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  • · Fachbeitrag · Persönlichkeitsrechte

    Mission Löschtaste: Was aus dem Internet verschwinden soll, muss genau bezeichnet sein

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B. A., Leipzig

    | Als Comicfigur dargestellt im weltweiten Datennetz herumschwirren? Das gefällt nicht jedem. Bei verletzten Persönlichkeitsrechten müssen Anwälte jedoch aufpassen: Soll durchgesetzt werden, dass die Gegenseite Videos im Internet löscht, in denen der Mandant zu sehen ist, müssen die betroffenen Filme schon im Verfahren genau bezeichnet werden. Sonst kann das Urteil später wirkungslos sein. Was das konkret heißt, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LG Frankfurt (13.11.18, 2-03 T 6/18). |

    Riesiger Datenschatz mit unerwünschten Inhalten

    Die bequemen digitalen Zeiten bringen nicht nur einen Wust von Daten auf unzähligen Speichermedien und im Internet mit sich. Sie sorgen auch für erbitterte Auseinandersetzungen, ob Fotos, Filme oder Musikstücke sich überhaupt im Netz einnisten dürfen. Dort veröffentlichte Inhalte können auch verfälschend, kompromittierend und die Persönlichkeitsrechte verletzend sein. Dass diese aus dem Internet entfernt werden, lässt sich klageweise durchsetzen. Ein Urteil allein nützt jedoch wenig. Es kommt darauf an, dass der Inhalt auch vollstreckungsfähig ist. Sonst bleiben die strittigen Videos einfach im Netz, wie das LG Frankfurt bestätigt.

    Erfolgreich geklagt, schlecht tenoriert

    Und so begann der Streit: Der Beklagte hatte Bilder und Videos bearbeitet, in denen die Klägerin als Comicfigur dargestellt wurde, und diese auf vier Plattformen im Internet veröffentlicht. Die Betroffene, die im Video zu sehen war, erwirkte über ihren Prozessbevollmächtigten ein Versäumnisurteil, nach dem die Videos zu entfernen waren. Im Versäumnisurteil war tenoriert, dass „die von ihm bei YouTube, Facebook, TubeID und MetaVideos eingestellten Videos, in denen [...] vorkommt, zu löschen“ sind. Gleichzeitig wurden im Urteil Ordnungsmittel angedroht, falls der Beklagte dies nicht erfüllt. Im weiteren Verlauf gab die Klägerin an, dass weiterhin Videos auf YouTube platziert waren, in denen sie zu sehen war. Antragsgemäß verhängte das Gericht daher ein Ordnungsgeld von 1.200 EUR gegen den Beklagten. Gegen den Ordnungsmittelbeschluss erhob der Beklagte erfolgreich Beschwerde, das LG hob den Beschluss auf.

    Bestimmt zu unbestimmt

    Das LG konnte nicht hinreichend erkennen, dass der Schuldner gegen seine Pflicht verstoßen hatte, die von ihm auf den vier Plattformen eingestellten Videos zu löschen. Hierfür war der Tenor im Versäumnisurteil nicht hinreichend bestimmt und daher nicht vollstreckungsfähig. Diesem Problem sehen sich Anwälte in der Praxis immer wieder gegenüber, wenn sie im Verfahren zwar obsiegt haben, den Anspruch aber nicht in der Zwangsvollstreckung durchsetzen können. Das geschieht z. B. häufig in arbeitsgerichtlichen Verfahren, wenn es um die exakte Formulierung von Zeugnistexten geht (vgl. u. a. zuletzt LAG Hessen 10.8.18, 8 Ta 246/18). Eine Gerichtsentscheidung muss für das Vollstreckungsgericht eindeutig sein. Umstände und Sachverhalte, die außerhalb des Titels liegen, sind bei der Auslegung, was genau zu vollstrecken ist, nicht zu berücksichtigen. Das hat jüngst auch das OLG Frankfurt noch einmal bekräftigt (25.6.18, 6 W 9/18).

     

    Bild: © IWW Institut

    Das LG verwies in seinen Beschlussgründen auf ähnliche Rechtsprechung, in der es um zu entfernendes Audio- und Fotomaterial ging (Konzertaufnahmen, konkrete Bezugnahme auf Anlagen: OLG München 23.1.14, 6 U 3515/12; Löschung „aller im Besitz [...] befindlichen“ Fotos: OLG Koblenz 20.5.14, 3 U 1288/13; „Bildnisse [...] aus ihrem privaten Alltag“: KG Berlin 28.7.06, 9 U 191/05). Kann das Vollstreckungsgericht den Titel nicht entsprechend auslegen, geht die Vollstreckung ins Leere. Nachträglich ändern lässt sich der Titel auch nicht, sodass die Ansprüche des Mandanten nicht durchsetzbar sind. Vorliegend wäre nicht entscheidbar, ob die im Rahmen des Ordnungsmittelantrags gerügten Videos als kerngleich zu denjenigen Videos anzusehen sind, die im Versäumnisurteil genannt waren.

     

    Der Fall lag insoweit noch einmal anders, als dass die Gläubigerin berufsbedingt stärker in der Öffentlichkeit stand als andere Personen. Daher konnte es auch rechtmäßig veröffentlichte Videos geben, „in denen die Antragstellerin vorkommt“. Existiert also ohnehin zahlreiches Video- und Bildmaterial, muss das Urteil die zu löschenden Aufnahmen genau bezeichnen, um sie von möglicherweise zulässigen Videos abzugrenzen, die im Internet abrufbar sind.

    BGH: hinreichend bestimmt

    Die Gerichte beschäftigen sich immer wieder mit digitalen Medien, die nicht zwangsläufig öffentlich zugänglich sind. Es kann ebenso der Umgang mit privatem digitalen Material angesprochen sein, wenn beispielsweise eine Beziehung oder Ehe endet und der Ex-Partner solche Inhalte noch vorhält. Der BGH hat entschieden, dass intime Fotos oder Videos dann zu löschen sind (13.10.15, VI ZR 271/14). Insoweit war der Titel entsprechend tenoriert, indem der beklagte Ex-Partner verpflichtet wurde, die in seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke von die Klägerin zeigenden Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen, auf denen die Klägerin [...] zu sehen war, vollständig zu löschen. Dem Tenor ließ sich hinreichend genau entnehmen, dass von ihm solche Dateien erfasst sein sollen, auf die der Beklagte wie ein unmittelbarer Besitzer eine jederzeitige Einwirkungsmöglichkeit hat oder bei denen ‒ wie im Fall des mittelbaren Besitzes ‒ Dritte von ihm eine derartige Einwirkungsmöglichkeit ableiten können. Letztlich kommt es also darauf an, ob der auf Löschung in Anspruch genommene Beklagte eine (ggf. mittelbare) Funktionsherrschaft über die Daten innehat, so der BGH.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: ID 45658288