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  • · Kanzleimanagement

    „Ein ‚kleiner Anwalt‘ braucht vor allem Falldaten“

    Bild: ©canjoena - stock.adobe.com

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B. A., Leipzig

    | Kanzleien, die sich intensiver über ihre Digitalisierung Gedanken machen, landen häufig bei dem Legal Tech-Berater Patrick Prior von Advotisement. Sein Unternehmen entwickelt nicht nur Software für Anwälte und Rechtsabteilungen. Prior ist deutschlandweit unterwegs und berät Kanzleien zu digitalen Strategien. Mit DR sprach er über seine Eindrücke dabei, warum die Cloud über allem schwebt und Anwälte gerade jetzt Chatbots wollen. |

     

    Frage: Wo steht Legal Tech aktuell?

     

    Antwort: Legal Tech ist natürlich bei standardisierten Rechtsabläufen gut umzusetzen. Aber auf dieser Ebene ist auch schon eine Sättigung eingetreten. Fluggastrechte, Bahnkunden, Massenklagen wie der Dieselskandal ‒ es gibt mittlerweile viele Anbieter, die solche automatisierten Rechtsdienstleistungen anbieten. Interessant ist der Blick auf weitere Rechtsgebiete, in denen Legal Tech erfolgreich sein kann. Das Arbeitsrecht wird hier zunehmend wichtiger, ebenso wie das Mietrecht. Das Strafrecht wiederum eignet sich nicht.

     

    Frage: Wird der Begriff Legal Tech teilweise immer noch vage verwendet?

     

    Antwort: Der Begriff hat unterschiedliche Definitionen. Häufig werden allgemein digitale Technologien und Lösungen verstanden, die den Anwalt wie auch immer unterstützen. Legt man diesen Maßstab an, können schon die klassische Büro-EDV oder selbst programmierte Tools „Legal Tech“ sein, die Kanzleiabläufe optimieren und vereinfachen. Heute wird der Begriff aber eher verknüpft mit den automatisierten, schon angesprochenen Dienstleistungen im Internet zu Bußgeldbescheiden oder Fluggastrechten. Solche algorithmenbasierten Angebote sind erfolgreich und vergleichsweise einfach anzubieten, da die hier benötigten Daten meist dieselben sind.

     

    Frage: Welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz?

     

    Antwort: Die KI spielt in der Rechtsberatung noch kaum eine bis gar keine Rolle. Was bis jetzt unter dem Namen Legal Tech zusammengefasst wird, sind in der Regel die schon angesprochenen automatisierten Anwendungen. Das hat nichts mit der KI zu tun, in der es auch um selbstlernende Prozesse geht. Der Begriff ist ohnehin schwierig zu definieren, und wie sich KI in der Rechtsberatung in der Zukunft durchsetzen wird, ist noch gar nicht abzusehen.

     

    Frage: Wer lässt sich von Ihnen beraten?

     

    Antwort: Interessanterweise bestellen mich meist Kanzleien, die schon selbst recht gut auf dem digitalen Gleis unterwegs sind. Dort hat man schon einiges im Büro umgesetzt und macht sich eher Gedanken, wie man den Kurs in den nächsten Jahren gezielt fortsetzt. Kein Interesse haben die Kanzleien, wo es eigentlich nötiger wäre, also dort, wo sich in Sachen Digitalisierung überhaupt nichts oder wenig tut.

     

    Frage: Gute Konzepte ja, aber kosten darf es nichts. Ist das immer noch eine häufige Haltung?

     

    Antwort: Eher nicht, jedenfalls beobachte ich, dass zwischenzeitlich erkannt wurde, dass Digitalisierungsprozesse im Anwaltsbüro Geld kosten. Die Frage ist, was die Kanzlei wünscht. Man kann vergleichsweise günstige Dienstleistungen für monatlich ab 50 EUR anschaffen, mit denen juristische Dokumente für Mandate automatisiert erstellt werden können. Aber für eine Kanzlei müssen sich solche Investitionen auch möglichst rasch auszahlen. Schwierig ist dabei, dass Kanzleien keine Investoren im Rücken haben, wie es bei vielen Start-ups der Fall ist, die Durststrecken überbrücken können, bis eine Dienstleistung am Markt positioniert und erfolgreich ist. Für Anwälte bedeutet das: Es müssen sich schneller Ergebnisse zeigen, in welcher Form auch immer ‒ Zeitersparnis, eine Steigerung der Mandate, ein spürbar zunehmender Bekanntheitsgrad. Ein negativer Aspekt ist auch, dass die verschiedenen Rechtsdienstleistungen im Internet dafür gesorgt haben, dass sich die Preise für Werbung nach oben verschoben haben. Wer bei Google Ads Schlagworte wie „Arbeitsrecht“ oder „geblitzt“ eintippt, kann das gut nachvollziehen.

     

    Frage: Dabei haben Anwälte aber doch unterschiedliche Ansprüche an digitale Unterstützung. Wie wirkt sich das aus?

     

    Antwort: Große Kanzleien haben Großkunden und werden sich nicht für Lösungen interessieren, wie es kleinere Kanzleien tun. Die Anwälte dort brauchen keine Dokumentenrecherche, um beispielsweise Hunderte von Vertragsseiten nach Formulierungen oder Schlagworten zu durchsuchen, wie es in Wirtschaftskanzleien wichtig ist. Ein „kleiner Anwalt“ braucht vor allem Falldaten. Informationen lassen sich automatisch verknüpfen, Arbeitsschritte einsparen, sodass der Anwalt von Vorarbeit entlastet ist. Er gewinnt Zeit für andere juristische Arbeit.

     

    Frage: Um was geht es in den Strategiegesprächen, die Sie mit Kanzleibetreibern führen?

     

    Antwort: Es geht darum, welche neuen Geschäftsfelder möglich sind, eine Konzentration oder Spezialisierung, und wie sich diese unterstützen lässt. Wo will der Anwalt in fünf Jahren stehen? Was benötigt er dafür? Und vor allem: Was leisten Konzepte und Software dann konkret für die Kanzlei? Unser Unternehmen zeigt dann, welche Legal Tech-Lösungen aktuell vorhanden sind und individuell die Arbeitsprozesse in der Kanzlei unterstützen können. Wir führen das konkret vor, simulieren also den täglichen Praxiseinsatz von Softwarelösungen und die jeweiligen Abläufe, beispielsweise wie sich Daten von Mandanten direkt in Dokumenten verarbeiten lassen.

     

    Frage: Hierzu gehört auch Ihre Textkonfigurations-Software.

     

    Antwort: Mit ihr können Kanzleien Texte auf der Basis von Fragebögen und Vorlagen intern oder gemeinsam mit Mandanten bzw. Dritten erstellen. Diese können nachträglich bearbeitet, automatisch versendet und in PDF umgewandelt werden. Das ist bei allen rechtlichen Dokumenten sinnvoll, die einen ähnlichen Aufbau haben, Daten von Mandanten enthalten und zu einem hohen Teil aus wiederkehrenden Textbausteinen bestehen.

     

    Frage: Sie sprechen regelmäßig das papierlose Büro in der Beratung an. Wie oft sagen Anwälte dann: „geht nicht“?

     

    Antwort: Oft. Aber man darf es nicht missverstehen: Papierlos ja, aber natürlich verschwinden papiergebundene Dokumente wie Titel oder notarielle Urkunden deshalb nicht. Sie sind aber zu digitalisieren, um jederzeit Zugriff darauf zu haben. Anwälte und Mitarbeiter können auf Akten, Schriftsätze und Dokumente zugreifen und gemeinsam ortsunabhängig bearbeiten. Das geht mit zeitlicher und lokaler Unabhängigkeit einher. Ist der digitale Zugriff sichergestellt, lässt sich auch die individuelle Digitalisierungsstrategie fortführen, wobei die Cloud der nächste Schritt ist.

     

    Frage: Welche Rolle spielen Chatbots in der Rechtsberatung?

     

    Antwort: Bis 2016 gab es keinen Markt für Chatbots, kein Anwalt hat danach gefragt. Genau das geschieht aber jetzt umso stärker. Allerdings: Bis der richtige Chatbot kommt, der zu umfangreicheren Antworten fähig ist, wird es noch lange dauern. Bisher greift ein Chatbot auf programmierte Informationen zu. Er fragt etwas ab und kann dann im Sinne einer Wenn-Dann-Systematik die nächste Frage stellen. Am Beispiel der Kündigungsschutzklage würde das so aussehen: Der Bot will zunächst wissen, wie lange der Fragesteller schon beschäftigt war und wie viele Kollegen er hat. Damit kann er prüfen, ob das KSchG Anwendung findet. Anwälte sagen dann oft: Schön und gut, aber hier gebe ich dann ja Informationen gratis weg. Konkret bedeutet es für ihn aber Zeitersparnis und Akquise. Der Mandant wird sich erinnern, dass er hier direkt eine gute Anfangsberatung bekommen hat und die Website auch wieder besuchen. Insoweit sind Gratisinformationen stets ein Vehikel für Anwaltsmarketing und Mandantenbindung.

     

    Frage: Was macht eigentlich Ihr Anwaltsroboter?

     

    Antwort: Bisher haben wir Chatbots nach Einzelauftrag erstellt. Das heißt: Eine Kanzlei kam konkret auf uns zu und wir haben den Chatbot auf den Bedarf hin individuell konzipiert. Der jetzt von uns entwickelte Advobot bietet drei Funktionsebenen: Er nimmt Daten auf ‒ wie beispielsweise Name, E-Mail-Adresse und das Rechtsproblem ‒ und kann allgemeine Fragen beantworten, vergleichbar mit einer FAQ-Rubrik auf einer Website. Er kann auch marketingbezogene Informationen einbringen, also z. B. während des Chats Informationen über die Kanzlei präsentieren, inklusive Fotos und Videos.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: ID 45925693