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  • · Verbraucherschutz

    Zur Reichweite eines Unterlassungstitels bei einem Grundpreisangabenverstoß

    Bild: © tanialerro - stock.adobe.com

    von RA FA-IT-Recht Dr. Harald Schneider, Siegburg (www.anwalt-siegburg.de)

    | Zwischen der Präsentation fertig verpackter flüssiger Ware mit betragsmäßiger Angabe des Volumens und einer solchen mit betragsmäßiger Angabe des Gewichts besteht Kerngleichheit, soweit es um einen Verstoß gegen ein Verfügungsgebot geht, den Grundpreis nach Volumen zu nennen (OLG Oldenburg 1.11.18, 6 W 58/18). |

    Sachverhalt

    Einer Onlinehändlerin, die Heimwerkerartikel über Handelsplattformen vertreibt, war bezüglich fertig verpackter flüssiger Heimwerkerartikel (angeboten hatte sie z. B. Raufaserfarbe in Eimern) per einstweiliger Verfügung des LG Aurich aufgegeben worden, es zu unterlassen, diesbezügliche Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten, „[…] bei denen es sich um nach Volumen von 10 Milliliter und mehr angebotene und/oder beworbene Fertigpackungen handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden, […]“.

     

    Später stellte der Gläubiger erneute Verstöße fest. Die Händlerin bot z. B. flüssigen „Bastel Beton“ im 3,5 kg-Eimer und Wandausbesserungsfarbe in der Tube (399 g) an, ohne den Grundpreis auszuweisen. Der Gläubiger leitete daraufhin ein Ordnungsmittelverfahren beim LG Aurich ein. Das LG wies den Ordnungsmittelantrag mit der Begründung zurück, die Untersagungsverfügung sei beschränkt auf Artikel, deren Größe nach ihrem Volumen und nicht nach ihrem Gewicht angegeben wird. Hiergegen legte der Gläubiger sofortige Beschwerde ein, der das LG nicht abhalf und daher dem OLG Oldenburg vorlegte. Das OLG Oldenburg änderte die landgerichtliche Entscheidung dahin gehend ab, dass gegen die Händlerin wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsverbot (fehlende Grundpreisangabe) ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, verhängt wird und die Händlerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

    Begründung des Beschwerdegerichts

    Die Problematik des Falls ergab sich aus den folgenden Umständen: Sowohl in der Warenpräsentation, die der einstweiligen Verfügung zugrunde lag, als auch bei den später beanstandeten Präsentationen fehlte eine Grundpreisangabe. Es handelte sich jeweils um fertig verpackte flüssige Waren. Bei der im Verfügungsverfahren relevanten Ware hatte die Händlerin deren Volumen angegeben, bei den für das Ordnungsmittelverfahren herangezogenen Waren dann aber nur deren Gewicht. Sie verwendete also unterschiedliche Einheiten (Volumen vs. Gewicht). Der Verfügungsbeschluss bezog sich auf die Einheit Volumen.

     

    Das Gericht führte insofern zutreffend aus, dass die Reichweite des Unterlassungstitels durch Auslegung zu ermitteln ist.

     

    Im Wettbewerbsrecht wurde hierzu die „Kerntheorie“ entwickelt. Unter das Verfügungsgebot fallen danach identische sowie gleichwertige Varianten. Im Kern gleichartig ist ein Verhalten, das ohne identisch zu sein, von der früheren Verletzungshandlung nur unwesentlich abweicht. Das Charakteristische der Verletzungshandlung muss sich in der Wiederholung wiederfinden (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 8 Rn. 146 f. mit Nachw. zur Rspr.) Die Kerntheorie dient der effektiven Durchsetzung von auf Unterlassung gerichteten Ansprüchen, die ansonsten erschwert wäre, falls nur Fälle erfasst wären, in denen die Verletzungshandlung genau dem Wortlaut des Titels entsprechen würde.

     

    Das Beschwerdegericht führte in Anwendung dieser Auslegungsmaxime aus, dass die Unterlassungsverfügung ihrem Wortlaut nach Waren mit Volumen erfasst und Waren der im Ordnungsmittelverfahren relevanten Art auch Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen sind. Es sei auch für die Schuldnerin erkennbar gewesen, was im Hinblick auf die Grundpreisangabepflicht für flüssige Waren von ihr erwartet wird. Dementsprechend seien die später monierten Verstöße (fehlende Grundpreisangabe „Volumen“ bei Verwendung der Einheit Gewicht) dem Verbotsbereich zuzuordnen ‒ also kerngleich.

    Relevanz für die Praxis

    Der Sichtweise des OLG Oldenburg ist zuzustimmen. Ersichtlich waren die Unterschiede zwischen den Warenpräsentationen, die zum Erlass der einstweiligen Verfügung und denjenigen, die zum Ordnungsmittelbeschluss führten, in der Gesamtbetrachtung gar nicht so groß wie die Vorinstanz angenommen hatte. In beiden Fällen handelte es sich um flüssig verpackte Waren aus dem Sortiment des Heimwerkerbedarfs bzw. dem der Baumarkt-Artikel. Im Falle der Farbe und des Fließbetons wurde jeweils der Eimer als Verpackung gewählt. Insofern gab es kein Problem, die verschiedenen Waren unter das abstrahierend formulierte Merkmal „Fertigverpackung“ mit mehr als 10 ml Volumen unter den Verfügungstenor zu subsumieren. Einzig der Wortlaut „nach Volumen […] angebotene und/oder beworbene Fertigpackungen“ bereitet etwas Schwierigkeiten, die sich aber im Wege der Auslegung beheben lassen. Anhand der jeweils vorhandenen Produktfotos und der Artikelbeschreibung gelangt ein Kaufinteressent unweigerlich zu der Erkenntnis, dass eine Ware als Flüssigkeit beworben wird. Soweit es um den Sinn und Zweck der PAngV und den Schutz der Verbraucher geht, kann es nicht darauf ankommen, ob in der Warenpräsentation eine konkrete Zahl für das Volumen angegeben wird. Es wäre eine sinnwidrige und formalistische Sichtweise, wenn ein Händler sich dem Verfügungstenor und damit der Grundpreisangabepflicht dadurch entziehen könnte, dass er ‒ je nachdem, wie es am besten passt ‒ konkrete Zahlenangaben zu Volumen oder Gewicht vermeidet bzw. das eine oder das andere angibt. Wer einen Farbeimer durch Werbefoto und Artikelbeschreibung präsentiert, bietet jedenfalls konkludent „nach Volumen“ an.

     

    Das Weglassen solcher wesentlichen Angaben zur Ware wie z. B. genaue Füllmenge oder genaues Gewicht wäre ohnehin rechtswidrig. Bei Fernabsatzgeschäften muss ein Käufer rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung über die wesentlichen Merkmale einer Ware informiert werden (Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB).

     

    Bei flüssiger Ware in Fertigverpackungen ist ‒ soweit keine andere Bemessung verkehrsüblich ist ‒ das Volumen anzugeben (§ 6 Abs. 1 FertigPackV). In § 7 Abs. 5 FertigpackV heißt es speziell zu Farben dazu: „Fertigpackungen gleicher Nennfüllmenge mit Lacken und Anstrichfarben sind nach Volumen zu kennzeichnen.“

     

    Da die FertigPackV die Umsetzung der EU-Fertigpackungsrichtlinie (76/211/EWG) ist, handelt es sich bei der Angabe der Füllmenge insofern um eine wesentliche Information, deren Fehlen eine Täuschung durch Unterlassen begründet (§ 5a Abs. 4 UWG). Ebenso stellt im Übrigen das Weglassen der Grundpreisangabe eine Vorenthaltung wesentlicher Informationen dar, da § 2 Abs. 1 PAngV der Umsetzung der EU-Preisangabenrichtlinie (98/6/EG) dient (OLG Frankfurt, 18.6.18, 6 U 93/17).

     

    MERKE | Die Gewichtsangabe kann als ergänzende Information sinnvoll sein, führt aber nicht dazu, dass die Füllmengenangabe dann unterbleiben kann.

     

    Wer für flüssige Waren Gewicht und Volumen zugleich angibt, wird sich ggf. die Frage stellen, ob er nun auch die Grundpreisangabepflicht doppelt zu erfüllen hat. Dem Wortlaut des § 2 PAngV nach könnte man das durchaus in Erwägung ziehen. Bezogen auf die im Falle des OLG Oldenburg relevanten Präsentationen von Farb- bzw. Fließbeton-Eimern wären bei Gewichts- und Volumenangabe dann die Angaben in Kilogramm und Liter erforderlich gewesen (§ 2 Abs. 1, Abs. 3 PAngV, §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 5 FertigPackV). Ob das bei den vorprogrammierten Einstellungsmöglichkeiten auf Handelsplattformen überhaupt möglich ist, erscheint fraglich. Legt man die ratio legis des § 2 PAngV zugrunde, dass dem Verbraucher Preisvergleiche mit den Angeboten anderer Anbieter ermöglicht werden sollen, ist eine solche doppelte Grundpreisangabe aber abzulehnen. Wenn sich alle Anbieter flüssiger Waren an die Verpflichtung halten, das Nennvolumen und einen Grundpreis für Volumen anzugeben, hat der Verbraucher eine ausreichende Vergleichsmöglichkeit. Einen zusätzlichen Vergleich nach dem Gewichtsgrundpreis benötigt er nicht mehr. Insofern sollte man die (durchaus übliche) zusätzliche Gewichtsangabe nur als eine zusätzliche Information im Rahmen der Artikelbeschreibung ansehen. Wie eine Ware zu bemessen ist, ergibt sich regelmäßig aus der FertigPackV oder der Verkehrsanschauung (Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl. 2016, S. 14 [Preisangabenrecht], Rn. 179 f.; Harte/Henning, UWG, 3. Aufl. 2013, § 2 PAngV, Rn. 5).

     

    PRAXISTIPP | Wer fertigverpackte flüssige Waren anbietet, hat vor der Befolgung der Grundpreisangabepflicht (§ 2 PAngV) zunächst die Vorschriften der FertigPackV zu beachten. Daraus ergibt sich bereits weitgehend, ob nach Gewicht oder Volumen zu kennzeichnen ist. Nach Volumen zu kennzeichnen sind z. B. Erzeugnisse in Aerosolform (§ 7 Abs. 1 S. 1 FertigPackV), flüssige Lebensmittel (§ 7 Abs. 2 FertigPackV), Back- und Puddingpulver (§ 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 FertigPackV), Wasch- und Reinigungsmittel sowie Putz- und Pflegemittel in flüssiger oder pastöser Form (§ 7 Abs. 3 FertigPackV) oder Lacke und Anstrichfarben (§ 7 Abs. 5 FertigPackV). Weitere Abgrenzungen zu Waren, die nach Gewicht zu kennzeichnen sind, finden sich in § 7 FertigPackV bzw. bezüglich Stückzahl und anderer Sonderregelungen in weiteren Bestimmungen der FertigPackV.

    Soweit zwangsläufig nach Volumen anzubieten ist, muss auch die hierfür vorgesehene Mengeneinheit (Liter oder Milliliter) angegeben werden. Vorsätzliche und fahrlässige Verstöße gegen die verschiedenen Pflichten der FertigPackV stellen gemäß § 35 FertigPackV Ordnungswidrigkeiten dar und können gemäß § 19 Abs. 4 des Eichgesetzes, auf das die FertigPackV Bezug nimmt, mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 EUR geahndet werden. Die Vorschriften der §§ 7 FertigPackV und 2 PAngV stellen darüber hinaus Marktverhaltensregelungen (§ 3a UWG) dar, sodass auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen (darüber hinaus auch gestützt auf Täuschung durch Unterlassen, § 5a Abs. 4 UWG) möglich sind.

     
    Quelle: ID 45670341