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  • · Fachbeitrag · Migration

    Flüchtlingssituation: So können Sie helfen und den großen Beratungsbedarf für sich nutzen

    von Mediator, RA Peter Leuchtenberg, FA für Steuerrecht, Krefeld

    | Die Zuwanderung von Menschen, insbesondere aus Syrien, nach Europa ist seit dem vergangenen Sommer das beherrschende Thema in der Politik, den Medien und unter den Bürgern. Der Beratungsbedarf ist enorm. Denn: Flüchtlinge, deren Aufenthalt gestattet wurde, können ggf. Ansprüche z. B. nach dem SGB III (Arbeitsförderung) oder SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) geltend machen. Noch haben sich zu wenige Rechtsanwälte entsprechend spezialisiert. Nutzen Sie diese Chance. Der folgende Beitrag stellt dar, wie dies möglich ist und listet einen kleinen Kommunikationsknigge auf. |

    1. BRAK hat Fachanwalt für Migrationsrecht eingeführt

    Die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat Anfang November den Fachanwalt für Migrationsrecht beschlossen (AK 15, 199). Diesen Beschluss hat der Bundesjustizminister nicht beanstandet, sodass er zum 1.3.16 in Kraft tritt (Purrucker, BRAK-Mitteilungen 6/2015, 289). Die neuen Fachanwälte beschäftigen sich vor allem mit dem Aufenthalts- und Asylrecht (Neundorf, NJW 16, 5; v. Planta, NJW 16, 18).

    2. Zusammenschluss „Grünes Netz MediationD“

    Ebenfalls Anfang November hat das „Grüne Netz Mediation“ zu einem Runden Tisch an der FernUniversität in Hagen eingeladen. Der bundesweite Zusammenschluss von Mediatoren will helfen, Konflikte zu verhindern oder beizulegen. Mediatoren und Vertreter aus der Verwaltung und Wissenschaft schilderten ihre Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe, beschrieben Konfliktlagen und diskutierten mit den Teilnehmern.

     

    MERKE | Im Vordergrund der Mediation stehen keine rechtlichen Positionen, sondern die tatsächlichen Interessen der Verhandlungspartner. Die kommunikativen Fähigkeiten des Mediators als Vermittler streitender Parteien sind besonders gefordert. Er sollte insbesondere verstärkt zuhören können und die Fragetechniken beherrschen (Kessen/Troja, Handbuch Mediation, 2. Aufl., § 13 Rn. 30).

     

    3. Mediation nach dem Harvard-Konzept

    Dem Rechtsanwalt sollte stets bewusst sein, was dem Mandanten wirklich wichtig ist und wie seine Information aufgefasst werden kann, wenn er mündlich oder schriftlich formuliert. Insbesondere muss er sich fragen, wie das Formulierte auf einen Laien wirkt. Soll ein Notar z. B. einen Vertrag beurkunden, und spielen neben zivilrechtlichen Positionen gerade steuerliche Motive eine entscheidende Rolle, muss er über die eigentlichen Interessen der Vertragspartner verhandeln und diese entsprechend umsetzen.

     

    Das Harvard-Konzept legte in den 1970er Jahren Grundlagen der Mediation fest. Danach eröffnen folgende vier Punkte den Weg, offen und ehrlich zu verhandeln (Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, 24. Aufl., S. 39):

     

    • Menschen und Probleme getrennt behandeln,
    • Interessen und nicht Positionen in den Mittelpunkt stellen,
    • verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln und
    • objektives Ergebnis zum beiderseitigen Vorteil finden.

    4. Interkulturelles Verhandeln: Besonderheiten beachten

    Das Harvard-Konzept kann in nicht westlichen Kulturen allerdings aufgrund kultureller Besonderheiten scheitern (Bierbrauer, Handbuch Mediation, 2. Aufl., § 18 Rn. 4). Kultur wird gelernt und umfasst Bedeutungsmuster, die von den meisten Mitgliedern einer Gruppe geteilt werden (Bierbrauer, a. a. O, Rn. 16). Daneben ist aber die Identität des jeweiligen Menschen aufgrund seines Alters, Geschlechts, seiner Religion und Weltanschauung sowie seiner physischen und psychischen Möglichkeiten entscheidend. Die vierte Stufe des oben dargestellten Harvard-Konzepts erreichen Sie einfacher, wenn Sie aus den kulturellen Unterschieden Synergien und Wahlmöglichkeiten für gemeinsame Interessen entwickeln (Bierbrauer, a. a. O., Rn. 38).

    5. Diese Umgangsformen sollten Sie einhalten

    Sprechen und verhandeln Personen aus unterschiedlichen Kulturen, gilt es, die wichtigsten Umgangsformen zu beachten (Bierbrauer, a. a. O., Rn. 46). Die folgende Checkliste listet sie auf:

     

    Checkliste / Kurz-Kommunikations-Knigge

    • Blickkontakt während einer Verhandlung wahren
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    • Wichtig | Berücksichtigen Sie geschlechtsspezifische Unterschiede! Direkter Blickkontakt kann auch als dominant gewertet werden.
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    • Körperabstand variieren ‒ Berührungen eher vermeiden
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    • Sachvortrag immer mit eigenen Worten wiederholen und nachfragen, wie er von den Beteiligten beurteilt wird
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    • Wichtig | Lassen Sie sich nicht verunsichern: Eine Schweigeperiode deutet nicht immer darauf hin, dass die Zuhörer das Gesagte ablehnen. Ggf. denken sie einfach nach. Nehmen Sie auch Gesprächsschleifen gelassen hin und sprechen Sie schwierige Themen über einfache Beispiele an.
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    • Erwägen, eine gemeinsame Fremdsprache zu benutzen oder jedenfalls internationale Wörter zu verwenden (z. B. „Dokument“ statt „Unterlage“ usw.)
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    • Stets flexibel, geduldig und mit Humor auftreten (Bierbrauer, a. a. O., Rn. 52)
     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2016 | Seite 34 | ID 43819611