· Fachbeitrag · Mandantenbindung
Coaching in der Kanzlei: Wenn Mandanten emotional werden
von Malaika Loher, Motivationsexpertin und Coach, Kaufering, www.malaikaloher.de
| Mandanten brauchen mehr als rechtliche Beratung. Sie suchen einen Profi, der ihre Sicherheit und Orientierung wiederherstellt. Die Kontrolle über das eigene Leben zu haben, ist ein psychisches Grundbedürfnis. Im rechtlichen Dschungel lässt sich dieses Bedürfnis nicht ohne Weiteres erfüllen. Anwalt sein bedeutet, den Mandanten zu coachen und von einer gewissen fachlichen und emotionalen Hilflosigkeit zu entlasten. Genau dieses Coaching unterscheidet die erfolgreiche Kanzlei von der Durchschnittskanzlei. |
1. Der Anwalt für die Seele
Wer zum Anwalt muss, hat häufig emotionalen Stress hinter oder noch vor sich. Nur wenige können sachlich bleiben, wenn es um Liebe, Geld, Fairness oder Macht geht. Der Anwalt managt Recht, aber eben auch den Stresspegel seiner Mandanten. Das ist eine große Verantwortung und zugleich ein fantastisches Mittel zur Mandantenbindung. „Wenn ich mich jetzt auch noch um die Psyche meiner Mandanten sorgen muss, kann ich gleich für die Wohlfahrt arbeiten“, ärgert sich ein Spezialist für Familienrecht. Ja, Zeit ist Geld. Doch sich Zeit zu nehmen, bringt mehr Mandanten und langfristige Beziehungen. Wer sich gut aufgehoben fühlt, empfiehlt die Kanzlei weiter.
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„Ich habe eine reibungslose Scheidung geschafft. Mein Ex-Mann und ich waren gemeinsam bei meinem Anwalt. Er wurde uns empfohlen. Nur weil er moderiert hat, hatten wir am Ende eine Win-win-Einigung. Das kommt auch unseren Kindern zugute. Ich habe ihn schon x-fach weiterempfohlen. Außerdem beauftrage ich die Kanzlei für alle anderen Themen. Ein Wechsel kommt für mich nicht infrage“, so eine Mandantin einer Anwaltskanzlei bei München. |
2. Jeder Mandantenkontakt zählt
Der Einstieg in die Mandantenbeziehung ist entscheidend. Schon die Fachkraft an der Anmeldung beeinflusst die Stimmung. Sie sollte sowohl persönlich als auch telefonisch stets zuvorkommend, verständnisvoll und nahbar sein, selbst, wenn die Kanzlei restlos überlastet ist. Kühle Fachsprache und geschäftige Zurückweisung bringen den Mandanten nur noch mehr in die Emotion. Im Grunde geht es die meiste Zeit darum, die Gefühle geschickt auf ein sachliches Maß herunter zu kochen. Kontraproduktiv sind Sätze wie „Dafür bin ich nicht zuständig“, „Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen“, „Da hätten Sie früher anrufen sollen“, „Beruhigen Sie sich bitte“, „Das sieht schlecht aus“, „Da kann ich jetzt auch nichts machen“. Die Anmeldung sollte stattdessen positive Rhetorik nutzen, ein dickes Fell haben und nichts persönlich nehmen.
Wer im emotionalen Tunnel von Wut, Trauer oder Enttäuschung steckt, kann nicht auf produktive und effiziente Ressourcen zurückgreifen. Deshalb fällt es Mandanten erst einmal schwer, freundlich, geduldig, sachlich oder humorvoll zu sein. Das Frontalhirn, der Verstand, setzt bei ihnen dann mehr oder weniger aus. Der Körper wird mit Adrenalin, Cortisol und anderen Neurotransmittern in Alarm versetzt. Ein klassischer Stresszustand für den Körper.
3. Mandanten können nicht klar denken
Angst ist die Reaktion des Menschen auf Kontrollverlust. Gerade bei Streitigkeiten mit nicht greifbaren Gegnern entstehen viele Befürchtungen, die am Ende gar nicht unbedingt eintreffen. Dennoch kann sich der Mandant den Emotionen kaum entziehen, vor allem, weil das Fachwissen fehlt. Fakten, im besten Fall vom Profi und individuell auf den Fall bezogen, sind das beste Mittel gegen Angst. Doch bevor der Kunde überhaupt aufnahmefähig ist, muss er emotional abgeholt werden.
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„Ich bin so wütend, dass ich nicht mehr klar denken kann. Wenn der Kunde nicht bald zahlt, bin ich pleite! Wie soll ich das meiner Frau erklären? Und meine Mitarbeiter… ich weiß nicht weiter“, macht ein Unternehmer seinen Gefühlen Luft. Er möchte eigentlich telefonisch einen Termin in der Kanzlei vereinbaren und spricht mit der Fachangestellten. Einer seiner Kunden hat die Zahlungen von Bauteilen im Wert von mehr als 100.000 EUR bereits über mehrere Monate hinausgezögert. Die Fachangestellte wundert sich: „Wieso kommen Sie erst jetzt zu uns? Das hätten wir längst regeln können. Ich habe kurzfristig wahrscheinlich auch gar keine Termine frei.“ Das erklärt sie, während sie durch die Kalender der Anwälte klickt. Der Mandant reagiert ungehalten und ungeduldig.
Dabei hätte die Fachangestellte nur einen Satz gebraucht, um den Unternehmer abzuholen, ohne gleich das ganze Problem lösen zu müssen. „Herr XY, ich habe größtes Verständnis, dass Ihnen das an die Substanz geht. Gut, dass Sie jetzt anrufen. Lassen Sie mich gleich nach einem Termin sehen.“ Sie könnte ihn zurückrufen oder sogar erst einen späteren Termin nennen. |
Sobald der Mandant ernst gemeintes Verständnis erfährt, kann er sich zurücknehmen und das Thema professionell angehen.
4. Die VWL-Methode
Das Gleiche gilt für das persönliche Gespräch in der Beratung. Emotionen schlagen manchmal völlig unerwartet zu. Nur ein einziger Gedanke, ein Wort, ein Blick können für existenzielle Befürchtungen im Kopf des Mandanten sorgen. Jetzt kommt es auf den Profi an. Es ist nicht sinnvoll, einfach im Fachjargon weiterzumachen. Der Mandant kann nicht zuhören bzw. ist nicht aufnahmefähig, wenn sein Frontalhirn durch Angst oder Ärger blockiert wird. Natürlich unterscheiden sich die Menschen. Jeder geht anders mit Emotionen um. Ist der eine Mandant bereits erfahren mit Recht und Gesetz, bricht der andere schon mal auf dem Stuhl zusammen. Zeit spart der Anwalt, indem er die Gefühle des Mandanten ernst nimmt. Das funktioniert am besten über die VWL-Methode:
- a) Verständnis zeigen
- b) W-Fragen stellen
- c) Lösungsvorschlag machen
a) Verständnis zeigen
Gerät der Mandant in emotionale Tiefen, hört der Anwalt zunächst einmal mit Interesse zu. Sobald eine Lücke entsteht, zeigt er verbal Verständnis.
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Ein Satz genügt: „Ich verstehe Sie gut …“, „Das kann ich gut nachvollziehen …“, „Mir würde es vermutlich ähnlich gehen …“. Danach macht der Anwalt eine kurze Pause und fährt auf keinen Fall mit dem Wort „aber“ fort. Besser beginnt der gute Rhetoriker einen neuen Satz oder verbindet Verständnissatz und Anschlusssatz mit einem „und“ oder „weil“. „… (und) ich habe eine Frage dazu“, „… und weil wir jetzt gemeinsam eine Lösung finden wollen, lassen Sie uns bitte zu folgendem Punkt kommen.“ „Ist das o. k. für Sie?“ ist die Überleitungsfrage zum nächsten Teil der Methode. |
Nach einem „Ja“ vom Mandanten startet die Fragephase.
b) W-Fragen stellen
Der Anwalt stellt nun ein bis zwei offene Fragen. Diese müssen nicht unbedingt etwas zur Sache beitragen. Ihr Sinn ist Deeskalation. W-Fragen beginnen mit „Was genau“, „Wer genau“, „Wie genau“, „Wann genau“ oder „Wo genau“. Sie nötigen Ihr Gegenüber, mehr als „Ja“ oder „Nein“ zu antworten. Das Ziel ist es, aus dem Problem- in den Lösungsfokus zu kommen.
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„Was genau hätten Sie im besten Fall gerne erreicht?“ „Wie genau könnte Ihr Plan für eine optimale Zukunft aussehen?“ . |
Hier sind Kreativität und Geschick gefragt. Wichtig ist die Absicht des Anwalts. Er sollte eine wohlwollende innere Grundhaltung, Ruhe und Gewissheit ausstrahlen.
c) Lösungsvorschlag machen
Der letzte Schritt ist die Rückkehr zum Thema. Weitere Fakten werden besprochen und recherchiert, die folgenden Schritte diskutiert und Szenarien abgeklärt.
Beachten Sie | Das Ganze läuft bis zum nächsten emotionalen Tiefpunkt. Die VWL-Methode ist eine zirkuläre, wiederkehrende Maßnahme.
FAZIT | Ist der Anwalt in der Lage, eine coachende Haltung einzunehmen, kann er den Mandanten zielorientiert steuern und damit schneller zum Ziel kommen. |