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  • · E-Commerce

    Keine Verwirkung des Widerrufsrechts bei verspäteter Rücksendung der Ware

    Bild: © Stockfotos-MG - stock.adobe.com

    von Diplom-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Kanzlei Wienke & Becker, Köln

    | Der Verbraucher hat, nachdem er sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, die erhaltene Ware unverzüglich ‒ spätestens jedoch nach 14 Tagen ‒ zurückzusenden. Überschreitet er diese Rücksendefrist, hat er seine Rückzahlungsansprüche allerdings nicht verwirkt, entschied das AG Münster (21.9.18, 48 C 432/18. |

    Sachverhalt

    Vor dem AG Münster stritt sich der beklagte Online-Händler mit einem Verbraucher über die Rückzahlung des Kaufpreises, nachdem der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hatte.

     

    Der Verbraucher bestellte mehrere Waren zu einem Gesamtpreis von rund 1.600 EUR. Diese Waren wurden auch geliefert. Innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist erklärte der Verbraucher den Widerruf eines Großteils der Bestellung. Die Rücksendung der Waren erfolgte in zwei Paketen. Das erste Paket wurde innerhalb der in § 357 Abs. 1 BGB vorgesehenen 14-tägigen Rücksendefrist zurückgesandt. Hierauf erstattete der Händler den entsprechenden Betrag für die in diesem Paket befindlichen Waren. Der zweite Teil der Rücksendung erfolgte jedoch erst ein paar Monate später. Hierauf erklärte der beklagte Händler, dass er die Ware nicht zurücknehme und auch die restlichen 900 EUR nicht erstatten werde. Auch auf ein Schreiben mit Aufforderung zur Erstattung des Kaufpreises unter entsprechender Fristsetzung erfolgte diese nicht.

    Verbraucher übt Widerrufsrecht wirksam aus

    Im Prozess berief sich der Händler darauf, dass der Verbraucher seine Rückzahlungsansprüche verwirkt hätte. Nach der ersten Rücksendung, die er als Teilwiderruf interpretiert hatte, war er davon ausgegangen, dass sich die Angelegenheit insgesamt erledigt hatte. Der Händler sei völlig überrascht gewesen, als nach über fünf Monaten eine weitere Rücksendung erfolgte. Das Gericht stellte zunächst fest, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zustand und dass dieses nicht durch einen der Ausnahmetatbestände in § 312g BGB ausgeschlossen war. Weiterhin erklärte das Gericht, dass der Verbraucher dieses Widerrufsrecht innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist wirksam ausgeübt hatte.

    Händler steht kein Zurückbehaltungsrecht mehr zu

    Mit dem Widerruf entsteht ein Anspruch des Verbrauchers auf sofortige Rückzahlung des Kaufpreises. Ungeklärt ist dabei die Frage, ob die 14-tägige Rückzahlungsfrist eine Höchstfrist statuiert oder ob es keine Regelung zur Leistungszeit im engeren Sinne darstellt, sondern vielmehr eine Spezialregelung zum Schuldnerverzug. Dies konnte das Gericht jedoch offenlassen, da diese Frist bereits verstrichen war.

     

    Dem beklagten Händler stand allerdings kein Zurückbehaltungsrecht nach § 357 Abs. 4 BGB mehr zu, da er die Ware unstreitig erhalten hatte. Daran änderte auch nichts, dass der Händler erklärte, er nehme die Ware nicht zurück, und den Verbraucher zur Rücknahme aufforderte. Auch die getrennte Aufbewahrung im Warenlager änderte hieran nichts, so das Gericht. Es komme vielmehr darauf an, dass der Händler in den Besitz der Ware gelangte, was hier unstreitig der Fall war.

    Kein Erlöschen des Rückzahlungsanspruchs

    Der Anspruch des Verbrauchers war auch nicht erloschen. Zwar erfolgte die Rücksendung erst sehr verspätet, allerdings kennt das Gesetz kein Erlöschen der Ansprüche als Rechtsfolge dieser Verspätung. Aus der Verbraucherrechterichtlinie, die die europarechtliche Grundlage des Widerrufsrechts bildet, ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Vorschriften Sanktionen festzulegen haben, die wirksam, angemessen und abschreckend sind. Im deutschen Recht sind die Vorschriften über den Schuldnerverzug als solche Sanktionen anzusehen. Der beklagte Händler hatte allerdings nichts zu einem möglichen Verzugsschadenersatz vorgetragen.

     

    Auch der Grundsatz von Treu und Glauben wegen Verwirkung stand dem Anspruch nicht entgegen. Der Verbraucher hatte hier durch seine verspätete Rücksendung beim Händler keinen solchen Vertrauenstatbestand geschaffen, wonach der Händler nicht mehr mit der Rücksendung hätte rechnen müssen. Nach den konkreten Umständen in diesem Fall musste der Händler mit einer zweiten Rücksendung rechnen. Schon bei der ersten Rücksendung vermerkte der Verbraucher nämlich den Hinweis „Lieferung 1 von 2“ auf dem Rücksendeschein. Außerdem fand anschließend kein weiterer Kontakt zwischen dem Händler und dem Verbraucher statt. Der Händler hätte aber, da er die Gefahr der Rücksendung trägt, zumindest beim Verbraucher nachfragen können und sollen, ob die zweite Rücksendung bereits abgeschickt worden ist.

     

    Damit war der Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers nicht verwirkt und der Händler wurde entsprechend verurteilt.

     

    FAZIT | Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, muss er die Ware innerhalb von weiteren 14 Tagen an den Händler zurücksenden. Der Händler muss den Kaufpreis nach Erhalt des Widerrufs unverzüglich erstatten. Ihm steht jedoch ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis er die Ware oder einen ordnungsgemäßen Nachweis über die Absendung der Ware erhalten hat. Der Händler muss dieses Recht ausüben, d. h. er muss dem Verbraucher mitteilen, dass er die Rückzahlung einbehält. Sendet der Verbraucher die Ware nicht innerhalb dieser Frist zurück, hat dies letztlich keine Konsequenzen für ihn. Lediglich wenn der Händler Nachweise für einen Schaden liefern kann, der durch diese Verzögerung entstanden ist, könnte er dies gegenüber dem Verbraucher geltend machen. Solche Fälle dürften in der Praxis jedoch nicht oder nur selten vorkommen.

     
    Quelle: ID 45658765