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  • · Fachbeitrag · Kanzleimietvertrag

    Vertragsschluss: Wachsam sein und nachfragen!

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    | Stehen die wesentlichen vertraglichen Inhalte des Kanzleimietvertrags fest, hängt sein Erfolg noch von der Situation des Vertragsabschlusses ab. Aus Sicht des mietenden Rechtsanwalts ist es vor allem von Bedeutung, alle relevanten Tatsachen über das Mietobjekt und dessen Kostenstruktur zu erfahren. Dass er danach gezielt fragen sollte, versteht sich von selbst. Aber ist der Vermieter auch von sich aus zur Aufklärung über derartige Umstände verpflichtet, wenn die Fragen (irrtümlich) unterbleiben? |

    1. Fragen steigern die Aufklärungspflicht des Vermieters

    Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht des Vermieters ist die Ausnahme. Sie ergibt sich aus der Verkehrsauffassung oder aus Treu und Glauben. Kann ein Vertragspartner davon ausgehen, der andere werde ihn fragen, wenn er eine Angelegenheit für sich als wichtig bezeichnet, besteht keine Hinweispflicht (BGH NJW 82, 376). Der Vermieter ist auch nicht verpflichtet, den Mieter ungefragt über Umstände aufzuklären, die in dessen eigenem Risikobereich liegen, wie z.B. die Konkurrenzlage in der Umgebung (BGH ZMR 79 171). Eine Aufklärungspflicht besteht aber, wenn Umstände vorliegen, die den Vertragszweck gefährden und für die Entschließung des Partners von wesentlicher Bedeutung sein können (BGH NJW 87, 909). Aufgeklärt werden muss auch über vertragswidrige Tatsachen und Risiken, z.B. ganz gravierende Mängel. Wer einen Fehler für möglich hält und damit rechnet, dass der Vertragspartner ihn nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht so abgeschlossen hätte, täuscht sogar arglistig (BGH GE 94, 45). Notwendig sind aber immer besondere Umstände, die erkennbar und für den anderen Vertragspartner so wichtig sind, dass ihre Offenbarung für den Verhandlungspartner zwingend erscheint (Franke, ZMR 00, 733). Gesteigerte Aufklärungspflichten resultieren aus einer bewussten Nachfrage des Mieters. Erkundigt sich der Mieter nach bestimmten Verhältnissen, muss der Vermieter wahrheitsgemäß antworten. Hier gilt nur die Grenze der Unredlichkeit (Franke, a.a.0, 737).

     

    MERKE | Der Vermieter haftet nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (c.i.c.) auf Schadenersatz, wenn er den Mieter durch falsche Angaben zum Schluss des Vertrags veranlasst, den dieser sonst nicht geschlossen hätte (BGH NJW 94, 663). Erst recht haftet er, wenn er den Vertrag sittenwidrig (§ 138 BGB) herbeiführt. Der Vertragsgegner ist zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, die im Vertrauen auf die Wirksamkeit gemacht wurden (BGH NJW 87, 639).

     

    2. Vermieter darf Nebenkosten nicht bewusst zu tief ansetzen

    Falsche Vorstellungen vom Betriebskostenniveau berechtigen den Mieter zum Schadenersatz - jedoch nur ausnahmsweise. Neben der (konkludenten) Zusicherung eines bestimmten Niveaus durch den Vermieter bestehen Ansprüche, wenn der Vermieter die Vorauszahlungen bewusst deutlich zu niedrig bemessen hat, um den Mieter zum Vertragsabschluss zu bewegen.

     

    Wichtig | Als Mieter müssen Sie allerdings wachsam sein und dürfen nicht auf einen Schadenersatzanspruch vertrauen, wie der folgende Fall zeigt.

     

    Der Vermieter hat die Betriebskostenvorauszahlungen ohne entsprechenden Hinweis an den Mieter deutlich zu niedrig bemessen. Der Mieter hat darin eine Aufklärungspflichtverletzung gesehen. In seiner Schadenersatzklage verlangt er Befreiung von dem tatsächlich entstandenen Betriebskostenanteil, der die Vorauszahlungen übersteigt. Das OLG Düsseldorf verwarf den Anspruch aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB (Grundzüge der c.i.c.) allerdings.

     

    Der Vermieter verletzt seine Aufklärungspflicht nur, wenn er die bei Vertragsschluss verlangten Nebenkostenvorauszahlungen ausdrücklich als angemessen zugesichert oder bewusst zu niedrig bemessen hat, um den Mieter über den Umfang der tatsächlichen Belastungen zu täuschen. Allein die Tatsache, dass der Vermieter ohne besonderen Hinweis an den Mieter Vorauszahlungen verlangt, die in ihrer Höhe die tatsächlichen Kosten deutlich unterschreiten, reicht nicht (OLG Düsseldorf, a.a.O.): Der Vermieter habe weder entgegen Treu und Glauben gehandelt noch seine Aufklärungspflicht verletzt. Er verlangte lediglich - ohne besondere Nachfrage des Mieters zur Höhe und ohne Zusicherung der Höhe als angemessen - deutlich zu niedrige Nebenkostenvorauszahlungen (BGH NJW 10, 671; NJW 04, 1102).

     

    Nach dieser Rechtsprechung ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko ab- und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss demnach selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist. Es sei seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen. Unterlasse er dies, habe er keinen Anspruch auf Schadenersatz.

     

    Nur, wenn der Mieter Fragen stelle oder der Vermieter von sich aus Aussagen in Bezug auf das Mietobjekt mache, müssten dessen Angaben richtig und vollständig sein (BGH NJW 04, 2674). Der Mieter erhalte bei zu niedrig bemessenen Vorauszahlungen faktisch sogar einen zinslosen Kredit für die nicht gedeckten Nachzahlungsbeträge. Als Konsequenz dieser Rechtsprechung gilt folgende Schlussfolgerung:

     

    FAZIT | Wer nicht fragt, bleibt dumm! Diese Konsequenz bekommt besonders hohes Gewicht aufgrund der in den letzten Jahren immens gestiegenen „warmen Betriebskosten“ (Versorgung mit Heizleistung und mit Warmwasser) durch hohe Preissteigerungen für Strom, Gas und Öl und vor allem unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes sowie der energetischen Qualität der Mieträume. Mietern kann daher nur die explizite Nachfrage innerhalb der Vertragsverhandlungen empfohlen werden. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Mieter als Anspruchsteller. Eine Beweislastumkehr in Fällen extremer Unterdeckungen wird diskutiert (Langenberg, Handbuch des Betriebskostenrechts der Wohn- und Geschäftsraummiete, 5. Aufl., Rn. G 220). Aber sogar eine Nachforderung von 600 Prozent der Vorauszahlungen soll unschädlich sein (BGH NJW 04, 2674).

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 157 | ID 42533944