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  • · Verbraucherschutz

    Das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten

    Bild: © terovesalainen - stock.adobe.com

    von Martin Rätze, Diplom-Wirtschaftsjurist, Wienke & Becker, Köln

    | Seitdem die Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) zum 13.6.14 in deutsches Recht umgesetzt wurde, unterscheidet das Fernabsatzrecht nicht mehr nur zwischen Waren und Dienstleistungen, sondern kennt auch digitale Inhalte als Gegenstand fernabsatzrechtlicher Verträge. Für das Angebot von digitalen Dienstleistungen, die nicht auf einem dauerhaften Datenträger geliefert werden, kennt das Gesetz eigene Regelungen in Bezug auf das Widerrufsrecht. |

    Definition digitale Inhalte

    Das deutsche Gesetz definiert in § 312f Abs. 3 BGB in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 11 VRRL den Begriff der digitalen Inhalte: Digitale Inhalte sind Daten, die digital hergestellt und bereitgestellt werden.

     

    Für den Fall, dass diese digitalen Daten nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, kennt das Gesetz einige Sondervorschriften. Werden digitale Daten dagegen auf einem körperlichen Datenträger (also z. B. auf CD oder USB-Stick) geliefert, wird fernabsatzrechtlich mehr auf den Datenträger abgestellt und es gelten die allgemeinen Vorschriften zu Verträgen über die Lieferung von Waren. Die Widerrufsfrist beginnt in diesem Fall ab Lieferung des jeweiligen Datenträgers.

    Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten ohne körperlichen Datenträger

    Im Folgenden sollen ausschließlich Verträge über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, Beachtung finden. Dies betrifft insbesondere Software- oder Musikdownloads, aber auch Streaming-Dienste. Ein Vertrag über die Lieferung eines eBooks oder eines Hörbuchs fällt ebenfalls darunter. Wird ein solcher Vertrag im Fernabsatz geschlossen, gilt gemäß § 312g Abs. 1 BGB das ganz normale fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht. In diesem Fall beginnt die Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB mit Vertragsschluss. Das bedeutet: Dem Kunden steht ab Vertragsschluss für 14 Tage lang die Möglichkeit offen, den Vertrag zu widerrufen.

    Kein Wertersatzanspruch des Unternehmers

    Allerdings unterscheidet sich das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten entscheidend von dem bei Verträgen zur Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen. Ein Verbraucher, der Ware in einer Art und Weise nutzt, die nicht zur Prüfung der Eigenschaften, Beschaffenheit oder Funktionsweise der Ware erforderlich ist, ist dem Händler zum Ersatz eines durch diesen Umgang entstandenen Wertverlusts verpflichtet.

     

    Widerruft der Verbraucher dagegen einen Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, so hat er niemals Wertersatz zu leisten (§ 357 Abs. 9 BGB).

     

    Widerruft ein Verbraucher also einen solchen Vertrag, muss der Unternehmer den vollständigen Kaufpreis erstatten, der Kunde kann aber womöglich das gekaufte PDF-Dokument behalten, da er es nicht zurücksenden kann.

    Vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechtes

    Um diesen Nachteil des Unternehmers auszugleichen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Verträgen über die Lieferung von digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, vorzeitig erlischt.

     

    Gemäß § 356 Abs. 5 BGB kann das Widerrufsrecht bei solchen Verträgen erlöschen. Hierzu muss der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen haben, nachdem der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, und seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert. Hier ist also eine doppelte Bestätigung des Verbrauchers notwendig, die aber in einem Text erfüllt werden kann. Der Text zur Einholung der Zustimmung kann beispielsweise lauten:

     

    • Beispiel

    „Hiermit stimme ich ausdrücklich zu, dass Sie vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung des Vertrags beginnen. Mir ist bekannt, dass ich durch diese Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags mein Widerrufsrecht verliere.“

     

    Belehrung über das Widerrufsrecht

    Unabhängig davon, ob der Verbraucher seine Zustimmung zum Erlöschen erteilt, ist er vor Abgabe seiner Vertragserklärung über das ihm zustehende Widerrufsrecht zu informieren. Die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung sieht für Verträge über digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, eigene Gestaltungshinweise vor. So fällt beispielsweise die Belehrung über den eventuell zu leistenden Wertersatz in der Rechtsfolgenbelehrung weg. Auch die Belehrung über den Fristbeginn unterscheidet sich von der bei Warenlieferungen.

     

    MERKE | Händler, die sowohl körperliche Waren als auch z. B. Downloads im Sortiment haben, müssen daher zwingend zwei verschiedene Belehrungen bereithalten. Kann ein Verbraucher mit einer Bestellung sowohl körperliche Waren also auch digitale Inhalte downloaden, ist ihm außerdem deutlich zu machen, welche Belehrung für welche Artikel greift.

     

    Einholen der Zustimmung zum Erlöschen

    Holt der Unternehmer die Zustimmung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes nicht ein, sollte er die digitalen Inhalte erst nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist zur Verfügung stellen, da er anderenfalls Gefahr läuft, dass der Verbraucher widerruft und so sein Geld vollständig zurückerhält, er aber gleichzeitig die digitalen Inhalte nutzen kann.

     

    In einer Entscheidung des LG Karlsruhe (25.5.16, 18 O 7/16) ging es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Zustimmung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes einzuholen ist. In dem dortigen Verfahren, das der vzbv gegen Gameforge führte, holte der Unternehmer die Zustimmung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes auf der letzten Bestellseite ein. Es erfolgte dort der Hinweis:

     

    • Hinweis

    „Mit Klick auf ‚Jetzt kaufen‘ stimme ich der sofortigen Vertragsausführung durch G zu und weiß, dass dadurch mein Widerrufsrecht erlischt.“

     

    Der vzbv war der Meinung, dass diese Ausgestaltung nicht richtig war und erhielt vor dem LG Karlsruhe Recht.

     

    Das Gericht war der Auffassung, dass in zeitlicher Hinsicht zunächst ein Widerrufsrecht bestehen müsse, damit dieses erlöschen könne. Vorliegend wurde mit Abgabe der Bestellung durch den Verbraucher der Vertrag geschlossen. Damit begann auch die Widerrufsfrist. Dann sei es aber nicht möglich, so das Gericht, dass gleichzeitig mit einer Erklärung ein Vertrag zustande komme und das Widerrufsrecht erlösche. Vielmehr bedürfe es einer zeitlich späteren, gesonderten Bestätigung des Verbrauchers der Kenntnis über den Verlust des Widerrufsrechtes.

     

    PRAXISTIPP | Unternehmer sollten zunächst den Vertrag schließen und dann auf eine Bestell-Danke-Seite verlinken. Auf dieser sollten sie dann die Zustimmung zur Vertragsausführung inklusive der Bestätigung der Kenntnis vom Verlust des Widerrufsrechtes in diesem Fall einholen und erst danach die digitalen Inhalte zur Verfügung stellen. Will der Verbraucher die Zustimmung nicht erteilen, sollte die Widerrufsfrist abgewartet und erst dann der Vertrag erfüllt werden.

     

    Fazit: spezielle „Spielregeln“ beachten

    Unternehmer, die digitale Inhalte nicht auf körperlichen Datenträgern liefern, sondern z. B. zum Download, zum Streaming oder als Versand per E-Mail anbieten, sollten sich bewusst sein, dass das Widerrufsrecht in diesen Fällen anderen Regeln folgt als beim „normalen“ Warenverkauf. Der Händler läuft Gefahr, dass er seine Angebote an den Verbraucher quasi verschenkt. Denn widerruft der Kunde nach Lieferung, steht dem Händler kein Wertersatz zu und er muss den Kaufpreis vollständig erstatten. Da eine „Rücksendung“ aufgrund der Natur der digitalen Daten i. d. R. scheitert, kann der Verbraucher diese in vielen Fällen dennoch nutzen. So kann man eine E-Mail, in der sich eine PDF-Datei im Anhang befindet, zwar „zurücksenden“, allerdings handelt es sich dabei nur um den Versand einer Kopie und die eigentliche Mail bleibt beim Verbraucher im Posteingang (und dann sogar noch ein weiteres Mal im Postausgang).

     

    MERKE | Unternehmer, die nicht korrekt über das grundsätzlich auch bei diesen Verträgen zustehende Widerrufsrecht informieren, laufen sogar Gefahr, dass der Verbraucher seinen Vertrag 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrufen kann.

     
    Quelle: ID 45778898