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  • · Modernes Arbeiten

    Collaborative Roboting und Arbeitsschutz

    Bild: © zapp2photo - stock.adobe.com

    von Alexandra Buba M. A., Wirtschaftsjournalistin, Fuchsmühl

    | Die intensivere Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in modernen Produktionsumgebungen rückt immer stärker in den Blickpunkt. Doch wie verändert Collaborative Roboting Arbeitswelten unter Sicherheitsaspekten? Gelten für die neuen Systeme und Arbeitsplatzgestaltungen besondere Regelungen? Was müssen Unternehmer aus rechtlicher Sicht beachten? |

    1. Ausgangslage

    Feinfühlig, smart und industrietauglich ‒ so beschreiben Hersteller von kollaborierenden Robotern ihre Produkte. Doch mit der „Automatisierung für jeden, überall“ sind auch Probleme verbunden ‒ nicht nur, aber auch rechtlicher Natur. In der Hauptsache werden die Collaborative Robots (Cobots) heute eingesetzt, um den Arbeiter zu entlasten. Moderne Systeme sind flexibel nutzbar und einfach zu programmieren. Das bringt eine große Einsatzbandbreite mit sich, verschärft aber auch die ohnehin bereits bestehenden Sicherheitsprobleme. Denn wenn Mensch und Maschine immer enger zusammenarbeiten, führt das selbstredend in vielen Bereichen zu Qualitäts- oder Effizienzssteigerungen. Mit einer Kooperation ohne trennende Schutzeinrichtung geht aber auch ein neues Risiko für Kollisionen einher. Und diese Gefahr verändert sich immer, wenn der Cobot für einen anderen Zweck eingesetzt wird. Im schlimmsten Fall könnten etwa Arbeiter zwischen Roboter und anderen Maschinen, Regalen oder Gebäudeteilen eingequetscht werden.

    2. Grenzwerte für noch tolerierbare Kollisionen

    Die Berufsgenossenschaften haben für solche Fälle bereits Grenzwerte festgelegt, unterhalb derer etwaige Zusammenstöße von Cobot und Mensch noch erträglich sind. Dazu wurden etwa in der Vergangenheit Schmerzschwellen untersucht, um den Mensch-Roboter-Arbeitsplatz sicherer und besser zu gestalten. Sensortechnik sorgt in der Folge heute dafür, die Roboter bei zu geringem Abstand zu verlangsamen oder zum Stillstand zu bringen.

     

    Fakt ist aber trotz dieser Ansätze in vielen Bereichen, dass die Sicherheitsanforderungen an kollaborierende Robotersysteme noch nicht umfassend beschrieben wurden. Es gelten die allgemeinen Norman nach der ISO 10218-1 und ISO 10218-2, die Robotik ganz generell beschreiben. Darüber hinaus gibt es die technische Spezifikation „ISO TS 15066“, die die spezifischen Anforderungen konkretisiert.

    3. Normen werden derzeit überarbeitet

    Doch auch diese Norm reicht längst nicht aus, um in der unternehmerischen Praxis auf einen verlässlichen Rechtsrahmen zurückgreifen zu können. Daher werden die ISO 10218-1 und 10218-2 derzeit überarbeitet und sollen bis zum Mai 2021 in einer aktualisierten Fassung vorliegen. Neu oder angepasst zu regeln ist dabei eine ganze Reihe von Aspekten.

     

    So soll es etwa eine Liste mit allen relevanten Sicherheitsfunktionen geben, wie den sicheren Stopp oder das Abbremsen. Außerdem sollen exaktere Anforderungsspezifikationen für Applikationen bei Handführung, der Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung sowie der Leistungs- und Kraftbegrenzung enthalten sein. Die derzeit schon vorhandenen biomechanischen Grenzwerte zur Leistungs- und Kraftbegrenzung sollen verfeinert werden.

     

    Ein weiterer Aspekt wird die Cybersecurity sein, denn Cobots sind häufig vernetzt ‒ und oftmals nicht entsprechend abgesichert ‒, sodass sie ein Einfallstor ins Firmennetzwerk bilden können. Speziell bearbeitet werden außerdem die Sicherheitsanforderungen für mobile Roboter sowie für Greifer und Greifersysteme.

    4. Anwender wird Hersteller der Maschine

    Letzteres ist wesentlich, da ein Cobot per Definitionem erst zur Maschine wird, wenn er mit dem entsprechenden Greifer oder Werkzeug verbunden wird, mit dem er schließlich in Aktion tritt. Dadurch ist nicht der eigentliche Lieferant des Roboters qua Gesetz Hersteller derselben, sondern der Unternehmer. Das bedeutet: Er ist auch für die sogenannte CE-Kennzeichnung inklusive sicherheitstechnischer Überprüfung verantwortlich. Der Unternehmer erklärt damit letztlich selbst, dass das Produkt den geltenden Anforderungen der EU genügt.

     

    In der Praxis werden dies in aller Regel spezialisierte Dienstleister übernehmen müssen. Denn es gilt im unternehmerischen Einsatz dasselbe wie für alle anderen Maschinen auch: Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche etwaigen Gefährdungen identifiziert und die dementsprechenden Risiken bewertet werden.

    5. Arbeitssicherheit von Anfang an bedenken

    Das wesentlichste Defizit der derzeit geltenden Normen besteht aber nun gerade darin, dass sie zwar beschreiben, welche Grenzwerte einzuhalten sind, und auch, welche Grenzwerte für welche Körperregionen gelten. Wie diese jedoch zu messen sind, wird nicht erläutert.

     

    Nicht nur aufgrund dessen empfehlen Experten wie Jochen Vetter, Manager Consulting Services bei der Pilz GmbH & Co. KG, Ostfildern, dass Unternehmer frühzeitig Sicherheitsexperten miteinbeziehen, wenn sie den Einsatz von Cobots planen. Auf diese Weise ließen sich spätere aufwendige Umbaumaßnahmen vermeiden, die notwendig werden können, wenn die Architektur eben nicht innerhalb bestimmter Normen errichtet wurde.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: ID 46356790