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Staatsnahe Tätigkeiten können eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausschließen
| Einem bei einer Universität als Dezernent für „Personal und Organisation“ angestellten Volljuristen, der in vielen Bereichen seiner täglichen Arbeit hoheitliches Handeln vorbereitet, kann die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen sein. Das hat der 1. Senat des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen entschieden. |
Die klagende Rentenversicherung wendet sich gegen einen im Januar 2017 erlassenen Bescheid der beklagten Rechtsanwaltskammer, mit dem die Rechtsanwaltskammer den im Verfahren beigeladenen, bereits als Rechtsanwalt tätigen Volljuristen die ‒ weitere ‒ Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt hatte. Diese hatte der Beigeladene aufgrund eines Arbeitsvertrags mit einer Universität beantragt, bei der er als Dezernent für „Personal und Organisation“ angestellt ist.
Im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses hat der Beigeladene arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit den Beschäftigten der Universität zu prüfen sowie dem Kanzler und dem Rektor arbeits- und vertragsrechtlichen Rechtsrat in Personalangelegenheiten zu erteilen. Zudem führt er selbstständig Vertragsverhandlungen mit Beschäftigten und verhandelt Dienstvereinbarungen mit Personalvertretungen. Auch die eigenständige Vertretung der Universität in arbeitsgerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsverfahren gehört zu seinem Aufgabenbereich.
Die von der Klägerin gegen den Bescheid der Rechtsanwaltskammer beim Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen erhobene Anfechtungsklage war erfolgreich.
Die Beklagte habe den Beigeladenen, so der 1. Senat des Anwaltsgerichtshofs, zu Unrecht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Aufgrund der von ihm für die Universität ausgeübten Tätigkeit könne der Beigeladene gemäß § 7 Nr. 8 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nicht als Rechtsanwalt und dementsprechend auch nicht als Syndikusrechtsanwalt tätig werden.
Dass der Beigeladene bereits als Rechtsanwalt zugelassen sei, binde den Senat nicht. Im vorliegenden Verfahren sei allein über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu entscheiden.
Gemäß § 7 Nr. 8 BRAO sei die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn eine Tätigkeit ausgeübt werde, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar sei oder das Vertrauen der Rechtssuchenden in seine Unabhängigkeit gefährden könne. Die Vorschrift sichere die Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der seinen Beruf frei und unabhängig ausübe. Sie schütze auch die Rechtsuchenden, die auf eine unabhängige und objektive Tätigkeit eines Rechtsanwalts vertrauten.
Im zu beurteilenden Fall sei der Beigeladene als Dezernent für „Personal und Organisation“ für eine Universität, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, tätig.
Die Tätigkeit im öffentlichen Dienst schließe die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht generell aus. Allerdings könne eine Dauertätigkeit im öffentlichen Dienst die Abhängigkeit eines Rechtsanwalts von staatlichen Organen begründen und mit dem Grundsatz der freien Advokatur unvereinbar sein. Im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege sei das Erscheinungsbild einer von staatlichen Einflüssen freien Advokatur zu schützen. Deshalb sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die beruflichen Sphäre der Anwaltschaft von der des öffentlichen Dienstes deutlich genug getrennt sei. Die Unvereinbarkeit einer anwaltlichen Tätigkeit mit Tätigkeiten im öffentlichen Dienst sei dabei anzunehmen, wenn zumindest die Möglichkeit bestehe, dass aus Sicht des rechtsuchenden Publikums die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt sei. Die Belange der Rechtspflege seien auch gefährdet, wenn bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen könne, der Rechtsanwalt könne wegen seiner Staatsnähe mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken.
Im vorliegenden Fall sei die Tätigkeit des Beigeladenen für die Universität mit einer freien Advokatur nicht zu vereinbaren. So vertrete der Beigeladene die Universität als Behörde gegenüber Stellen der Personalvertretung und gegenüber anderen Ministerien. Das sei die klassische Kommunikation einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Land als einem anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger in staatlichen Belangen. Ähnlich verhalte es sich mit den Aufgaben des Beigeladenen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Berufungsverfahren von Hochschullehrern. Hier prüfe er den Ablauf eines Berufungsverfahrens und die Einstellungsvoraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses. In Prozessvertretungen vor dem Verwaltungsgericht gehe es ebenfalls um beamtenrechtliche Fragestellungen. Zwar sei der Beigeladene auch mit arbeitsvertraglichen Fragen befasst. Angesichts des Umstandes, dass er aber in vielen Bereichen alleinverantwortlich unmittelbar hoheitliches Handeln vorbereite und teilweise als Behördenvertreter auftrete, liege eine Staatsnähe vor, die mit der Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts nicht zu vereinbaren sei.
Quelle | Anwaltsgerichtshof NRW, Urteil vom 16.2.2018, 1 AGH 12/17, nicht rechtskräftig.