Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Verbraucherschutz

    Informationspflichten über die außergerichtliche Streitbeilegung im Online-Handel

    Bild: ©vege - stock.adobe.com

    von Diplom-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Köln

    | Seit 9.1.16 besteht für alle Online-Händler innerhalb der Europäischen Union die Pflicht, einen Link auf die von der EU-Kommission bereitgestellte Plattform zur außergerichtlichen Streitbeilegung (sogenannte OS-Plattform) bereitzuhalten. Wurde diese Plattform eigentlich geschaffen, um Streitigkeiten schnell und einfach aus der Welt zu schaffen, hat sie in Deutschland für das genaue Gegenteil gesorgt, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg (26.4.18, 3 W 39/18) zeigt. |

    Sachverhalt

    Vor dem OLG Hamburg stritten sich 2 Kfz-Teile-Händler. Einer von ihnen vertrieb seine Produkte u. a. über die Handelsplattform eBay. In seinen Angeboten wies er zwar zutreffend auf die Internetseite der OS-Plattform hin und nannte die URL. Diese war jedoch nicht verlinkt, sondern stand als reiner Text da. Dies sah der Mitbewerber als Wettbewerbsverstoß an und mahnte den Händler ab. Nachdem keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, entschied zunächst das LG Hamburg und nunmehr das OLG Hamburg.

     

    Link muss klickbar sein

    Das OLG Hamburg entschied, dass es nicht ausreichend sei, die URL der OS-Plattform zu nennen. Vielmehr müsse es eine funktionierende Verlinkung geben. Art. 14 der ODR-Verordnung (VO [EU] Nr. 524/2013) spricht davon, dass der Händler einen „Link“ bereitstellen müsse. Das Gericht ist der Auffassung, dass ein „Link“ nach allgemeinem Sprachgebrauch eine entsprechende Funktionalität voraussetze, nämlich dass durch einen Klick auf den Link die entsprechende Ziel-URL aufgerufen werde.

     

    Das LG Hamburg hatte in der Vorinstanz noch entschieden, dass kein Verstoß spürbar sei, weil die Interessen der Verbraucher in keiner Weise beeinträchtigt würden. Dieser Auffassung widersprach das OLG Hamburg: „Da die Pflicht zur Anbringung der Verlinkung auf unionsrechtlicher Regelung beruht, ist sie bereits aus Rechtsgründen als wesentlich i. S. v. § 5a Abs. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG und damit auch als spürbar i. S. v. § 3a UWG anzusehen.“

     

    Mitgliedschaft bei Fair-Commerce hilft nicht

    Beide Händler waren Mitglieder der sogenannten Fair-Commerce-Initiative. Nach deren Teilnahmebedingungen sollten Mitglieder vor einer kostenpflichtigen Abmahnung einen Hinweis an den Mitbewerber versenden und ihm die Gelegenheit geben, die Rechtsverletzung abzustellen, ohne dass hierfür Anwaltskosten entstehen. Gleichzeitig ist in den Teilnahmebedingungen aber festgehalten, dass damit kein Verzicht auf die gesetzlichen Ansprüche verbunden ist. Der Antragsgegner konnte sich daher nicht darauf berufen, dass der Antragsteller rechtsmissbräuchlich gehandelt habe, so das Gericht.

     

    ANMERKUNG | Mit dieser Entscheidung reiht sich das OLG Hamburg in die Rechtsprechung zur Klickbarkeit des Links auf die OS-Plattform ein. Leider verzichten bisher alle Gerichte darauf, die Spürbarkeit näher zu begründen. Der Verweis auf § 5a Abs. 4 UWG ohne nähere Ausführungen mag hier nicht überzeugen, denn in dieser Vorschrift geht es um das Bereitstellen von Informationen. In allen bisher entschiedenen Fallkonstellationen wurde die reine Information ‒ also die URL der OS-Plattform ‒ erteilt. Das Bereitstellen einer Funktionalität, d. h. das automatisierte Öffnen einer Website nach dem Klick auf einen Text, stellt allerdings keine Information im Wortsinne dar. Es kann auch keinerlei Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen festgestellt werden, wenn diese die URL kopieren und in ein neues Browserfenster einfügen müssen, statt nur zu klicken. Eine solche Wesentlichkeit der Klickbarkeit statuieren auch § 5a Abs. 4 UWG oder das europäische Recht nicht.

     

    Weitere Informationspflichten zur Streitbeilegung

    Art. 14 ODR-Verordnung ist nicht die einzige Vorschrift, die Online-Händlern Informationspflichten in Bezug auf die außergerichtliche Streitbeilegung auferlegt. Zusätzlich zu der Verordnung gibt es die sogenannte ADR-Richtlinie (RL 2013/11/EU), in der Vorgaben durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in deutsches Recht umgesetzt wurden. Für Unternehmer sind darin die §§ 36, 37 VSBG wesentlich. Online-Händler, die zum 31.2. des Vorjahrs mindestens 11 Personen beschäftigten, müssen (zusätzlich zur Verlinkung auf die OS-Plattform) darüber informieren, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an außergerichtlicher Streitbeilegung teilzunehmen. Diese Information muss auf der Website des Online-Händlers ‒ und soweit er AGB verwendet mit diesen ‒ erteilt werden.

     

    Beispielklausel / 

    „Ich bin nicht bereit oder verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.“

     

    Hat sich ein Händler zu einer Teilnahme verpflichtet oder ist er aufgrund von Rechtsvorschriften dazu verpflichtet, muss er darüber hinaus die zuständige Schlichtungsstelle nennen.

     

    Beachten Sie | Die Informationspflicht über die zuständige Schlichtungsstelle bei entsprechender Bereitschaftserklärung oder Verpflichtung greift unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten zum 31.12. des Vorjahrs!

     

    Sofern eine Streitigkeit zwischen Unternehmer und Verbraucher nicht beigelegt werden konnte, muss ein Online-Händler (unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten!) in Textform über die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle informieren. Hierzu muss er auch die Anschrift und die Website der Schlichtungsstelle nennen. Zusätzlich muss er (erneut) erklären, ob er zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit oder verpflichtet ist.

     

    Beispielklausel / 

    „Die für mich zuständige Verbraucherschlichtungsstelle ist die Musterschlichtungsstelle, Musterstraße 1, 12345 Musterstadt, www.muster-schlichtungsstelle.de.

     

    Ich bin nicht bereit oder verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.“

     

    Unklar bleibt dabei, wann genau eine Streitigkeit zwischen Verbraucher und Unternehmer nicht beigelegt werden konnte. Es ist noch nicht einmal definiert, wann eine Streitigkeit zwischen den Parteien überhaupt entstanden ist.

     

    FAZIT | Die Informationspflichten in Bezug auf die außergerichtliche Streitbeilegung sind vielschichtig. Alle Online-Händler müssen einen klickbaren Link auf die sogenannte OS-Plattform bereitstellen. Zusätzlich müssen alle Online-Händler, die zum 31.12. des Vorjahrs mindestens 11 Personen beschäftigten, darauf hinweisen, inwieweit sie zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren bereit oder verpflichtet sind. Online-Händler, die sich bereit erklärt haben oder aufgrund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet sind, müssen unabhängig von der Anzahl ihrer Beschäftigten zum 31.12. des Vorjahres die zuständige Schlichtungsstelle nennen. Nachdem eine Streitigkeit zwischen Händler und Verbraucher nicht beigelegt werden konnte, muss der Händler in Textform zwingend die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle nennen und anschließend erneut erklären, inwieweit er zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren bereit oder verpflichtet ist.

     

    Seit ihrer Einführung haben die Informationspflichten über außergerichtliche Streitbeilegung für wesentlich mehr gerichtliche Verfahren gesorgt als dass Streitigkeiten geschlichtet wurden. Das ist eine sehr fragwürdige Entwicklung, sollte dieses neue Instrument doch eigentlich für die Entlastung der Gerichte sorgen.

     
    Quelle: ID 45403536