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  • · Verbraucherschutz

    AGB-Klausel zum Verbraucherstreitbeilegungsverfahren

    Bild: © Alexander Limbach - stock.adobe.com

    von RA, FA IT-Recht Dr. Harald Schneider, Siegburg (www.anwalt-siegburg.de)

    | Erklärt sich ein Unternehmer „grundsätzlich bereit“, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, begründet dies noch nicht die sich aus § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG ergebenden Informationspflichten (OLG Celle 24.7.18, 13 U 158/17). |

    Sachverhalt

    Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) hatte die Beklagte, die einen Online-Shop betreibt, auf Unterlassung in Anspruch genommen. Es ging um folgende Regelung in den Händler-AGB der Beklagten:

     

    • § 12 ODR-Verordnung

    Die EU hat ein Online-Portal eingerichtet, um unzufriedenen Kunden zu helfen. Bei Beschwerden über Waren und Dienstleistungen, die Sie bei uns im Internet gekauft haben, können Sie unter folgender Adresse http://... eine neutrale Streitbeilegungsstelle finden, um zu einer außergerichtlichen Lösung zu gelangen. Bitte beachten Sie, für einige Branchen und in einigen Ländern gibt es derzeit (Stand 1.2.17) keine Streitbeilegungsstellen. Deshalb können Sie als Verbraucher dieses Portal möglicherweise nicht zur Beilegung von Streitigkeiten mit uns in diesen Ländern nutzen. Weitere Informationen finden Sie im Online-Portal der EU. Zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle sind wir nicht verpflichtet. Dennoch sind wir zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle grundsätzlich bereit. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an ...

     

    Der vzbv war der Auffassung, der Händler hätte mit der Verlautbarung der grundsätzlichen Bereitschaft zur Teilnahme an einem Verbraucherstreitbeilegungsverfahren auch gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite nennen müssen. Daher sei die vorstehende AGB-Information unvollständig. Die Beklagte verteidigte sich damit, sie habe ihre Bereitschaft nur freiwillig bekannt gegeben, sich nicht verpflichtet und müsse daher nicht weitergehend informieren. Das LG Hannover hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des vzbv blieb erfolglos.

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Celle hat zunächst die Aktivlegitimation des vzbv gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 12 UKlaG festgestellt. An dieser Stelle verweist das UKlaG auf die allgemeinen Informationspflichten (§ 36 VSBG) und auf die Informationspflichten nach Entstehen einer Streitigkeit (§ 37 VSBG). Nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG müssen Unternehmer, die mit Verbrauchern Verträge abschließen, die am 31.12. des Vorjahrs mehr als 10 Personen beschäftigt haben (Kleinbetriebsklausel in § 36 Abs. 3 VSBG) und die eine Webseite unterhalten oder AGB verwenden, darüber informieren, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Verbraucherstreitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Wer keine Webseite oder AGB vorhält oder unter die Kleinbetriebsregelung fällt, darf die Angaben freiwillig machen (Althammer/Meller-Hannich, VSBG, 2017, § 36 Rn. 18). Ob der Unternehmer sich an Streitbeilegungsverfahren beteiligt, ist dann seine freie Entscheidung. Nach § 36 Abs. 2 VSBG müssen die Informationen auf der Webseite bzw. in den AGB erfolgen. Im Fall des OLG Celle hatte sich die Beklagte auf ihrer Webseite „grundsätzlich“ bereit erklärt.

     

    Gesetzliche Verpflichtung

    Die weitergehende Informationspflicht in § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG (Nennung der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite, für die im Übrigen die Kleinbetriebsregelung nicht gilt) setzt voraus, dass der Unternehmer entweder gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist, an Verbraucherstreitbeilegungsverfahren teilzunehmen.

     

    Eine gesetzliche Verpflichtung (z. B. § 111b Energiewirtschaftsgesetz, § 57a Luftverkehrsgesetz) kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Eine unabhängig von einem Geschäftsabschluss im Online-Shop bereits bestehende vertragliche Verpflichtung (z. B. aufgrund der Zugehörigkeit des Unternehmers zum Trägerverein einer Schlichtungsstelle mit entsprechender Satzungsverpflichtung oder einer bestehenden Schlichtungs- oder Mediationsvereinbarung) schied im konkreten Fall ebenfalls aus.

     

    Vertragliche Verpflichtung

    Für das OLG Celle stellte sich damit noch die Frage, ob eine Verpflichtung, die erst über einen konkreten Verbrauchervertrag (unter Einbeziehung der AGB) zustande kommt, die Informationspflicht aus § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG auslösen kann. Es bestehen rechtliche Zweifel, ob eine solche über die AGB geschlossene Vereinbarung für eine Verpflichtung i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG ausreicht. Denn die bloße Mitteilung der Bereitschaft zur Teilnahme an einer Verbraucherschlichtung (Information nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG) ist nicht mit einer Verpflichtung gleichzusetzen. Das ergibt sich aus den verschiedenen Begrifflichkeiten („bereit oder verpflichtet“ in Nr. 1 und [lediglich] „verpflichtet“ in Nr. 2). Auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/5089, S. 75) lässt sich ableiten, dass mit den Verpflichtungen, die § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG erwähnt, solche gemeint sind, die schon vor dem geschäftlichen Kontakt mit dem Kunden bestanden haben (Information der Verpflichtung soll dem „künftigen Vertragspartner“ mitgeteilt werden).

     

    MERKE | Die Rechtsfrage, ob ein sich aus einer bloßen freiwilligen Bereitschaftserklärung abzuleitender Vertrag die weiteren Informationspflichten aus § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG auslöst, musste das OLG Celle letztlich nicht mehr entscheiden.

     

    Rechtlich denkbar ist eine Verpflichtung gegenüber dem Kunden, wenn die Beklagte durch die in den AGB enthaltene öffentliche Erklärung der Bereitschaft zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren ein Angebot unterbreitet. Dieses könnte ein Käufer durch Einreichung eines Schlichtungsantrags annehmen. Im konkreten Fall hat das Berufungsgericht jedoch nach Auslegung der AGB-Klausel ein solches Angebot der Beklagten verneint. In deren AGB ist von ihrer grundsätzlichen Bereitschaft die Rede. Der Senat hat das zutreffend dahin gehend gedeutet, dass die Beklagte sich die Entscheidung offenlässt, ob sie sich im Einzelfall auf ein Verbraucherstreitbeilegungsverfahren einlässt. Demnach liegt keine verbindliche Erklärung vor.

    Relevanz für die Praxis

    Es gibt bislang zu den Informationspflichten des VSBG kaum Gerichtsentscheidungen. Die Informationspflichten, die sich aus Art. 14 der unmittelbar in den Mitgliedsstaaten der EU geltenden ODR-VO ergeben (Link zur OS-Plattform und Nennung der Email-Adresse), werden häufig mit den weitergehenden Verpflichtungen aus § 36 VSGB (Grundlage ist die ADR-Richtlinie) zusammengefasst. Zu Art. 14 ODR-VO ist inzwischen eine h. M. festzustellen, dass es sich insofern um eine Marktverhaltensregelung (§ 3a UWG) handelt und der Link zur OS-Plattform in klickbarer Weise erstellt werden muss (zuletzt OLG Hamburg 12.7.18, 5 W 23/18). Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung dies bei den Informationen nach §§ 36 und 37 VSBG auch nicht anders beurteilen wird (Althammer/Meller-Hannich, VSBG, 2017, § 36 Rn. 2017; § 37 Rn. 32; Borowski/Röthemeyer/Steike, VSBG, 2016, § 36 Rn. 50, § 37 Rn. 9). Insofern könnte die Aktivlegitimation auch aus § 8 Abs. 3 UWG abgeleitet werden ‒ mit der Folge, dass Mitbewerber ebenfalls abmahnen können. Das ist z. B. bei der fehlenden Klickbarkeit des Links zur OS-Plattform zu beobachten.

     

    Klauseln, wie die Händlerin diese im Fall des OLG Celle verwendet hatte, sind überwiegend individueller Art. Eine juristische Überprüfung empfiehlt sich stets, da die Erfassung der Strukturen in § 36 VSBG nicht ganz einfach ist, wie der vom OLG Celle beurteilte Fall zeigt. Die Überschrift der Klausel „§ 12 ODR-Verordnung“ ist unverständlich gewählt, da ein Verbraucher diese Verordnung regelmäßig nicht kennen wird und das VSBG die Umsetzung der ADR-Richtlinie ist. Bei der Gestaltung von AGB ist es deshalb empfehlenswert, eine Überschrift oder einen eigenen Menüpunkt „Verbraucherstreitbeilegungsverfahren“ o. Ä. zu schaffen. Darunter können ggf. die Pflichtinformationen aus Art. 14 ODR-VO und § 36 VSBG in einem sinnvollen Kontext zusammen dargestellt werden.

    PRAXISTIPP | Wer sich bereit erklärt (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG), an einem Verbraucherstreitbeilegungsverfahren teilzunehmen, muss sich entscheiden, ob er eine vertragliche Regelung mit dem Kunden anstrebt oder sich im Einzelfall eine nachträgliche Vereinbarung der Schlichtung offenhält. Für den Fall einer vertraglichen Bindung über die AGB-Klausel (also falls z. B. das im Fall des OLG Celle entscheidende „grundsätzlich“ wegfällt) sollte vorsorglich über die Schlichtungsstelle, deren Anschrift und Webseite informiert werden (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG). Das wäre bei der ungeklärten Rechtslage der sicherste Weg.

     

    Es bleibt allerdings ein Problem, das nicht durch eine AGB-Gestaltung in den Griff zu bekommen ist. Zusätzlich zu der allgemeinen Informationspflicht gibt es noch diejenige nach Entstehen einer Streitigkeit (§ 37 VSBG). Die Kleinbetriebsregelung in § 36 Abs. 3 VSBG gilt nicht für § 37 VSBG. Sobald ein Unternehmer nach Abschluss eines Verbrauchervertrags überzeugt davon ist, dass ein Streit mit dem Verbraucher nicht gütlich beizulegen ist, muss er diesem die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite nennen und erklären, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren verpflichtet oder bereit ist. Nach § 37 Abs. 2 VSBG muss der Hinweis in Textform erfolgen.

     

    Es ist mit vertretbarem Aufwand wohl schwer möglich, eine Software zu programmieren, die erkennt, wann eine Situation eingetreten ist, in der ein Streit mit einem Verbraucher nicht beigelegt werden kann. Ein Hinweis in AGB ist nicht sinnvoll, weil es bei Vertragsabschluss noch keinen Streit gibt. Auch § 37 VSBG wird entsprechend der Rechtsprechung zu Art. 14 ODR-VO als Marktverhaltensregelung (§ 3a UWG) und die dort erwähnten Angaben werden als wesentliche Information (§ 5a UWG) einzustufen sein. Das eröffnet dann u. a. auch Mitbewerbern eine Abmahnmöglichkeit (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG).

    Quelle: ID 45431908