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  • · Kanzleimanagement

    Recht anschaulich ‒ illustrierte Rechtsvermittlung durch Digitalisierung auf dem Vormarsch?

    Bild: © Tierney - stock.adobe.com

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B.A., Leipzig

    | Rechtsvisualisierung ist kein neuer Silberstreif am Kommunikationshorizont. Viele Anwälte arbeiten seit Jahren mit Bildern, Skizzen oder Erklärvideos, um Mandanten rechtliche Vorschriften verständlich zu machen. Auch sind Piktogramme und Gestaltungssoftware für Laien immer leichter zu erstellen bzw. zu bedienen. Warum das Thema gerade für Anwälte wichtig ist, die unterrichten oder rechtliche Informationstexte für Verbraucher oder die berufliche Aus- und Weiterbildung schreiben, erklärt die Expertin für Rechtsvisualisierung Nicola Pridik im Interview. |

     

    Frage: Welche Vorteile hat es für Anwälte, juristische Zusammenhänge zu visualisieren?

     

    Antwort: Werden juristische Laien beraten, besteht eine wesentliche Aufgabe darin, die Komplexität der jeweiligen Rechtsmaterie deutlich zu reduzieren und Inhalte strukturiert zu vermitteln: Welche Möglichkeiten hat der Mandant? Worauf kommt es an? Was unterscheidet das eine vom anderen? Wie ist der Ablauf? Welche Voraussetzungen müssen vorliegen? Wer dabei Anschauungsmaterial zur Hand hat, ist klar im Vorteil. Zum einen kann der Mandant den Ablauf und die Voraussetzungen oder Unterschiede besser erfassen und verstehen, wenn er sie vor sich sieht. Zum anderen zwingt die Struktur der Visualisierung die Berater zu einer ebenso strukturierten Erläuterung.

     

    Frage: Das wirkt sich dann auch positiv auf den Austausch zwischen Anwalt und Mandant aus?

     

    Antwort: Tatsächlich gelingt der Austausch zwischen den Beteiligten besser, wenn sie sich auf eine visuelle Darstellung beziehen können: Sie sehen, worüber sie reden, können sich deshalb leichter verständlich machen und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Schließlich bietet es sich an, dem Mandanten derartiges Anschauungsmaterial aus der Beratung in einem kleineren Format als Information mit nach Hause zu geben. Dann bleibt ihm vielleicht auch das mündlich Besprochene besser in Erinnerung.

     

    Frage: Und wenn sich der Einsatz von Schaubildern nicht anbietet, weil sich ein bestimmter Inhalt nicht zur Visualisierung eignet?

     

    Antwort: Wo sich der Einsatz von Schaubildern nicht anbietet, sind gut strukturierte Informationstexte in Ergänzung zur mündlichen Beratung eine große Hilfe. Stets geht es darum, die Inhalte in ein Format zu bringen, das die Adressaten nicht überfordert, und Texte so zu gestalten, dass sie den weit verbreiteten Widerwillen gegenüber juristischen Bleiwüsten nicht noch vergrößern. Dabei helfen beispielsweise ein ansprechendes Layout, ausreichend Weißraum, eine klare Textstruktur, tendenziell eher kürzere Absätze und der Einsatz von Icons.

     

    Frage: Gibt es Darstellungen, in denen Anwälte auch mit leichter oder einfacher Sprache arbeiten sollten?

     

    Antwort: Leichte Sprache oder einfache Sprache sollten Anwälte immer dann einsetzen, wenn sie sich direkt an Zielgruppen wenden, die aufgrund einer Leseeinschränkung keinen Zugang zur Standardsprache haben oder diese nicht sicher lesen und verstehen können. Die erstgenannte Gruppe benötigt Texte in leichter Sprache, bei der zweitgenannten genügen solche in einfacher Sprache. Komplexe rechtliche Inhalte auf so ein vereinfachtes Sprachniveau herunterzubrechen, ist natürlich eine besondere Herausforderung. Bilder können auch hier wesentlich zum Verständnis beitragen. In der Praxis sieht das meist so aus, dass der Text durch einfache Illustrationen begleitet wird, die Inhalte einzelner Absätze veranschaulichen. Da es im Recht aber auch wichtig ist, Zusammenhänge zu verstehen und Texte im Ganzen zu erfassen, bietet sich außerdem der Einsatz von Strukturbildern an. Sie müssen in diesem Fall allerdings äußerst einfach gehalten sein ‒ in der Gestaltung und auch in sprachlicher Hinsicht.

     

    Frage: Rechtliche Sachverhalte werden immer komplexer und auch die Digitalisierung wirft hier immer neue Fragen auf. Nutzen Kanzleien Schaubilder und Erklärtafeln insoweit stärker als in der Vergangenheit?

     

    Antwort: Rechtsvisualisierungen haben in den vergangenen Jahren erkennbar zugenommen. Soweit ich es mitbekomme, sind aber Anwälte, die den Mehrwert von Rechtsvisualisierungen erkannt haben und sie gezielt einsetzen, nach wie vor eher die Ausnahme. Was dabei auffällt ist, dass diese wenigen, jedenfalls soweit sie bei mir anklopfen, i. d. R. die Bereitschaft mitbringen, dafür auch Geld zu investieren. Sie haben offenbar zwei Dinge verstanden: Dass Visualisierungen nur dann hilfreich sind, wenn sie professionell gemacht sind, und dass es eine anspruchsvolle Aufgabe ist, rechtliche Visualisierungen zu erstellen.

     

    Frage: Die meisten Anwälte sind also weiter außen vor?

     

    Antwort: Die breite Masse der Kanzleien befasst sich nach meinem Eindruck tatsächlich entweder gar nicht mit dem Thema oder nutzt lediglich vorhandene Visualisierungen, so sie denn zu einem überschaubaren Preis erhältlich sind. Nur Anwälte, die nebenbei unterrichten oder im Auftrag rechtliche Informationstexte für Verbraucher oder die berufliche Aus- und Weiterbildung schreiben, kommen zuweilen noch auf anderem Wege mit Rechtsvisualisierungen in Kontakt. Es gibt nämlich immer mehr Bildungseinrichtungen und Verlage, die sich dem Thema öffnen oder stärker als bisher auf Visualisierungen setzen.

     

    Frage: Überhaupt scheinen visualisierende Elemente in Bildungseinrichtungen gefragt zu sein?

     

    Antwort: Neuerdings interessieren sich sogar Justizakademien für Sketchnote-Workshops. Für unterrichtende und schreibende Anwälte kann das zweierlei bedeuten: Im ungünstigen Fall sehen sie sich mit der Erwartung konfrontiert, dass sie als diejenigen, die die Texte liefern oder den Stoff in Seminaren vermitteln, auch Visualisierungen einsetzen sollen, selbstverständlich ohne dass der zusätzliche Aufwand in irgendeiner Weise honoriert wird. Das führt dann dazu, dass sie in ihrer Not mühsam Textkästen in Word irgendwie mit Pfeilen verbinden, zu den SmartArts in PowerPoint greifen oder das Problem an das Büropersonal delegieren, das sich ja viel besser mit den Office-Programmen auskennt. Günstiger sieht es aus, wenn die Bildungseinrichtungen/Verlage externe Dienstleister mit der Visualisierung beauftragen. Dann ist allein die fachliche Expertise der Anwälte gefragt, denn sie müssen das Ergebnis lediglich auf inhaltliche Richtigkeit prüfen.

     

    Frage: Werden visualisierende Darstellungen überlegt eingesetzt?

     

    Antwort: Mir fällt häufig auf, dass Texte und die dazugehörigen Strukturbilder gar nicht oder nur unzureichend aufeinander abgestimmt sind. Für das Verstehen der Inhalte ist das aber wichtig, denn das Strukturbild macht die im Text angelegte inhaltliche Struktur und die Zusammenhänge für den Leser sichtbar, während der Text den Inhalt des Schaubilds erläutert. Jedes Medium hat also seine Aufgabe. Leider wird das nicht immer erkannt. Oder man findet es problematisch, dass sich im Zusammenspiel von Text und Schaubild Inhalte wiederholen. In der Folge trennt man dann beides voneinander oder verzichtet ganz auf einen ergänzenden Text zur Grafik. Ich persönlich finde das ungünstig. Zwar versuche ich selbst, Schaubilder so selbsterklärend wie möglich zu gestalten, ein Schaubild kann aber einen Text zum selben Thema niemals ersetzen. Dafür ist das Recht viel zu komplex. Auch ist ein Strukturbild nur dann hilfreich, wenn es sich auf Wesentliches konzentriert und nicht jedes Detail abbildet. Es ist also gar nicht seine Aufgabe, denselben Inhalt zu transportieren wie ein Text. Sinnvoll einsetzbar sind juristische Schaubilder ohne erläuternden Text eigentlich nur, wenn im konkreten Fall eine vereinfachte Information völlig ausreicht oder die Adressaten Vorwissen mitbringen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Nicola Pridik (www.npridik.de) ist Juristin und Inhaberin des 2008 gegründeten Büros für klare Rechtskommunikation in Berlin. Mit ihren Dienstleistungen unterstützt sie Kunden dabei, Rechtsinformationen verständlich und anschaulich für ihre jeweiligen Zielgruppen aufzubereiten. Dabei steht die Visualisierung von Recht im Mittelpunkt. Hierzu gehören juristische Schaubilder, Sketchnotes und PowerPoint-Präsentationen für Juristen.
    Quelle: ID 46486194