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  • · Persönlichkeitsrechtsverletzungen

    Google und Co.: Keine Prüfungspflicht des Suchmaschinenbetreibers

    Bild: © Gines - stock.adobe.com, Maxim Grebeshkov - stock.adobe.com, Collage: IWW Institut

    von RA Dr. Robert Kazemi, Bonn

    | Der VI. BGH-Senat hat mit Urteil vom 27.2.18 (VI ZR 489/16) klargestellt, dass der Betreiber einer Internet-Suchmaschine nicht verpflichtet ist, sich vor der Anzeige eines Suchergebnisses darüber zu vergewissern, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten. Er muss erst reagieren, wenn er durch einen konkreten Hinweis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kenntnis erlangt. Damit führt der BGH seine Rechtsprechung fort. Auch Hostprovider sind, um eine Haftung als mittelbare Störer zu vermeiden, nicht verpflichtet, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu prüfen (BGHZ 209, 139; BGH 4.4.17, VI ZR 123/16 ). |

    Sachverhalt

    Die Kläger nahmen die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, bestimmte vermeintlich persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte auf Drittseiten über die Suchmaschine auffindbar zu machen. Die Beklagte, die ihren Sitz in Kalifornien hat, betreibt die Internetsuchmaschine „Google“. Dabei durchsucht sie mit einer Software kontinuierlich und automatisiert das Internet und übernimmt die so ermittelten Internetseiten in einen Suchindex. Die Suchmaschine gibt den Nutzern die Daten entsprechend dem eingegebenen Suchbegriff nach einem von der Beklagten erstellten Algorithmus als Ergebnisliste aus und verlinkt diese.

     

    Die Kläger, ein Ehepaar, sind IT-Dienstleister. Der Kläger hatte ab Mitte Februar 2011 zumindest beim Aufsetzen eines Internetforums geholfen ‒ im Folgenden: F-Internetforum. Mitglieder dieses Forums führten mittels Beiträgen auf verschiedenen Forenseiten Auseinandersetzungen mit Mitgliedern eines anderen Internetforums. Den Mitgliedern des F-Internetforums wurde u. a. vorgeworfen, Dritte zu stalken und zu drangsalieren. Aufgrund einer von dem Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für das F-Internetforum eingerichteten E-Mail-Weiterleitung stellten Dritte die IP-Adresse und die Identität des Klägers fest und gaben diese Informationen an Mitglieder des mit dem F-Internetforum verfeindeten Internetforums weiter. Letztere verfassten dann auf den mit der Klage beanstandeten Internetseiten Beiträge, in denen der Kläger für Handlungen von Mitgliedern des F-Internetforums (u. a. angebliches Stalking) verantwortlich gemacht wurde.

     

    Die bei zielgerichteter Suche in der Ergebnisliste der Beklagten nachgewiesenen Seiten enthielten deshalb Inhalte, wonach der Kläger das F-Internetforum betreibe, für die dort veröffentlichten Inhalte (mit-)verantwortlich sei oder von den Inhalten des Forums zumindest Kenntnis gehabt habe und die Klägerin von der Rolle ihres Mannes in diesem Forum Kenntnis gehabt haben müsse. Dabei wurden in Bezug auf die Kläger Worte gebraucht wie etwa „Arschkriecher“, „Schwerstkriminelle“, „kriminelle Schufte“, „Terroristen“, „Bande“, „Stalkeri“, „krimineller Stalkerhaushalt“.

    Entscheidungsgründe

    Der BGH will aus der (ungeprüften) Veröffentlichung von Ergebnislisten durch Google keine direkten Unterlassungsansprüche des hiervon Betroffenen abgeleitet wissen.

     

    Haftung setzt Verletzung von Prüfpflichten voraus

    Die von den Klägern beanstandeten Inhalte auf den Internetseiten, die die Beklagte durch Verlinkung auffindbar macht, sind keine eigenen Inhalte der Beklagten. Andere Personen haben diese ins Internet eingestellt. Die Beklagte hat sich die Inhalte durch Aufnahme in den Suchindex auch nicht zu eigen gemacht. Sie durchsucht lediglich mithilfe von Programmen die im Internet vorhandenen Seiten und erstellt hieraus automatisiert einen Suchindex. Zwar kann die Beklagte grundsätzlich auch als sogenannte mittelbare Störerin haften, wenn sie zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts willentlich und mitursächlich beiträgt. Denn die Beiträge im Internet, durch die sich die Kläger in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sehen, werden durch die Suchmaschine auffindbar gemacht. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers setzt aber die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Von ihm kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er sich vergewissert, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden sind, bevor er diese auffindbar macht.

     

    Allgemeine Kontrollpflicht würde Suchmaschinen infrage stellen

    Die Annahme einer ‒ praktisch kaum zu bewerkstelligenden ‒ allgemeinen Kontrollpflicht würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, das von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht ist, ernstlich infrage stellen. Ohne die Hilfestellung einer solchen Suchmaschine wäre das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar. Den Betreiber einer Suchmaschine treffen daher erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat.

     

    Keine offensichtliche und auf ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung

    Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Die beanstandeten Bezeichnungen der Kläger waren zwar ausfallend scharf und beeinträchtigten ihre Ehre. Ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt stand aber nicht von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes. Denn die Äußerungen standen im Zusammenhang mit der Rolle, die der Kläger beim F-Internetforum gespielt haben soll. Nach dem Inhalt der beanstandeten Suchergebnisse wird den Mitgliedern des F-Internetforums u. a. Stalking (Straftat i. S. des § 238 StGB) vorgeworfen. Die Beteiligung des Klägers an der Erstellung des F-Internetforums hatten die Kläger nicht zweifelsfrei klären können. Der Kläger räumte selbst ein, am „Aufsetzen“ des F-Internetforums beteiligt gewesen zu sein; auch war eine von ihm eingerichtete E-Mail-Weiterleitung über das F-Internetforum an ihn noch Wochen nach dem Aufsetzen des Forums aktiv. Über die eigene, durch „eidesstattliche Versicherung“ bekräftigte, jedoch ziemlich allgemein gehaltene und pauschale Behauptung hinaus, mit dem F-Internetforum nichts zu tun zu haben, hat der Kläger keinerlei belastbare Indizien für die Haltlosigkeit der ihm ‒ und zumindest mittelbar in Form der Mitwisserschaft seiner Frau, der Klägerin ‒ gemachten Vorwürfe aufgezeigt. Eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung musste die Beklagte den beanstandeten Äußerungen deshalb nicht entnehmen.

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des VI. Senats überrascht vor dem Hintergrund der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht; sie reiht sich zudem zwanglos in die Entscheidungspraxis des I. Zivilsenats (26.11.15, I ZR 174/14; 26.11.15, I ZR 3/14; 5.2.15, I ZR 240/12) und auch des EuGH ein (12.7.11, C-324/09 ‒ L‘Oréal/eBay; 24.11.11, C-70/10; für den Betreiber eines sozialen Netzwerks 16.2.12, C-360/10 ‒ Netlog/SABAM). Hiernach existiert eine allgemeine Prüfungspflicht von Diensteanbietern für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten Dateien in aller Regel nicht. Diensteanbieter sind daher auch nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten.

     

    Die Rolle des Anbieters einer Suchmaschine ist insofern neutral, als dass sein Verhalten rein technischer, automatischer und passiver Art ist und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt. Auch den Betreiber einer Suchmaschine treffen dementsprechend erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat. Wer sich also gegen die Listung bestimmter Suchergebnisse bei Google & Co. zur Wehr setzen möchte, der ist zunächst gehalten, den Suchmaschinenbetreiber auf die Rechtswidrigkeit der Suchergebnislisten hinzuweisen und die Rechtsverletzung in einer die Prüfung ermöglichenden Form darzulegen. Erst wenn ein Suchmaschinenbetreiber hierauf nicht oder nicht rechtzeitig reagiert, kommen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche auch unmittelbar gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber in Betracht.

    Quelle: ID 45179017