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  • · Fachbeitrag · Berufstracht

    Gewohnheitsrecht: Anwalt muss Robe auch vor Amtsgerichten tragen

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    • 1. Der Rechtsanwalt ist gewohnheitsrechtlich verpflichtet, auch vor den Amtsgerichten in einer Robe aufzutreten.
    • 2. Das Prozessgericht ist berechtigt, widrigenfalls die Verhandlung mit einem Rechtsanwalt ohne Robe abzulehnen, ohne seine Amtspflichten zu verletzen.

    (LG Augsburg 30.6.15, 31 O 4554/14, Abruf-Nr. 144961)

    Sachverhalt

    Der klagende Rechtsanwalt erschien mit seinem Mandanten vor dem Amtsgericht in einer Zivilsache, ohne eine Robe zu tragen. Als er gefragt wurde, gab er an, keine Robe dabei zu haben. Der Amtsrichter weigerte sich, die Verhandlung durchzuführen und vertagte sie. Der Rechtsanwalt verlangt von dem beklagten Land Schadenersatz aus Amtspflichtverletzung wegen der ihm entstandenen zusätzlichen Reisekosten sowie Verdienstausfalls.

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Das LG hat keine Grundlage für einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gesehen. Es stellt auf die Entscheidung des BVerfG vom 18.2.70 (1 BvR 226/69, BVerfGE 28, 21, Abruf-Nr. 145120) ab. Danach sei es gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass Rechtsanwälte in Amtstracht, also in Robe, auftreten müssten. Dies gelte jedenfalls in öffentlichen Verhandlungen vor Landgerichten und vor Gerichten höheren Rangs. Die landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften würden dieses Gewohnheitsrecht konkretisieren.

     

    Die Entscheidung des BVerfG betraf den Fall, dass ein Rechtsanwalt sich weigerte, vor zwei Zivilkammern eines Landgerichts in Robe aufzutreten. Aus der Entscheidung kann nicht geschlossen werden, dass vor Amtsgerichten keine gewohnheitsrechtliche Pflicht besteht, eine Robe zu tragen. Dies lässt die Entscheidung des BVerfG offen.

     

    Das LG sieht in dem in § 78 ZPO postulierten Anwaltszwang vor den Landgerichten kein ausreichendes Differenzierungsmerkmal, um eine solche Pflicht vor den Amtsgerichten zu verneinen. Im Gegenteil erscheine es gerade hier erforderlich, Rechtsanwälte durch die Robe als Organe der Rechtspflege kenntlich zu machen. Dies zeige, dass die konkrete Person hinter den Dienst an Gesetz und Recht zurücktritt.

     

    Eine Änderung der gewohnheitsrechtlichen Praxis sieht das LG jedenfalls für seinen Gerichtsbezirk nicht. Zwar könne das Gewohnheitsrecht inhaltlich weiterentwickelt werden. Hierbei seien die Vorstellungen aller Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen. Dass bei einzelnen Amtsgerichten generell keine Roben in Zivilsachen getragen werden, stelle die weitreichende gewohnheitsrechtliche Übung nicht infrage.

     

    § 20 BORA hält das LG für nicht maßgeblich. Er lautet:

     

    • § 20 BORA ‒ Berufstracht

    Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

    Schon das BVerfG sieht den Gegenstand der Frage im Gerichtsverfassungsrecht (BVerfG, a.a.O.). Insoweit führt § 20 BORA lediglich dazu, dass der Rechtsanwalt, der vor dem Amtsgericht ohne Robe erscheint, berufsrechtlich nicht belangt werden kann. Welche Konsequenzen das Gericht für die Verfahrensleitung aus der fehlenden Robe zieht, wird durch § 20 BORA nicht tangiert und ist mithin nach § 176 GVG zu beurteilen.

     

    Wichtig | § 20 BORA widerspricht der vorliegenden Entscheidung deshalb nicht, sondern regelt schlicht einen anderen Sachverhalt.

     

    Der Vorsitzende ist nach § 176 GVG dafür verantwortlich, die Ordnung in der mündlichen Verhandlung aufrecht zu erhalten. Der Amtsrichter war berechtigt, den ohne Robe erschienenen Rechtsanwalt zurückzuweisen, ohne seine Amtspflichten zu verletzen. Der Rechtsanwalt kann seinen Schaden, der dadurch entsteht, dass die Verhandlung vertagt wurde, nicht ersetzt verlangen. Die entstandenen Mehrkosten müssen auch nicht vom unterliegenden Gegner erstattet werden, weil es insoweit an notwendigen Kosten fehlt.

     

    Es könnte sich sogar umgekehrt folgende Frage stellen: Inwieweit bekommen der ebenfalls zum Termin erschienene, unterlegene Gegner und sein Bevollmächtigter ihren vertagungsbedingten Schaden gegenüber dem nicht in Robe erschienenen Rechtsanwalt oder dessen Partei ersetzt? Insoweit verletzte der Anwalt eine Pflicht im Prozessrechtsverhältnis, weil jede Partei grundsätzlich verpflichtet ist, die Verfahrenskosten gering zu halten.

     

    FAZIT | Der Rechtsanwalt sollte grundsätzlich vor Gericht in Robe auftreten. Hierdurch wird er nicht nennenswert belastet. Soweit er die Robe vereinzelt tatsächlich vergisst, hilft es meist, wenn er vorauseilend darauf hinweist und sich entschuldigt. So umgeht er in der Regel verfahrensleitende Verfügungen, sodass es zu keinen weiteren Konsequenzen kommt. Die Entscheidung des LG belegt, dass die Nachteile andernfalls letztlich nur den Anwalt und Mandanten treffen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 10 / 2015 | Seite 167 | ID 43601539