Die klagende Wettbewerbszentrale hat die Beklagte abgemahnt und dabei vorgetragen, diese sei als Anbieterin im elektronischen Geschäftsverkehr verpflichtet, dem Verbraucher klar und verständlich in hervorgehobener Weise Informationen über die wesentlichen Eigenschaften der Ware unmittelbar zur Verfügung zu stellen, bevor dieser seine Bestellung abgibt. Die Beklagte hat hierauf zwar eine Unterlassungserklärung abgegeben, jedoch kein Vertragsstrafeversprechen. Die nochmalige Aufforderung der Klägerin zu dessen Abgabe blieb erfolglos.

    Entscheidungsgründe

    Die Beklagte war gemäß den §§ 8, 3a UWG zur Unterlassung zu verurteilen. Denn sie ist als Anbieterin von Waren im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 312j Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Verbraucher bei einem Vertragsschluss die in Art. 246 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannten Informationen klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt.

     

    „Wesentliche Eigenschaften“ bzw. „wesentliche Merkmale“

    Nach Auffassung des Gerichts muss mittels einer wertenden Betrachtung im Einzelfall ermittelt werden, welches die „wesentlichen Eigenschaften“ bzw. „wesentlichen Merkmale“ einer Ware sind. Im Hinblick auf die Warengruppe „Bekleidung“ geht das Gericht davon aus, dass zumindest das Material als „wesentliches Merkmal“ anzusehen ist. Denn das Preis-Leistungs-Verhältnis, die erforderliche Reinigung sowie bestehende Unverträglichkeiten könnten nur bei Materialkenntnis bewertet werden. Im Hinblick auf die Warengruppe „Sonnenschirme“ seien das Material des Bezugsstoffs, des Gestells sowie dessen Gewicht „wesentliche Entscheidungsfaktoren“, da davon nicht nur die Haltbarkeit, sondern auch Transportmöglichkeiten und die Standsicherheit abhänge.

     

    Informationsverpflichtung zum Zeitpunkt der Bestellabgabe

    Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass der in § 312j Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. T EGBGB normierten Verpflichtung zur Gewährleistung dieser Informationen nur dann entsprochen wird, soweit diese im Verlauf des Bestellvorgangs selbst eingeblendet werden. In der Produktübersicht gemachte Angaben seien ebenso irrelevant wie die Einblendung eines Links auf die Produktseite. Entscheidend sei vielmehr die unmittelbare Anzeige vor dem Bestellvorgang, da der Verbraucher nur dann (nochmals) die Gelegenheit erhalte, das zuvor ausgewählte Produkt konkret zu besichtigen. Das sei insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache unabdingbar, dass der Verbraucher nach der Erfahrung des Lebens bei der Auswahl mehrerer Produkte bei mitunter längerer Suche zum Zeitpunkt der Bestellung nur noch eine rudimentäre Erinnerung an das ehemals ausgewählte Produkt habe. Dieselbe Auffassung hat z. B. auch bereits das OLG Hamburg vertreten (13.8.14, 5 W 14/14).

    Relevanz für die Praxis

    Aus Sicht der klagenden Wettbewerbszentrale geht es in diesem Verfahren letztlich um eine Grundsatzfrage: Genügt Amazon selbst den gesetzlichen Informationspflichten im Hinblick auf die Angabe der wesentlichen Merkmale der ausgewählten Produkte auf der Bestellabschlussseite? Muss Amazon ggf. zumindest die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass bei allen Angeboten von Marketplace-Händlern den gesetzlichen Informationspflichten zum Bestellzeitpunkt entsprochen wird? Denn auch nach Auffassung des LG München I genügt ein bloßer Link auf die Produktdetailseite, wie es Marketplace-Händler in der Vergangenheit mangels technischer Vorrichtung auf der Bestellabschlussseite auf Amazon praktiziert haben, nicht.

     

    Beachten Sie | Amazon hat Berufung eingelegt. Die Sache liegt dem OLG München zur Entscheidung vor.

    Quelle: ID 45327944