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  • · Wiedereinsetzung

    Vorsicht Falle: Widerspruch per E-Mail muss ausdrücklich zugelassen sein

    Bild: © VRD - stock.adobe.com

    | Nicht immer schaut der Anwalt in eine Rechtsbehelfsbelehrung. Viele Mandanten korrespondieren schon vor dem Besuch beim Anwalt mit der Gegenseite ‒ und machen oft den Fehler, sich auf angegebene E-Mail-Adressen zu verlassen. Der Anwalt muss hier vorsorgen, wie eine Entscheidung des SG Berlin verdeutlicht. |

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Die Klägerin war Auszubildende. Sie erhielt neben der Ausbildungsvergütung auch Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) sowie vom zuständigen Jobcenter Arbeitslosengeld II, wobei Zahlungen ihrer Mutter angerechnet wurden. Nach einem Rechtsstreit endete das Ausbildungsverhältnis gegen Abfindung. Das Jobcenter verrechnete mit vorläufigem Änderungsbescheid dergestalt, dass ab September 2018 350 EUR (1/6 der Abfindung) monatlich sowie weiterhin Unterstützungszahlungen der Mutter als Einkommen berücksichtigt wurden. Gegen den Bescheid legte die Klägerin per E-Mail Widerspruch ein. Sie verwendete dabei die im Briefkopf des Bescheids angegebene E-Mail-Adresse des Jobcenters. Das Jobcenter wies den Widerspruch zurück. Die Widerspruchsfrist sei versäumt bzw. ein Widerspruch per E-Mail nicht zulässig.

     

    Das SG Berlin bestätigte die Entscheidung (SG Berlin 10.5.19, S 37 AS 13511/18, Abruf-Nr. 209488). Nach BSG-Rechtsprechung ist eine Rechtsbehelfsbelehrung falsch, wenn sie unvollständig ist. Enthält sie keinen Hinweis darauf, dass ein Widerspruch auch in elektronischer Form eingelegt werden kann, ist sie nur fehlerhaft, wenn die Behörde den elektronischen Zugangsweg ausdrücklich oder konkludent eröffnet hat. Weder aus § 2 EGovG, den entsprechenden Landesregelungen, noch § 84 SGG folgt unmittelbar der Zugang zum Widerspruch via verschlüsselter E-Mail oder DE-Mail-Postfach. Dazu bedarf es noch eines besonderen Widmungsakts der zuständigen Behörde. Nur weil es technisch möglich ist, verschlüsselte E-Mail-Widersprüche zu empfangen (hier wies der Bescheid deutlich eine E-Mail-Adresse aus), ist trotzdem eine Widmung notwendig. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde jedoch lediglich darüber belehrt, dass der Widerspruch „schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Stelle“ einzulegen ist.

     

    Relevanz für die Praxis

    Vor allem in Sozialrechtssachen legen Mandanten oft selbst Widerspruch ein. Sie wollen Anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren sparen und den Anwalt erst für das Klageverfahren mandatieren. „Ist eine E-Mail-Adresse angegeben, kann ich sie auch nutzen“, denken viele Mandanten. Es ist sinnvoll, wenn Sie durch Aushänge in der Kanzlei oder im Gespräch darauf hinweisen, dass dies für Widersprüche eben nicht gilt. Entscheidend ist, welche Wege die Rechtsmittelbelehrung für den Widerspruch nennt. Der elektronische Weg muss ausdrücklich bezeichnet werden (wie es z. B. in Berlin die Sozialämter tun und eine E-Mail-Adresse für Widersprüche angeben).

    Quelle: ID 46098723