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  • · Fachbeitrag · Elektronischer Rechtsverkehr

    Das beA seiner „weiteren Kanzlei“ bereitet dem Anwalt derzeit ungelöste Haftungsprobleme

    von RA Martin W. Huff, Huff & Speisebecher RA GmbH, Singen (Hohentwiel)

    | Die BRAK ist nach dem AGH Berlin nicht ‒ auch nicht nach der DS-GVO ‒ verpflichtet, dem Anwalt mitzuteilen, dass und von wem Nachrichten in dem neuen Postfach eingegangen sind, oder das beA-Postfach erst zu eröffnen, wenn der Rechtsanwalt seine beA-Karte hat. Das gilt auch für das beA jeder weiteren Kanzlei, die der Anwalt betreibt. |

    1. Hintergrund

    Immer mehr Rechtsanwälte verfügen nicht mehr nur über eine Kanzlei, sondern haben weitere Kanzleien bzw. sind in einer weiteren Kanzlei tätig. Diese ist von einer Zweigstelle zu unterscheiden. Die „weitere Kanzlei“ ist eine eigenständige Kanzlei ‒ mit allen Rechten und Pflichten. Dazu gehört, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit in einer weiteren Kanzlei gemäß § 31a Abs. 7 BRAO ein eigenes beA-Postfach und dafür wiederum eine eigene beA-Karte benötigt. Denn die Tätigkeiten in den beiden Kanzleien sind getrennt zu sehen, etwa, was die Verschwiegenheit betrifft. Mitarbeiter der einen Kanzlei dürfen keinen Zugriff auf die beA-Nachrichten der anderen Kanzlei haben.

     

    Wer als Rechtsanwalt neben seiner bisherigen Kanzlei weitere Kanzleisitze einrichten möchte, muss dies der zuständigen RAK anzeigen. Nachdem die regionale RAK die weitere Kanzlei eingetragen hat, übermittelt sie diese Tatsache elektronisch an die BRAK. Die BRAK richtet das neue beA-Postfach ein und teilt dem Rechtsanwalt die für den Zugang zum Postfach erforderliche SafeID (den Zugangscode) mit. Zugleich wird die SafeID im bundesweiten Anwaltsverzeichnis rechtsanwaltsregister.org veröffentlicht. Bereits ab diesem Zeitpunkt ist es für Dritte möglich, in dieses neue offizielle Postfach Nachrichten zu senden.

     

    Der Anwalt muss allerdings für den Zugang zu seinem Postfach erst bei der (von der BRAK beauftragten) BNotK seine beA-Karte beantragen. Karte und Geheimzahl werden ihm getrennt und bekanntermaßen auf dem Postweg zugesandt, was bis zu zehn Tage dauern kann.

     

    In der Zwischenzeit können aber schon Nachrichten in dem neuen Postfach eingehen, ohne dass der Rechtsanwalt die Möglichkeit hat, sich diese Nachrichten anzusehen. Dies kann zu Haftungsproblemen führen, etwa wenn dort fristgebundene Dokumente eingestellt werden oder wenn sich der Zugang zum Postfach weiter verzögert.

     

    Beachten Sie | Dies ist bei der erstmaligen Einrichtung des Postfachs bei einer neuen Zulassung anders. Hier erhält der Antragsteller bereits vor der Zulassung die SafeID. Er kann also schon vor der Zulassung die beA-Karte beantragen und erhält diese auch fast immer schon vor seiner Zulassung.

    2. Der aktuelle Fall

    Die praktische Anwendung von § 31a Abs. 7 BRAO hat zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem AGH Berlin geführt (15.11.23, II AGH 8/20, Abruf-Nr. 239715). Dort hatte ein Frankfurter Rechtsanwalt vor dem zuständigen AGH Berlin die BRAK unter anderem mit dem Antrag verklagt, dass die BRAK ihm unmittelbar nach der Freischaltung des Postfachs die Möglichkeit eröffnet, Informationen darüber zu erhalten, dass und von wem Nachrichten in dem neuen Postfach eingegangen sind. Denn er wolle weitere Kanzleisitze gründen und habe daher ein Feststellungsinteresse für seine Klage.

     

    Die BRAK verwies darauf, dass es sich um ein automatisiertes System bei der Einrichtung des Postfachs für eine weitere Kanzlei handelt, das im Gesetz ausdrücklich so angelegt sei. Zudem sei ihr grundsätzlich der Einblick in die Postfächer und damit auch die Information über die dort eingegangenen Inhalte nicht möglich. Der AGH Berlin hat die Klage des Rechtsanwalts als unbegründet abgewiesen. Die BRAK sei nicht verpflichtet, auch nicht aus Gründen der DS-GVO, dem Kläger entsprechende Daten mitzuteilen oder das Postfach erst dann zu eröffnen, wenn der Rechtsanwalt seine beA-Karte habe. Es ist nicht rechtswidrig, dass die BRAK die Postfächer in der vom Gesetz vorgegebenen Art und Weise betreibt. Sie könne und dürfte nicht in die Postfächer schauen.

    3. Relevanz für die Praxis

    Das Urteil des AGH Berlin mag rein nach dem Gesetzeswortlaut richtig sein. Es bleiben aber erhebliche Zweifel, ob hier nicht im System ein Fehler vorliegt, über dessen Beseitigung der Gesetzgeber nachdenken sollte, auch wenn dies technisch nicht einfach sein dürfte. Aber jeder Anwalt, der ein beA-Postfach erhält, muss nach meinem Verständnis die Möglichkeit haben, sofort nach der Eröffnung selbst auf das Postfach zugreifen zu können. Es besteht schließlich die Möglichkeit, dass Dritte Nachrichten in das Postfach schicken.

     

    Es ist richtig, dass die BRAK aus Verschwiegenheitsgründen nicht in das Postfach schauen darf. Dass es aber längere Zeit dauern kann, bis der Rechtsanwalt das Postfach seiner weiteren Kanzlei nutzen kann, ist rechtlich höchst bedenklich. Zwar mag es nicht immer zu Haftungsfragen kommen. Wahrscheinlich kann der Anwalt nicht für einen Posteingang in Haftung genommen werden, auf den er technisch nicht zugreifen kann. Aber schon das Risiko, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen zu müssen, ist unzumutbar. Wir dürfen deshalb mit Spannung erwarten, wie der Anwaltssenat des BGH dieses Problem einordnet. Doch unabhängig davon, wie der BGH entscheidet, sollte man bei BRAK und BNotK in Ruhe über eine Änderung des beA-Einrichtungsprozesses nachdenken. Der Anwalt muss auf sein beA sofort zugreifen können, wenn es nach außen hin offen ist.

     

    PRAXISTIPP | Wenn Sie eine weitere Kanzlei einrichten, müssen Sie ein neues beA beantragen. Um wenigstens das Haftungsrisiko einer verzögerten Antragstellung zu vermeiden, sollten Sie umgehend nach Zugang der SafeID die weitere beA-Karte beantragen und den Eingang der Karte besonders überwachen.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2024 | Seite 40 | ID 49911906