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  • · Steuerstrafverfahren

    BGH findet Rechtsgrundlage für Ermittlungen mithilfe stiller SMS

    Bild: © mirexon - stock.adobe.com

    von Diana Nadeborn, Strafverteidigerin, Berlin, IT-Strafrecht: www.iww.de/s2188

    | Ermittler setzen seit Jahren sogenannte stille SMS ein, um den Aufenthaltsort eines Beschuldigten zu bestimmen. Nun hat der BGH (8.2.18, 3 StR 400/17) geklärt, dass diese Maßnahme gesetzlich erlaubt ist. |

    1. Was ist eine stille SMS?

    Die Ermittlung des Aufenthaltsorts eines Mobilfunkgeräts und damit seines Besitzers durch stille SMS besteht aus zwei Teilen. Zunächst versendet die Polizei eine SMS. Das Handy des Empfängers zeigt dabei keine eingehende SMS an. Es sendet jedoch ausgehend von der aktuellen Funkzelle an den Mobilfunkbetreiber. Das erzeugt die Information, welches Handy sich zu einer bestimmten Zeit in welcher Funkzelle aufhält. Wird der Vorgang wiederholt, ergeben die gesammelten Informationen ein Bewegungsprofil. In einem zweiten Schritt erhebt die Staatsanwaltschaft die entsprechenden Informationen beim Mobilfunkbetreiber.

     

    Ist die Mobilnummer eines Beschuldigten bekannt und nutzt dieser das Mobilfunkgerät regelmäßig, kann zwar auch über eine normale Verkehrsdatenabfrage eine Ortung stattfinden. Erzeugt der Beschuldigte jedoch nur wenige Verkehrsdaten, etwa weil der Datenaustausch hauptsächlich über wechselnde WLAN-Verbindungen erfolgt, kann die Ermittlung durch Herstellung einer Telefonverbindung mittels stiller SMS sinnvoll sein (Hiéramente, jurisPR-StrafR 17/2018 Anm. 1).

     

    Ermittler kombinieren die Observation eines Beschuldigten gern mit dem Versenden stiller SMS, um den aufwendigen und personalintensiven Einsatz von Observationskräften sinnvoll steuern zu können. Befindet sich der Beschuldigte etwa vorübergehend im Ausland, müssen für diese Zeit keine Beamte vor seiner Haustür postiert werden.

     

    Auch der Umfang einer Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) kann von den Ergebnissen der stillen SMS abhängen. Ergibt die TKÜ beispielsweise, dass über einen bestimmten überwachten Anschluss keine Verbindungen aufgebaut werden, senden Ermittler eine stille SMS an den Anschluss. Kann der Provider die Nachricht nicht zustellen, gehen sie davon aus, dass der Beschuldigte weder das überwachte Gerät noch die Rufnummer tatsächlich nutzt und beenden die Überwachung. Kann der Provider hingegen zustellen, jedoch keine sichtbare Verbindung erzeugen, gehen die Ermittler davon aus, dass der Beschuldigte die Rufnummer im Ausland nutzt und lassen die Überwachung lediglich ruhen.

    2. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8.2.18, 3 StR 400/17

    In der Strafprozessordnung ist die Gesamt-Ermittlungsmaßnahme ‒ das Erzeugen und Erheben von Verkehrsdaten ‒ nicht ausdrücklich geregelt. Der BGH klärt mit Beschluss vom 8.2.18, 3 StR 400/17, dass der Einsatz der stillen SMS gleichwohl gesetzlich geregelt ist: Rechtsgrundlage für das Versenden stiller SMS durch die Ermittlungsbehörden sei § 100i StPO, zur Erhebung der dadurch erzeugten Daten ermächtige § 100g StPO.

     

    2.1 Technische Ermittlungsmaßnahme bei Mobilfunkendgeräten

    Bisher wurde teilweise vertreten, das Erzeugen der Information sei ein unselbstständiger Bestandteil des Abrufens der Information. Der eigentliche Grundrechtseingriff erfolge durch die Erhebung der Daten, die als TKÜ in § 100a StPO detailliert geregelt sei (BT-Drs. 18/2695). Dieser Auffassung erteilt der BGH eine klare Absage: Das Erzeugen solcher Daten, das eine aktive Einflussnahme auf den vorhandenen Datenbestand darstelle, gehe über die Auskunft über vorhandene Daten hinaus und bedürfe daher einer eigenen Ermächtigungsgrundlage (BGH 8.2.18, 3 StR 400/17, Rn. 6).

     

    Soweit bisher teilweise die Ermittlungsgeneralklausel gemäß §§ 161, 163 StPO als Rechtsgrundlage für das Versenden der stillen SMS herangezogen wurde, genügt dies aus Sicht des BGH ebenfalls nicht, „weil der Einsatz stiller SMS und die sich daran anschließende Abfrage der so erzeugten Standortdaten das Erstellen eines ‒ wenn auch abhängig von der Größe der Funkzellen recht groben ‒ Bewegungsprofils ermöglichen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) in erheblicher Weise berühren“ (BGH 8.2.18, StR 400/17, Rn. 6).

     

    Die Eingriffsbefugnis für den Einsatz stiller SMS ergebe sich aus § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO. Auch wenn es bei Einführung der Vorschrift im Jahr 2002 noch keine stille SMS gab, regele diese Norm gleichwohl deren Einsatz. Wie der nach § 100i Abs. 1 Nr. 1 StPO zulässige IMSI-Catcher diene die stille SMS der Unterstützung von Observationsmaßnahmen. Diese Regelung sei auch spezieller als § 100h StPO, der generell die Observation durch Verwendung technischer Mittel außerhalb von Wohnraum erfasse.

     

    2.2 Erheben der Standortdaten des Beschuldigten beim Provider

    Umstritten war bisher auch, ob der Abruf der Daten auf § 100a StPO (Erhebung von Kommunikationsinhalten) oder auf § 100g StPO (Erhebung von Verkehrsdaten) gestützt werden kann. Hier stellt der BGH klar, das Grundrecht auf Vertraulichkeit der Kommunikation, das von Art. 10 GG geschützt ist, umfasse nur die Kommunikation zwischen Menschen und nicht zwischen Geräten. Daher müssten für einen Eingriff nicht die höheren Voraussetzungen des § 100a StPO erfüllt sein, sondern es genüge die niedrige Eingriffsrechtfertigung des § 100g StPO: „Die Erhebung mittels stiller SMS erzeugter Standortdaten wird schon deshalb nicht von § 100a StPO erfasst, weil sie nicht im Rahmen von Telekommunikation anfallen. […] Bei dem Versand stiller SMS fehlt es […] an einem menschlich veranlassten Informationsaustausch, der sich auf zu übermittelnde Inhalte bezieht. Es wird lediglich ein Datenaustausch zwischen technischen Geräten verursacht, der keinen Rückschluss auf Kommunikationsbeziehungen oder -inhalte erlaubt“ (BGH 8.2.18, 3 StR 400/17, Rn. 5).

    Quelle: ID 45583003