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  • · Verbraucherschutz

    Eltern können nicht auf den Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter zugreifen

    Bild: ©BillionPhotos.com - stock.adobe.com

    | Der Umgang mit digitalen Nachlässen wird bedeutsamer. Das KG hat sich in einem viel beachteten Urteil mit einem solchen Fall beschäftigt. |

    Sachverhalt

    Die Eltern machten gegen die Facebook Limited einen Anspruch auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten ihrer im Alter von 15 Jahren unter ungeklärten Umständen verstorbenen Tochter geltend. Sie hofften, über den Facebook-Account etwaige Hinweise über mögliche Absichten oder Motive Ihrer Tochter für den Fall zu erhalten, dass es sich bei derenTod um einen Suizid handele. Dies war ihnen jedoch nicht möglich, da ein Dritter das Benutzerkonto in den sog. Gedenkzustand versetzte, womit ein Zugang mit den Kontozugangsdaten nicht mehr möglich ist. Das LG Berlin hatte Facebook verurteilt, den Eltern Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Dieses Urteil griff Facebook erfolgreich an.

     

    • 1. Die Erben des verstorbenen Nutzers eines sozialen Netzwerks können aufgrund des Fernmeldegeheimnisses (§ 88 TKG) vom Anbieter des Dienstes solange keinen Zugang zum Konto des Verstorbenen erhalten, wie dem nicht alle Kommunikationspartner zugestimmt haben, die mit dem Verstorbenen Kommunikationsinhalte ausgetauscht haben, die nur für diese beiden Nutzer oder nur einen eingeschränkten Personenkreis bestimmt waren.
    • 2. Die bloße Kommunikation über das soziale Netzwerk begründet keine ausdrückliche, konkludente oder mutmaßliche Einwilligung in die Weitergabe von Kommunikationsinhalten i. S. d. Nr. 1 an Dritte. Dies gilt auch für die Kommunikation mit einem minderjährigen Nutzer des Netzwerks hinsichtlich der Weitergabe von Inhalten an seine Eltern.
    • 3. Ein Anspruch der Eltern auf Zugang zum Konto ihres minderjährigen Kindes lässt sich auch nicht aus dem Recht der elterlichen Sorge oder dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Eltern ableiten.
     

    Entscheidungsgründe

    Grundsätzlich ist eine „Vererbung“ des Facebook-Accounts durch Eintritt in die Rechts- und Pflichtenstellung möglich (Universalsukzession gemäß § 1922 BGB, Staudinger/Kunz, BGB, 2017, § 1922 Rn. 600 und 619 m.w.N.). Denn der auf Erbringung von Onlinediensten gerichtete Vertrag geht als Vertragsverhältnis mit dem Tod des Account-Inhabers auf die Erben über. Der Erbe tritt nach § 1922 BGB in das vermögensrechtliche Vertragsverhältnis mit dem Diensteanbieter ein. Grundsätzlich steht dem Erben derselbe Anspruch auf Zurverfügungstellung der „in seinem Account” gespeicherten Inhalte als Hauptleistungspflicht wie zuvor dem Erblasser zu.

     

    Dieser grundsätzlichen Vererbbarkeit des „Account-Inhalts” steht auch nicht der Inhalt und die Gestaltung der Facebook-Verträge an sich bzw. andere individuelle Umstände im vorliegenden Fall entgegen.

     

    Ererbter Anspruch nicht durchsetzbar

    Allerdings wäre, ein etwaiger ererbter Anspruch auf Zugang zu den Account-Inhalten unterstellt, dieser nicht gemäß § 88 Abs. 3 TKG durchsetzbar. Denn § 88 Abs. 3 S. 3 TKG verbietet es Facebook, den Eltern die Umstände und die Inhalte der über den Facebook-Account ihrer Tochter abgewickelten und auf den Facebook-Servern noch gespeicherten Kommunikation mitzuteilen. Durch eine entsprechende Zugangsgewährung würden jedenfalls die durch § 88 TKG geschützten Rechte der Kommunikationspartner der Tochter verletzt werden. Diese Kommunikationspartner haben nicht feststellbar in einen solchen Eingriff des sie schützenden Telekommunikationsgeheimnisses eingewilligt. Damit liegt ‒ ein ererbter Anspruch unterstellt ‒ ein Fall rechtlicher Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB vor (vgl. auch Staudinger/Kunz, a.a.O., § 1922 Rn. 627; MüKo/Ernst, BGB, 7. Aufl., § 275 Rn. 41 bis 45). Aufgrund dieser Unmöglichkeit entfällt die Pflicht von Facebook, den Erben den Zugang zu eröffnen.

     

    Grundsätze zum E-Mail-Schutz gelten entsprechend

    Art. 10 Abs. 1 GG schützt auch den zugangsgesicherten Kommunikationsinhalt im E-Mail-Postfach, auf das der Nutzer nur über eine Internetverbindung zugreifen kann. Die auf dem Mailserver des Providers vorhandenen E-Mails sind in dessen Herrschaftsbereich gespeichert. Der dadurch technisch bedingte Mangel an Beherrschbarkeit begründet die besondere Schutzbedürftigkeit durch das Fernmeldegeheimnis (BVerfG, a. a. O.). Der Schutz der auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails durch das Fernmeldegeheimnis entfällt nicht dadurch, dass der Empfänger den Inhalt oder Eingang ggf. schon zur Kenntnis genommen hat. Diese Grundsätze, die das BVerfG für E-Mails aufgestellt hat, gelten wegen der identischen Interessenlage auch für die von Facebook vermittelten und auf den dortigen Servern gespeicherten Kommunikationsinhalte.

     

    Abgesehen davon ist der Schutzbereich des § 88 TKG deswegen berührt, weil nicht auszuschließen ist, dass sich im Account der Verstorbenen noch Nachrichten bzw. ihr als Empfängerin eines beschränkten Personenkreises geteilte Inhalte befinden, die sie vor ihrem Tod nicht mehr abgerufen hat, sodass auch der dynamische Kommunikationsvorgang letztlich noch nicht abgeschlossen ist.

     

    Nach § 88 Abs. 3 S. 1 und 2 TKG darf Facebook Kenntnisse vom Inhalt oder der näheren Umstände der Telekommunikation (vgl. Abs. 1 S. 1) nur insoweit verschaffen und verwenden, als dies für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Dienste erforderlich ist. Dafür ist es nicht entscheidend, ob sie ihren erbrechtlichen Pflichten nachkommen kann. Als erforderlich i. S. d. § 88 Abs. 3 TKG kann nur das angesehen werden, was der technischen Ermöglichung und Aufrechterhaltung des angebotenen Dienstes dient. Dass ein solch enges Verständnis des Begriffs der Erforderlichkeit für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 TKG zutreffend ist, ergibt sich aus der Erwähnung des § 138 StGB in § 88 Abs. 3 S. 4 TKG. § 138 StGB statuiert die Pflicht, eine bekannt gewordene bevorstehende Ausführung bestimmter Straftaten anzuzeigen. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass auch die Erfüllung dieser gesetzlichen Pflicht als erforderlich für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste anzusehen wäre, hätte es der in § 88 Abs. 3 S. 4 TKG enthaltenen Vorrangregelung für § 138 StGB nicht bedurft.

     

    Den Erben den Zugang zu ermöglichen, ist aber nicht als erforderlich für die Erbringung der Dienste von Facebook anzusehen, da die dort versprochene Dienstleistung in der Zeit der Nutzung von Facebook durch die Verstorbene gerade nicht vorgesehen hat, dass andere Personen sie selbst die Dienstleistung in Anspruch nehmen können. Facebook hat ihren Nutzern gerade nicht versprochen, dass auch andere als die jeweiligen Kommunikationspartner, z. B. Erben im Rahmen der regulären Diensterbringung, auf archivierte Kommunikationsinhalte zurückgreifen können. Abgesehen von dem vereinbarten Verbot für den Nutzer, Account-Zugangsdaten an Dritte weiterzugeben, folgt dies aus dem von Facebook für den Todesfall vorgesehenen Gedenkstatus des Accounts. Aus den Regeln zur nur persönlichen Nutzung und den Regelungen des Gedenkstatus wird deutlich, dass Facebook nur Telekommunikationsdienste für den persönlichen Account-Inhaber zu dessen Lebzeiten anbieten will und angeboten hat. Facebook hat ihre Telekommunikationsdienste nur beschränkt auf die Person des Nutzers angeboten.

     

    Dies gilt auch aus der Sicht der auch vom Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses erfassten Kommunikationspartner der Verstorbenen. Auch diese dürfen aufgrund der Nutzungsbedingungen und des im Leistungsangebot von Facebook eingesetzten Gedenkstatus bei Konten verstorbener Nutzer davon ausgehen, dass nach dem Tod kein Zugang zu dem Konto des Erblassers mehr möglich ist und somit Dritte nicht ohne Weiteres einen Zugang zum Account des Kommunikationspartners und damit zum Inhalt der gemeinsamen Kommunikation haben können. Auch aus deren Sicht ist es somit für die Erbringung der versprochenen Dienste von Facebook nicht erforderlich, dass Erben des Partners des Kommunikationsvorgangs nachträglichen Zugang zum Inhalt der Kommunikation haben.

     

    Folge: Es fehlt für die Zugangsgewährung an die Erben als „Weitergabe an andere” an einer gesetzlichen Erlaubnis nach § 88 Abs. 3 S. 3 TKG. § 1922 BGB enthält keine solche Erlaubnis. Auch aus den datenschutzrechtlichen Regelungen der §§ 91 ff. TKG ergibt sich keine gesetzliche Erlaubnis zur Weitergabe von Telekommunikationsinhalten an die Erben.

     

    Die Anwendung der Regeln über das Telekommunikationsgeheimnis steht darüber hinaus nicht infrage, wenn ein Zugang über den Account eines verstorbenen Empfängers nicht mehr möglich ist, sodass nur noch eine Verletzung der Vertraulichkeit des Mediums in Betracht kommt. Eine wirksame Einwilligung setzt nicht nur eine Einwilligung der Verstorbenen voraus, die in dem Überlassen der Zugangsdaten liegen könnte. Erforderlich wäre auch eine (mutmaßliche) Einwilligung der Kommunikationspartner. Ein wirksamer Verzicht nur eines Kommunikationspartners mit Wirkung für den anderen Partner ist nicht möglich (BVerfGE 106, 28; BVerfGE 85, 386). Eine konkludente Einwilligung der Kommunikationspartner der Verstorbenen lag nicht vor. Denn dass es für diese bei der Kommunikation selbstverständlich war, dass im Fall des Todes der Verstorbenen den Erben eine Zugangsmöglichkeit zu den Inhalten verschafft wird, lässt sich nicht feststellen. Dagegen spricht die Richtlinie zum Gedenkstatus.

     

    Für minderjährige Account-Inhaber gilt dasselbe

    Dies gilt auch für Minderjährige wie die Verstorbene. Diese geben zwar oft, aber nicht in den überwiegenden Fällen den Eltern die Zugangsdaten. Eine Einwilligung in die Einsichtnahme der Eltern in den Account über die Zugangsdaten würde auch nicht bedeuten, dass die Kommunikationspartner auch im Fall des Todes damit einverstanden sind, dass der Anbieter die Inhalte den Erben zugänglich macht.

     

    Auch wenn die Durchsetzungssperre des § 88 TKG nur die Daten auf dem Account der Verstorbenen betrifft, denen ein Kommunikationsvorgang zugrunde liegt, kommt eine Verurteilung von Facebook hinsichtlich der nicht auf einen Kommunikationsvorgang beruhenden Inhalte des Accounts als Minus nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein getrennter Zugang möglich ist, ohne dass Facebook zuvor bei einer Aussonderung der Kommunikationsvorgänge gegen § 88 Abs. 3 TKG verstößt. Ferner ist nicht ersichtlich, dass und in welcher Weise die Verstorbene die Dienste von Facebook über die Benutzung als Kommunikationsmittel hinaus genutzt hat. Eine Verurteilung zur Zugangsgewährung zu bestimmten Dateninhalten setzt aber voraus, dass solche Dateninhalte vorhanden sind.

     

    Soweit den Eltern als nächsten Angehörigen nach dem Tod ihres Kindes noch das Totenfürsorgerecht und ein Notgeschäftsführungsrecht zustehen, lässt sich daraus kein Anspruch auf Zugang zu Social-Media-Accounts des Kindes herleiten, der dem eigenen Aufklärungsinteresse der Eltern dient.

     

    Auch aus einer analogen Anwendung des § 34 BDSG, wonach die verantwortliche Stelle dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten erteilen muss, ergibt sich kein Anspruch der Eltern. Denn der Schutz- und Wirkungsbereich des BDSG beschränkt sich ‒ wie § 3 Abs. 1 BDSG zeigt ‒ nur auf Lebende. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Grundlage für die datenschutzrechtlichen Ansprüche des BDSG ist, endet mit dem Tod des Betroffenen (Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 3 Rn. 1 bis 3, beck-online) und ist unvererblich.

    Relevanz für die Praxis

    Es gibt noch viele rechtliche Probleme mit dem sog. digitalen Nachlass. Oft können die Erben auch nicht auf E-Mails zugreifen. Sie erben zwar die Verträge. Von Rechnungen erfahren sie aber zu spät, weil sie in einem Postfach landen, auf das sie nicht zugreifen können. Folge: Es werden Mahnungen verschickt und ggf. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Zu vermeiden ist dies nur, durch entsprechende Vorsorge.

     

    Facebook richtet auf Wunsch einen Nachlasskontakt ein. Dieser hat eingeschränkte Nutzungsrechte: Er kann

    • einen fixierten Beitrag für das Profil verfassen (z. B. um eine letzte Meldung im Namen des Account-Inhabers in dessen Namen zu teilen);
    • auf neue Freundschaftsanfragen reagieren (z. B. alte Freunde, die Facebook bisher noch nicht genutzt haben);
    • das Profilbild und das Titelbild aktualisieren und
    • eine Kopie der geteilten Inhalte auf Facebook herunterladen.

     

    Der Nachlasskontakt darf aber nicht

    • sich beim Konto anmelden;
    • Beiträge, Fotos und andere Inhalte oder einen der Freunde aus der Chronik entfernen, ändern oder Nachrichten lesen.

     

    Auch andere Dienste (z. B. Google) bieten ähnliche Möglichkeiten an.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 16, 19 zur abweichenden Ansicht der Vorinstanz
    Quelle: ID 45046514