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  • · Fachbeitrag · Fachanwaltschaft

    Fallerfordernisse sind verfassungsgemäß

    von RA Christian Dahns, Geschäftsführer BRAK, Berlin

    Auch wenn es für Rechtsanwälte aufgrund eines Rückgangs von Verfahren schwieriger geworden ist, die für den Erwerb einer Fachanwaltschaft geforderten Fälle zu erreichen, sind diese Anforderungen der FAO verfassungsrechtlich unbedenklich (BGH 16.12.13, AnwZ (BrfG) 29/12, Abruf-Nr. 141669).

     

    Sachverhalt

    Ein Rechtsanwalt beantragte bei seiner Rechtsanwaltskammer die Befugnis zur Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht”. Dies lehnte die Kammer mit der Begründung ab, dass er nicht die Bearbeitung von mindestens 50 gerichts- oder rechtsförmlichen Verfahren innerhalb der vergangenen drei Jahre vor Antragstellung nachgewiesen habe. Die hiergegen gerichtete Klage haben der AnwGH Hamm und der BGH abgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Nach Auffassung des BGH ist § 5 Abs. 1c FAO, der zwingend die Bearbeitung von mindestens 50 gerichts- oder rechtsförmlichen Verfahren im Arbeitsrecht verlangt, verfassungsgemäß. Seine Entscheidung hat der BGH mit folgenden Kernaussagen begründet:

     

    Checkliste / Kernaussagen des BGH

    • Die Vorgabe der FAO, dass ein Teil der vom Rechtsanwalt nachzuweisenden Verfahren aus dem forensischen oder dem Bereich der rechtsförmlichen Verfahren stammen muss, soll sicherstellen, dass ein Fachanwalt über die nötigen prozessualen Kenntnisse und Fähigkeiten auf seinem Fachgebiet verfügt.

     

    • Ein Mindestquorum von 50 Fällen in drei Jahren entspricht einer durchschnittlichen Bearbeitung von weniger als eineinhalb Fällen pro Monat. Es ist nicht Sinn der FAO, jedem Rechtsanwalt, der arbeitsrechtliche Verfahren bearbeitet, den Erwerb des Fachanwaltstitels zu ermöglichen.

     

    • Dass der Nachweis der Fälle für Rechtsanwälte in einer Sozietät möglicherweise einfacher als für Einzelanwälte ist, rechtfertigt es nicht, die Anforderungen an die Qualifikation für Einzelanwälte zu reduzieren. Die Einhaltung von Mindeststandards dient dem Schutz der Rechtsuchenden. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt nicht vor.

     

    • Zwar ist in den vergangenen Jahren die Anzahl der arbeitsgerichtlichen Klageverfahren bei steigender Gesamtzahl der Rechtsanwälte rückläufig. Dies führt aber nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung.

     

    • Dass die FAO für andere Rechtsgebiete teilweise weniger als 50 Verfahren verlangt, ist irrelevant, da das Fallaufkommen in den jeweiligen Fachgebieten unterschiedlich ist.

     

    • Fehlt einem Fachanwaltsanwärter die erforderliche Fallzahl, hat eine Rechtsanwaltskammer keine Veranlassung, gemäß § 7 FAO ein Fachgespräch durchzuführen. Der Fachausschuss kann seine Stellungnahme gegenüber dem Kammervorstand auch ohne ein Fachgespräch abgeben. Insoweit unterscheidet sich die Situation beim Nachweis der theoretischen Kenntnisse von dem Nachweis der praktischen Erfahrungen. Während der Erwerb theoretischer Kenntnisse gemäß § 4 Abs. 1 FAO lediglich „in der Regel” den Besuch eines fachanwaltsspezifischen Lehrgangs voraussetzt, sind die Fallzahlen in § 5 FAO bewusst absolut formuliert.
     

     

    Insbesondere für Rechtsanwälte, die wie der im vorliegenden Fall betroffene Berufsträger Schwierigkeiten haben, die für ihr Fachgebiet erforderliche Fallzahl zu erreichen, kann § 5 Abs. 4 FAO relevant werden. Nach dieser Vorschrift können Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle zu einer höheren Gewichtung - z.B. mit dem Faktor 1,5 oder 1,75 - führen.

     

    Was unter einem durchschnittlichen Fall zu verstehen ist, hat der BGH in einem anderen Fall beschrieben:

     

    Ein durchschnittlicher Fall ist keine exakte Größe, sondern umfasst eine gewisse Bandbreite. Demzufolge reicht das Spektrum durchschnittlicher Fälle von Mandaten, die sich an der Grenze zur Überdurchschnittlichkeit bewegen, bis hin zu Fällen, die an der Schnittstelle zur Unterdurchschnittlichkeit anzusiedeln sind. Zu der erstgenannten Fallgestaltung zählt der BGH beispielsweise Verfahren, die in eine höhere Instanz gelangen. In die letztgenannte Kategorie sind z.B. Fälle einzuordnen, in denen sich eine Rechtsfrage stellt, die bereits wiederholt in anderen Fällen aufgeworfen worden ist. Lässt sich trotz einer aussagekräftigen Fallbeschreibung nicht abschließend beurteilen, ob sich ein Mandat vom Durchschnittsfall unterscheidet, ist es als durchschnittliche Angelegenheit einzuordnen und mit dem Faktor 1 zu bewerten. Im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Maße sich ein Fall vom Durchschnitt abhebt, muss im Ergebnis eine nachvollziehbare Gesamtbewertung anhand aller drei in § 5 Abs. 4 FAO genannten Kriterien vorgenommen werden.

     

     

    Wichtig | Ist ein Rechtsanwalt der Auffassung, dass ein von ihm bearbeiteter Fall besonders bedeutsam, umfangreich und schwierig gewesen ist, sollte er diesen in der seiner Rechtsanwaltskammer vorzulegenden Fallliste mit einem höheren Faktor als 1 bewerten. Er sollte diese Entscheidung unbedingt unter Einbeziehung einer entsprechenden Sachverhaltsschilderung substanziiert begründen. Diese Handhabung bleibt allerdings mit dem Risiko behaftet, dass der Fachausschuss die vom Rechtsanwalt vorgenommene Gewichtung nicht teilt und der Antrag insgesamt abgelehnt wird. Verfehlt ein Antragsteller infolge einer Mindergewichtung oder Nichtberücksichtigung der vom Rechtsanwalt vorgenommenen Gewichtung die erforderliche Fallzahl, muss ihm der Fachausschuss allerdings zuvor durch eine Auflage gemäß § 24 Abs. 4 FAO Gelegenheit geben, Fälle nachzumelden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • AK 14, 19: Neuer Fachanwaltstitel „Internationales Wirtschaftsrecht“
    • AK 13, 3: XING - Anwalt darf nicht mit irreführenden Angaben werben (hier: angehender Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz), OLG Karlsruhe 4.3.13, 6 U 16/13, Abruf-Nr. 131732
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 92 | ID 42644340