Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Werbung

    BGH: Bewertungsaufforderung per Mail grundsätzlich nur mit Einwilligung zulässig

    Bild: © adiruch na chiangmai - stock.adobe.com

    von Diplom-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Kanzlei Wienke & Becker, Köln

    | Kundenbewertungen stellen für viele Unternehmer ein wichtiges Instrument im Marketing-Mix dar. Daher versuchen die meisten Unternehmen, so viele Bewertungen wie möglich zu erhalten. Fordert man aber seine Kunden zur Abgabe einer Bewertung per Mail auf, bedarf es hierfür grundsätzlich der ausdrücklichen Einwilligung der Kunden (BGH 10.7.18, VI ZR 225/17). Der BGH hat sich mit der Frage beschäftigt, ob es sich um einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt, wenn ein Unternehmer einem Kunden eine E-Mail schickt und in dieser die Aufforderung zur Abgabe einer Bewertung enthalten ist. |

    Rechnung per Mail inklusive Bewertungsaufforderung

    Im vorliegenden Fall übersandte der Online-Händler dem Kunden die Rechnung zu seinem Kauf per E-Mail. In der E-Mail fand sich auch die Bitte, eine Bewertung abzugeben.

     

    • Der Unternehmer schrieb:

    „Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie Ihre Rechnung im PDF-Format. Vielen Dank, dass Sie den Artikel bei uns gekauft haben. Wir sind ein junges Unternehmen und deshalb auf gute Bewertungen angewiesen. Deshalb bitten wir Sie darum, wenn Sie mit unserem Service zufrieden waren, uns für Ihren Einkauf eine 5-Sterne-Beurteilung zu geben. Sollte es an dem gelieferten Artikel oder unserem Service etwas auszusetzen geben, würden wir Sie herzlich darum bitten, uns zu kontaktieren. Dann können wir uns des Problems annehmen. Zur Bewertung: über folgenden Link einfach einloggen und eine 5-Sterne-Bewertung abgeben (…).“

     

    Der Kunde sah in dieser Mail eine unzulässige Zusendung von Werbung, die rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreift. Eine Unterlassungserklärung wollte der Unternehmer nicht abgeben.

     

    Die Vorinstanzen (AG Braunschweig 15.11.16, 118 C 1363/16; LG Braunschweig 24.5.17, 9 S 404/16) folgten dieser Auffassung des Klägers nicht. Sie sahen die Mail zwar als Werbung an, allerdings sei der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht als äußerst gering einzustufen, wodurch es an der Rechtswidrigkeit fehle. Der BGH hob die Urteile auf. Er verurteilte den Händler zur Unterlassung.

    E-Mail hatte werblichen Charakter

    Zunächst bestätigte der BGH die Auffassung, dass die streitgegenständliche Mail einen werblichen Charakter hatte. Die Übersendung der Rechnung per E-Mail war dabei legitim und hatte keinen werblichen Charakter. Die in der Mail enthaltene Aufforderung zur Abgabe einer Bewertung war dagegen Werbung.

     

    • Der Begriff der Werbung

    „Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind.“

     

    Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung ‒ beispielsweise in Form der Imagewerbung ‒ erfasst.

     

    Da Kundenzufriedenheitsabfragen auch dazu dienten, die befragten Kunden an sich zu binden und künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern, stellten auch diese Werbung dar. Dieser werbliche Charakter gehe auch dann nicht verloren, wenn mit der Mail ein weiterer (legitimer) Zweck verfolgt wird.

    Werbung erfolgte rechtswidrig

    Die Übersendung der Werbung erfolgte ‒ und in dieser Einschätzung wich der BGH von den Vorinstanzen ab ‒ auch rechtswidrig. Da der Kläger einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geltend machte, musste zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit eine Abwägung der schützenswerten Interessen des Empfängers mit den unternehmerischen Interessen des Versenders vorgenommen werden. Um Wertungswidersprüche im Recht zu verhindern, mussten für diese Abwägung die Grundsätze und die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 und 3 UWG, in dem die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Werbung per E-Mail normiert wird, beachtet werden.

     

    Eine Einwilligung des Klägers zur Übersendung von Werbung lag dem Unternehmer hier nicht vor. Auch die Grundsätze der sogenannten Bestandskundenausnahme, nach der Werbung ohne Vorliegen einer Einwilligung per Mail versendet werden darf, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, griffen hier nicht. Denn der Unternehmer hatte ‒ was ihm nach Ansicht des BGH durchaus zumutbar war ‒ bei der Erhebung der E-Mail-Adresse nicht darauf hingewiesen, dass er diese auch für werbliche Zwecke nutzen werde, der Kunde aber jederzeit widersprechen könne, ohne dass hierfür andere Kosten als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen anfallen würden. Damit erfolgte die Übersendung der Kundenzufriedenheitsabfrage rechtswidrig und dem Kunden stand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

    Fragwürdiger Inhalt der Mail

    Der BGH hatte sich nur mit der Rechtswidrigkeit der Zusendung der Werbung zu befassen, nicht aber mit deren Inhalt. Unternehmer sollten sich aber keinesfalls an der E-Mail des hier beklagten Unternehmens orientieren, wenn sie ihre Kunden zur Abgabe einer Bewertung auffordern.

     

    In den Formulierungen, die der Unternehmer hier verwendete, um den Kunden zur Abgabe einer Bewertung zu bewegen, könnte man eine unzulässige Beeinflussung des Kunden sehen. Würde das bestätigt, wäre die Werbung mit den so erlangten Kundenbewertungen irreführend, weil diese kein neutrales Gesamtbild an Bewertungen wiederspiegeln. Grund dafür ist, dass der Unternehmer den Kunden hier nur zur Abgabe einer positiven Bewertung auffordert und sogar die Anzahl der abzugebenden Sterne „vorschreibt“ ‒ auch wenn er dies als Bitte formuliert. Sollte der Kunde jedoch ein Problem haben, soll er sich an den Service wenden. Indirekt sagt der Unternehmer damit, dass der Kunde dann bitte keine Bewertung abgeben soll. Die so erlangte Gesamtnote stellt daher eine irreführende Werbung dar, weil sie nicht alle Erfahrungen von Kunden berücksichtigt, sondern nur die positiven Feedbacks.

     

    PRAXISTIPP | Unternehmer sollten ihre Bewertungsaufforderungen immer neutral formulieren, um nicht in die Gefahr der wettbewerbswidrigen Irreführung zu rutschen. So könnte der Unternehmer beispielsweise schreiben: „Sie haben vor kurzer Zeit bei uns eingekauft. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Ihr Einkaufserlebnis bei uns mit anderen teilen und dafür eine Bewertung abgeben.“

     

    Keine Gutscheine für Bewertungsabgabe in Aussicht stellen

    In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass Unternehmer niemals Gutscheine oder andere Vorteile für die Abgabe einer Bewertung in Aussicht stellen sollten. Dabei ist es irrelevant, ob der Gutschein nur für positive oder auch für negative Bewertungen ausgestellt wird. Das OLG Hamm (23.11.10, I-4 U 136/10) hat entschieden, dass in einem solchen Fall die Werbung mit den erhaltenen Bewertungen irreführend ist, wenn nicht direkt an diesen Bewertungen steht, dass diese gekauft wurden. Bei dieser Einschätzung komme es auch nicht darauf an, wie hoch der Gutscheinwert ist. Außerdem seien die Kunden, die dann eine Bewertung abgeben, nicht frei und unbeeinflusst. Bei vielen Verbrauchern werde der in Aussicht gestellte Gutschein dafür sorgen, dass die Note vielleicht doch besser ausfällt als es der Fall wäre, wenn es kein Gutschein gibt.

    Händler machen sich Inhalte von Bewertungen zu eigen

    Ein weiteres Problem bei der Werbung mit Bewertungen ist, dass man sich als Händler diese Aussagen grundsätzlich zu eigen macht. D. h.: man haftet dafür. Eine Bewertung, die man von einem Kunden erhalten hat, kann somit hohe Vertragsstrafenzahlungen zur Folge haben. In einem Verfahren vor dem OLG Köln (24.5.17, 6 U 161/16) hatte ein Unternehmen eine Unterlassungserklärung abgegeben, mit der es sich verpflichtete, bestimmte werbliche Aussagen zu sogenannten Zauberwaschkugeln nicht zu verwenden. In den Kundenbewertungen fanden sich Aussagen wie „Ich benutze weniger Waschmittel“. Genau solche Werbeaussagen durfte das Unternehmen aber nicht mehr verwenden. Das Gericht entschied, dass auch diese Kundenaussagen unter das Verbot der Unterlassungserklärung fielen, und verurteilte das Unternehmen zur Zahlung der Vertragsstrafe.

    Werbung mit Bewertungen ‒ Abmahnfallen lauern

    Die Werbung mit Bewertungen ist aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht gerade trivial. Man muss sehr viele Dinge beachten. Es fängt bei der Wahl eines guten Bewertungssystems an, geht weiter mit der Aufforderung zur Bewertungsabgabe und endet letztlich bei einer Inhaltskontrolle auf Verstöße gegen abgegebene Unterlassungserklärungen. Es sollte unbedingt davon abgesehen werden, Bewertungsaufforderungen ohne Vorliegen einer Einwilligung zu versenden. Es gibt Anwälte, die sich genau auf diese Art der E-Mail-Werbung spezialisiert haben und dies reihenweise abmahnen. Seit Geltung der DS-GVO drohen hier außerdem sehr hohe Bußgelder, sofern die Aufsichtsbehörden eingeschaltet werden und solche Verstöße auch verfolgen.

    Quelle: ID 45499286