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    Warum eine aktuelle Widerrufsbelehrung wichtig ist

    Bild: © Stockfotos-MG - stock.adobe.com

    von Diplom-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Köln

    | Abmahnungen wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen sind leider Alltag bei Online-Händlern. Das liegt vor allem daran, dass sich das Recht bis zum Juni 2014 ständig geändert hat. Dass aber nicht nur Abmahnungen beim Thema korrekte Widerrufsbelehrung eine Rolle spielen, zeigt ein Fall des AG Dülmen (13.3.18, 3 C 282/17, Abruf-Nr. 202072 ). Das AG Dülmen musste sich in seiner Entscheidung mit verschiedenen Folgen der Verwendung einer falschen Widerrufsbelehrung auseinandersetzen. |

    Völlig veraltete Widerrufsbelehrung

    Im August 2016 hatte der klagende Verbraucher bei einem Händler ein Elektromobil gekauft. In den Vertragsunterlagen ‒ es handelte sich um einen Vertrag, der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde ‒ fand sich auch eine Widerrufsbelehrung, die auszugsweise folgenden Wortlaut hatte:

     

    „Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung sowie Nutzungen (z. B. Gebrauchsvorteile) nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechterten Zustand zurückgewähren bzw. herausgeben, müssen Sie uns insoweit Wertersatz leisten. Für die Verschlechterung der Sache müssen Sie Wertersatz nur leisten, soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Unter „Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise“ versteht man das Testen und Ausprobieren der jeweiligen Ware, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist. Paketversandfähige Sachen sind auf unsere Kosten und Gefahr zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung oder der Sache, für uns mit deren Empfang“.

     

    Der Inhalt dieser Belehrung ist völlig veraltet und seit Juni 2014 mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in deutsches Recht nicht mehr zu verwenden, weil sie Rechte und Pflichten des Verbrauchers nicht entsprechend der aktuellen Rechtslage wiedergegeben werden.

    Konsequenzen einer falschen Belehrung

    Dass die Verwendung einer solch veralteten Belehrung nicht nur vom Institut der Abmahnung bedroht ist, sondern auch Auswirkungen auf den Vertrag mit dem Verbraucher hat, musste der Händler in dem Verfahren erleben. Denn der Verbraucher widerrief seine Vertragserklärung etwa 3 Wochen nach Übergabe der Ware. Die regelmäßige Widerrufsfrist von 14 Tagen war also bereits abgelaufen, worauf der Händler den Verbraucher auch hinwies.

     

    Erst nachdem der Kunde einen Anwalt einschaltete, erklärte sich der Händler zur Rücknahme des Elektromobils bereit. Er zahlte auch den überwiegenden Teil des Kaufpreises zurück, behielt jedoch noch 500 EUR ein als „Abzug aufgrund von Schäden“. Der Händler wandte zur Rechtfertigung ein, dass der Kunde mit dem Elektromobil 35 km gefahren sei. Außerdem sei das Gerät nach der Rückgabe beschädigt und verdreckt gewesen.

    Widerruf erfolgte innerhalb der Frist

    Das Gericht musste nun also prüfen, ob der Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist erfolgte und ob dem Händler ein Anspruch auf Wertersatz zustand und er die 500 EUR zu Recht einbehielt.

     

    Der Verbraucher hatte zwar sein Widerrufsrecht nicht innerhalb der regelmäßigen Widerrufsfrist von 14 Tagen ausgeübt, allerdings war dies im vorliegenden Fall auch nicht notwendig, stellte das Gericht fest. Denn es galt hier eine verlängerte Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 BGB von 1 Jahr und 14 Tagen ab Lieferung der Ware, da der Händler eine falsche Widerrufsbelehrung verwendete. Denn in der Belehrung des Verkäufers hieß es auch, dass der Widerruf in Textform erfolgen müsse. Seit 13.6.14 kann der Verbraucher den Widerruf aber auch mündlich (z. B. telefonisch) erklären. Die von diesem Händler verwendete Belehrung schränkte die Rechte des Verbrauchers also unzulässig ein, weswegen die regelmäßige 14-tägige Frist nicht zu laufen begann. Folglich übte der Verbraucher sein Widerrufsrecht in dem Fall noch innerhalb der verlängerten Frist wirksam aus.

    Kein Anspruch auf Wertersatz

    Nachdem die Frage des fristgerechten Widerrufes geklärt war, muss sich das Gericht noch mit dem vom Händler einbehaltenen Wertersatz beschäftigen. Es entschied, dass der Händler die 500 EUR nicht hätte einbehalten dürfen, da er keinen Anspruch auf Zahlung eines Wertersatzes hatte. Denn hierfür hätte er ebenfalls eine korrekte Widerrufsbelehrung verwenden müssen, selbst wenn der Verbraucher hier 35 km mit dem Elektromobil zurückgelegt hatte. Diese Strecke rechtfertige grundsätzlich die Geltendmachung von Wertersatz, so das Gericht, da eine solche Strecke nicht mehr zum Testen des Gerätes notwenig sei. Hierfür reichten ein paar hundert Meter.

     

    Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs auf Wertersatz ist neben einem Wertverlust der Ware, der nicht auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zum Testen der Eigenschaften, Funktionsweise und Beschaffenheit der Ware notwendig ist, sondern vielmehr auch, dass der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde. Eben dies hatte der Händler in dem vorliegenden Fall aber gerade nicht getan.

     

    Der Händler wandte noch Ansprüche aus dem allgemeinen Rücktrittsrecht ein, dies hatte aber aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 361 Abs. 1 BGB keinen Erfolg, denn dem Händler stehen in Bezug auf das Widerrufsrecht keine weiteren Ansprüche zu.

    Rücksendekosten

    Ein weiteres Thema ist die Tragung der Rücksendekosten. Sofern der Händler die Muster-Widerrufsbelehrung von vor Juni 2014 verwendete, war darin sicherlich auch die 40 EUR-Klausel enthalten. Das hätte bei einem Produkt wie dem Elektromobil bedeutet, dass der Unternehmer auch die Kosten der Rücksendung zu tragen hat. Gerade bei großen Gegenständen stellt dies einen nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor dar, wenn man bedenkt, dass der Händler die Möglichkeit hat, diese Kosten auf den Verbraucher abzuwälzen, sofern er vor Vertragsschluss korrekt über diesen Umstand informiert.

    Fazit

    Abmahnungen wegen fehlerhafter oder veralteter Widerrufsbelehrungen sind eine nicht zu unterschätzende (Kosten-)Gefahr. Aber auch aufgeklärte Verbraucher können für Unternehmer hohe Kosten verursachen, wenn sie im Rahmen des Widerrufsrechtes de facto unverkäufliche Waren zurücksenden und der Händler keinen Anspruch auf Wertersatz hat, weil er eine veraltete Widerrufsbelehrung verwendete.

     

    So hätte der Verbraucher im vorliegenden Fall das Elektromobil zu Schrott fahren und anschließend den Vertrag widerrufen können, ohne Wertersatz leisten zu müssen. Der Händler hätte dann den vollständigen Kaufpreis erstatten und das Elektromobil weitere Kosten verursachend entsorgen lassen müssen.

     

    Um genau solche Fälle zu verhindern, hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung sowie das Muster-Widerrufsformular geschaffen. Zwar gibt es noch immer offene Detailfragen zur Ausgestaltung der Belehrung, als Unternehmer ist man jedoch auf der sicheren Seite, wenn man dieses gesetzliche Muster verwendet, da es eine gesetzliche Privilegierung genießt. Für Fehler im Muster haftet der Unternehmer also nicht.

     

    MERKE | Für den Beginn der regelmäßigen 14-tägigen Widerrufsfrist ist nicht nur eine korrekte und aktuelle Belehrung über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren zur Ausübung des Widerrufsrechts erforderlich. Diese Voraussetzungen werden erfüllt, wenn man zur Belehrung die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung aus Anlage 1 zum EGBGB verwendet. Vielmehr ist auch die Information über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 des EGBGB erforderlich, damit diese Frist gilt.

     
    Quelle: ID 45378847