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  • · Fachbeitrag · Beschwerdemanagement

    Jede Beschwerde als Chance nutzen

    von Kommunikationstrainer Rolf Leicher, Heidelberg

    | Nicht jeder unzufriedene Mandant fasst seine Kritik in Worte. Rechts­anwälte werden daher nicht permanent mit Beschwerden konfrontiert. Äußert sich ein Mandant negativ, wird dies zudem nicht stets als ­Beschwerde angesehen, erfasst und an den Anwalt weitergeleitet. Dieser kann in vielen Fällen nicht reagieren und geht irrtümlich von großer Mandantenzufriedenheit aus. Sensibilisieren Sie daher Ihre Mitarbeiter für dieses Problem. Denn jede Beschwerde kann als Verbesserungschance genutzt werden.  |

    1. Verletzung einer Rechtspflicht oder „harmlose“ Beschwerde

    Beschwerden ziehen anders als regresspflichtige Pflichtverletzungen keinen gesicherten Anspruch des Mandanten nach sich. In der Regel beziehen sie sich vielmehr auf weiche Faktoren, die sog. „soft skills“ des Anwalts.

     

    • Häufige Anlässe für Unzufriedenheit

    Terminverschiebungen, Unterlegenheit im Prozess, unfreundliches Verhalten am Telefon, vergessener Rückruf, lange Bearbeitungszeiten, Überbelastung des Personals, vermeindlich oberflächliche ­Beratung, Honorarrechnung.

     

    Hohe Ansprüche des Mandanten machen es erforderlich, dass schon die ­Unzufriedenheit als Beschwerde definiert werden sollte, z.B. über einen verspäteten Rückruf ohne Zwischenbescheid. Ursache von ­Terminverzögerungen ist gewöhnlich die Arbeitsüberlastung der Kanzlei. Gute Mandanten können eine Verzögerung entschuldigen, aber wenn auch der zweite Termin ­abgesagt werden muss, reagiert jeder Mandant enttäuscht. Termintreue ist aus Mandanten­sicht ein wesentliches Leistungsmerkmal der Kanzlei. Termin­zusagen müssen eingehalten werden, und dabei sollte es keine erkennbaren Unterschiede zwischen wichtigen und unwichtigen Mandanten geben.

     

    Beschwerden geben dem Anwalt die Chance, seine interne Organisation ständig zu verbessern und Unzufriedenheiten zu reduzieren. Ihre ­erfolgreiche Bearbeitung ist ein gutes Instrument der Mandantenbindung. Fragen Sie 
daher die Zufriedenheit aktiv nach dem Abschluss eines Mandats ab. Das ist die ideale Möglichkeit, sich ständig zu verbessern. Ein Anruf ‒ im Rahmen des rechtlich Zulässigen ‒ mit bis zu fünf gezielten Fragen genügt, um dem Mandanten das Gefühl zu geben, dass man auf seine Beurteilung Wert legt.

    2. Beschwerdeannahme

    Auch eine unberechtigte Beschwerde muss zunächst so bearbeitet werden, als wäre sie berechtigt. Bei der Beschwerdeannahme geht es um das Verständnis für die Situation, die man aus Mandantensicht einnehmen muss.

     

    Ein Satz der Anteilnahme am Ärger genügt, bevor der Anwalt zur Sache kommt. Die typischen Übertreibungen eines unzufriedenen Mandanten ­müssen überhört werden. Keinesfalls darf der Anwalt sich über den ­Mandanten aufregen. Stattdessen sollte er mit höflichen Redewendungen ­antworten, ohne dem Mandanten ausdrücklich Unrecht zu geben. Mit ­nötigem Einfühlungsvermögen kann er die Zurückweisung einer Forderung wertfrei vermitteln. Die Emotionen des Mandanten müssen berücksichtigt werden.

     

    Bedenken Sie immer: Die Erfahrung lehrt, dass ein unzufriedener Mandant etwa elf andere Personen informiert. Oberstes Ziel ist es, das Vertrauen des Mandanten wieder zu ­gewinnen. Deshalb müssen Beschwerden mit dem gleichen Interesse ­bearbeitet werden wie Mandantenaufträge. Auf eine 
Beschwerde per Mail sollte sofort ein Zwischenbescheid folgen. Denn wer reklamiert, ist ungeduldig und erwartet sofort eine Reaktion, die in der Hektik oft verzögert wird.

    3. Gesprächsführung

    Beschwerden zu bearbeiten, ist zeitintensiv. Erklärt man dem Mandanten, was nicht geht, darf die Begründung nicht fehlen. Überzeugend wirken ­ähnliche Entscheidungen oder Fälle, auf die sich der Anwalt beziehen kann, wenn er eine Forderung seines Mandanten zurückweisen muss. Kontra­produktiv ist, dem Mandaten zu sagen, was alles nicht geht. Der Mandant erwartet Vorschläge zur Verbesserung und Änderung für die Zukunft. ­Insoweit bezieht sich das Gespräch auf Präventivmaßnahmen und nicht nur auf den aktuellen Fall. Es gilt, neuen Beschwerden vorzubeugen.

     

    Handelt es sich um eine interne Beschwerde, z.B. über einen vergessenen Rückruf, heißt es, den Fehler schnell zuzugeben und nicht nach Ausreden zu suchen. Ausführliche Erklärungen, warum es dazu kam, interessieren nicht. Entscheidend ist, Rückrufe zukünftig zeitnah durchzuführen.

    4. Innere Einstellung

    Mandanten sind schnell wechselbereit, wenn sie unzufrieden sind. Durch ­eine professionelle Beschwerdebearbeitung kann das verhindert werden. Nicht alle Forderungen des Mandanten können erfüllt werden. Die innere Ein­stellung ist in schwierigen Fällen leicht gefährdet, vor allem, wenn der ­Mandant als Besserwisser auftritt und provozierend wirkt. Wie leicht neigt man dazu, sich gleich zu rechtfertigen und nimmt dabei eine Verteidigungshaltung ein. Die richtige Einstellung gelingt nur, wenn der Anwalt mit dem „Kopf des Mandanten“ denkt, sich in seine Lage hinein versetzt.

     

    Grundsätze der Mandantenorientierung müssen zuerst in der Kanzlei ­definiert und mit den Mitarbeitern besprochen werden. Kritische Aus­sagen eines Mandanten müssen ernst genommen werden. Allein dadurch kann der Anwalt das Vertrauen des Mandanten zurückgewinnen. Die Notwendigkeit eines mandantenorientierten Verhaltens wird von niemandem bestritten. Entscheidend ist aber die konkrete Umsetzung. Wer Mandantenzufriedenheit ernst nimmt, wird Beschwerden nicht als abzuwehrendes Problem, sondern als Chance sehen. Beschwerdebearbeitung setzt voraus, den Mitarbeitern verbindliche Regeln zum besseren Verhalten an die Hand zu geben.

     

    Für die innere Einstellung gelten zusammenfassend folgende Grundsätze: ­Mandantenzufriedenheit ist für jede erfolgreiche Kanzlei eine wichtige ­Voraussetzung. Ein Mandant hat das Recht, seine Wünsche, Ansichten oder Forderungen zum Ausdruck zu bringen, auch wenn sie unrealistisch sind. Wer sich kritisch äußert, bietet der Kanzlei bewusst eine Nachbesserungsmöglichkeit. Mandanten, die sich beschweren, sind keine Querulanten, ­sondern Partner im Bemühen um eine kontinuierliche Verbesserung der Dienstleistung einer Kanzlei. Nach Abschluss eines Rechtsstreits sollte ­ein Zufriedenheitscheck beim Mandanten durchgeführt werden.

    5. Was kompetent wirkt

    Schaffen Sie verbindliche Regeln der Beschwerdebearbeitung, z.B. Handlungsbefugnisse. Aus Gründen der persönlichen Überlebenssicherung geben Mitarbeiter eigene Fehler nicht sofort zu. Das macht es dem Anwalt schwer, Ursachen zu finden. Für ein gutes Auftreten nach außen gilt:

     

    Checkliste / Die 9 „goldenen Regeln“ für ein gutes Kanzleiauftreten

    • 1.Der Erfüllungsgrad von Zusagen muss bei 100 Prozent liegen.
    • 2.Probleme werden verstärkt, wenn zu lange über Schuldzuweisungen ­gesprochen wird. Wichtiger: Auf die Lösung eines Problems hinarbeiten!
    • 3.Machtspiele und verbales Kräftemessen schaffen nur kurzfristig Erfolg. Daher darf nie in einer Gewinner-Verlierer-Kategorie gedacht werden.
    • 4.Hilfsbereitschaft und Erreichbarkeit müssen erlebbar und erkennbar ­werden. Dazu gehört die Absichtserklärung, helfen zu wollen.
    • 5.Absehbare Probleme sollten bereits im Vorfeld bedacht und minimiert werden.
    • 6.Aus wiederkehrenden Beschwerden müssen Konsequenzen gezogen ­werden.
    • 7.Der Rechtsanwalt steht vor dem Mandanten und hinter seinen ­Mitarbeitern.
    • 8.Fehler werden offen und vorwurfsfrei besprochen. Man ist an Ver­besserungen interessiert und nicht primär an der Tätersuche.
    • 9.Der Anwalt und seine Mitarbeiter bemühen sich um eine optimale ­Mandantenorientierung und erreichen mehr als sie versprechen.
     

     

    • Von der Beschwerdebearbeitung zum Beschwerdemanagement

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    Regeln festlegen für die Annahme einer Beschwerde.

    Ehrlichkeit beim Eingestehen von organisatorischen Pannen.

    Kritik annehmen, statt sich sofort zu rechtfertigen.

    Lösungsorientiert kommunizieren, statt der Aufzählung von Problemen.

    Akzeptanz hoher Erwartungen des Mandanten.

    Machtspiele vermeiden.

    Ausblick geben, um ähnliche Fälle zukünftig zu vermeiden.

    Termintreue garantieren, statt Termine mehrfach zu verschieben.

    Innere Einstellung positiv programmieren.

    Offen sein für Ideen, die sich aus der Bearbeitung ergeben.

    Nett und freundlich reagieren, auch bei Nörglern und Meckerern.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 61 | ID 39470280