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  • 19.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145122

    Bundesverwaltungsgericht: Urteil vom 01.07.1987 – 1 C 25.85

    1.

    Dienstleistungen höherer Art, die eine "höhere Bildung" erfordern, fallen nicht unter den Gewerbebegriff der Gewerbeordnung. Unter "höherer Bildung" in diesem Sinne ist grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium zu verstehen.
    2.

    Der Begriff "Unterrichtswesen" im Sinne des § 6 GewO umfaßt Unterrichtsveranstaltungen aller Art, soweit sie landesgesetzlich geregelt sind.


    Bundesverwaltungsgericht

    Urt. v. 01.07.1987

    Az.: BVerwG 1 C 25.85

    In dem Verwaltungsstreitverfahren
    hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
    auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 1987
    durch
    die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Barbey, Meyer, Dr. Diefenbach, Gielen und Dr. Kemper
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 1985 wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
    Gründe
    1

    I.

    Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist gemäß § 4 ihres Gesellschaftsvertrages vom 26. September 1978 die Durchführung von Schülernachhilfekursen in Einzel- und Gruppenunterricht für alle Schularten sowie die Durchführung von Schreibmaschinen- und Sprachkursen. Nach den Anmeldebedingungen haben die Schüler bei der Klägerin die Möglichkeit, regelmäßig ihre Hausaufgaben zu erledigen. Zur Durchführung ihres Unternehmens unterhält die Klägerin in zahlreichen Städten des Bundesgebietes Zweigniederlassungen.
    2

    Mit Schreiben vom 16. August 1982 bat der Beklagte die Klägerin, ihre gesetzliche Pflicht zur gewerberechtlichen Anzeige ihrer Zweigniederlassung in Düren zu erfüllen. Nachdem die Klägerin dies abgelehnt hatte, forderte er sie durch Ordnungsverfügung vom 20. Januar 1983 auf, ihrer Anzeigepflicht nach § 14 der Gewerbeordnung (GewO) spätestens bis zum 15. Februar 1983 nachzukommen. Zur Begründung bezog er sich auf ein an die Klägerin gerichtetes Schreiben des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. September 1982. Darin wurde ausgeführt, daß die Klägerin nach ihrer Werbung in der Presse die Beaufsichtigung von Hausaufgaben anbiete. Daher übe sie keine dem Unterrichtswesen zuzurechnende Tätigkeit aus. Hierzu gehöre nur der Unterricht an öffentlichen Schulen oder an Ersatz- und Ergänzungsschulen. Bei Nachhilfeunterricht durch natürliche Personen finde zwar die Gewerbeordnung in der Regel keine Anwendung, weil es sich um freiberufliche Tätigkeit höherer Art handele; bei Nachhilfeunterricht durch eine juristische Person sei die Gewerbeordnung hingegen anwendbar. Für den Fall, daß die Klägerin der Aufforderung zur Erfüllung ihrer Anzeigepflicht nicht nachkommen sollte, drohte der Beklagte in der Ordnungsverfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 100 DM an. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, den der Oberkreisdirektor des Kreises Düren durch Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1983 zurückwies.
    3

    Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt,

    die Ordnungsverfügung des Beklagten - mit Ausnahme der Zwangsgeldandrohung - und den Widerspruchsbescheid aufzuheben.
    4

    Sie hat vorgetragen: Nach § 6 GewO finde die Gewerbeordnung auf Einrichtungen des Unterrichtswesens und damit auch auf sie keine Anwendung. Ihr Betrieb stelle eine Ergänzungsschule dar. Dies ergebe sich auch aus ihrer Befreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 21 b UStG, die aufgrund zahlreicher Bescheinigungen verschiedener Schulbehörden erfolgt sei. Mehrere Wirtschaftsminister anderer Bundesländer hätten ihr mitgeteilt, daß sie als freie Einrichtung dem Unterrichtswesen i.S. des § 6 GewO zugerechnet werde. Sie unterliege daher nicht der Anzeigepflicht nach § 14 GewO. Im übrigen müsse Nachhilfeunterricht, unabhängig davon, ob er von juristischen oder natürlichen Personen erteilt werde, als Dienstleistung höherer Art gewertet werden, die der Gewerbeordnung nicht unterfalle.
    5

    Das Verwaltungsgericht Aachen hat die Klage abgewiesen (GewArch 1985, 17). Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen: Sie verfolge ein besonderes pädagogisches Konzept, das sich aus der von ihr vorgelegten Ausarbeitung über Ziel und Inhalt ihres Unterrichts ergebe. Über die reine Stoffvermittlung hinaus strebe sie auch die Persönlichkeitsbildung ihrer Schüler an. Die von ihr angebotene Hausaufgabenbetreuung stehe nicht im Vordergrund, sie habe nur die Funktion, Wissens- und Verständnislücken aufzudecken. Ihre Lehrkräfte verfügten fast ausnahmslos über das Zweite Staatsexamen. In zahlreichen zivilgerichtlichen Urteilen sei ihr daher bescheinigt worden, daß sie Dienstleistungen höherer Art im Sinne des § 627 BGB erbringe. Diese Bewertung müsse auch im öffentlichen Recht gelten.
    6

    Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Berufung durch Urteil vom 10. Juni 1985 (GewArch 1985, 372) zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Verwaltungsakte seien durch § 14 Abs. 1 GewO gedeckt. Die Klägerin betreibe ein Gewerbe, sie biete nicht etwa Dienstleistungen höherer Art an, die eine höhere Bildung voraussetzten. Hauptbestandteil der Tätigkeit der Klägerin sei die Hausaufgabenbetreuung. Diese könne ihrer Art nach von Schülern einer höheren Jahrgangsstufe und von Studenten geleistet werden, es bedürfe dazu keiner höheren Bildung. Daß Zivilgerichte die Dienstleistungen der Klägerin als solche höherer Art im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB eingeordnet hätten, sei unerheblich, da es insoweit, anders als für die Abgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten, nicht auf die höhere Bildung ankomme. Die Klägerin sei von der Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 GewO auch nicht aufgrund des § 6 GewO befreit, denn sie sei keine Einrichtung des Unterrichtswesens im Sinne dieser Vorschrift. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Begriff des Unterrichtswesens nur das Schulwesen im Sinne des Art. 7 GG erfasse oder auch andere Arten von Unterrichtseinrichtungen, die landesgesetzlich geregelt seien. Im Land Nordrhein-Westfalen bestünden keine landesgesetzlichen Regelungen über Unterrichtseinrichtungen der von der Klägerin betriebenen Art. Die Klägerin sei insbesondere weder eine Ersatznoch eine Ergänzungsschule im Sinne des Schulverwaltungsgesetzes. Aus den von ihr vorgelegten Bescheinigungen ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die Auffassung, daß unter den Begriff Unterrichtswesen im Sinne des § 6 GewO auch solche mit Unterrichtserteilung in Zusammenhang stehende Einrichtungen fielen, für die es keine landesgesetzliche Regelung gebe, sei abzulehnen, da sie mit Sinn und Zweck des § 6 GewO in historischer und systematischer Betrachtungsweise nicht vereinbar sei.
    7

    Hiergegen hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und trägt im wesentlichen dazu vor: Die Feststellung des Berufungsgerichts, Hauptbestandteil ihrer Tätigkeit sei eine Hausaufgabenbetreuung, die keine höhere Bildung erfordere, beruhe auf einer Verletzung der Aufklärungspflicht. Das Berufungsgericht habe sich hier im wesentlichen auf eine Verwertung der "Anmeldebedingungen" beschränkt. Es wäre aber mit Rücksicht auf das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Juni 1985 überreichte pädagogische Konzept ein Augenschein oder eine Begutachtung durch einen Sachverständigen geboten gewesen. Durch eine solche Beweisaufnahme hätte sich bestätigt, daß - gemäß dem pädagogischen Konzept - für jeden Schüler anhand des Schulstoffes, der Hausaufgaben und Klassenarbeiten eine Analyse des Ist-Standes angefertigt und sodann ein langfristiges Arbeitskonzept erstellt werde mit dem Ziel, Wissenslücken durch Wiederholung und Vertiefung zu beseitigen und mit spezifischen Methoden - z.B. Prüfungssimulation - einen schnellen Anschluß an den aktuellen Schulstoff zu ermöglichen. Die Behauptung des Berufungsgerichts, in einer Gruppe von sechs Schülern einen echten Förderungsunterricht anbieten zu wollen, sei nicht möglich, zumal solche Leistungen nicht zu einem Stundenpreis von 5 DM gewährt werden könnten, stelle eine unzulässige Vorwegnahme der Beweisaufnahme dar. Daß die von der Klägerin beschäftigten Lehrkräfte die erforderliche höhere Bildung tatsächlich aufwiesen, sei schon in den Vorinstanzen vorgetragen worden. Soweit das Berufungsgericht diesbezüglich eine ausreichende Substantiierung vermißt habe, hätte es der Klägerin einen Hinweis geben müssen. Die Klägerin sei außerdem aufgrund des § 6 GewO von der Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 GewO befreit. Das Berufungsgericht begründe seine gegenteilige Ansicht damit, daß das Unterrichtswesen insoweit von der Gewerbeordnung erfaßt werde, als der Landesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht habe. Damit werde jedoch Art. 72 Abs. 1 GG verkannt. Überdies sei der Wortlaut des § 6 GewO eindeutig. Die Unanwendbarkeit der Gewerbeordnung auf das Unterrichtswesen führe auch nicht zu unerträglichen Konsequenzen, denn das Sicherheits- und Ordnungsrecht der Länder biete für den Notfall die erforderliche Eingriffsgrundlage. So verhalte es sich auch auf anderen Rechtsgebieten, z.B. dem der landwirtschaftlichen Urproduktion und der Heilhilfsberufe. Im übrigen sei das Berufungsgericht bei der Verneinung des Schulcharakters der Klägerin von einem Sachverhalt ausgegangen, den das Gericht - wie bereits erwähnt - unzureichend aufgeklärt habe. Die Klägerin beantragt,

    die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 1985 und des Verwaltungsgerichts Aachen vom 4. April 1984 sowie die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 20. Januar 1983 und den Widerspruchsbescheid des Oberkreisdirektors des Kreises Düren vom 23. Juni 1983 aufzuheben.
    8

    Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.
    9

    Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er vertritt die Ansicht, § 6 GewO gelte nicht für Unterrichtseinrichtungen, die nicht durch Landesrecht geregelt seien. Er stimmt dem Berufungsgericht darin zu, daß eine Tätigkeit, die ohne weiteres von Schülern höherer Klassen ausgeübt werden könne, grundsätzlich unter den Gewerbebegriff falle. Anders verhalte es sich bei einem gezielten Nachhilfeunterricht, der auf einem Niveau erteilt werde, das grundsätzlich nur von voll ausgebildeten Lehrkräften erreicht werde.
    10

    II.

    Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, sind die angefochtenen Bescheide, durch die die Klägerin zur Anzeige des Betriebs ihrer Zweigniederlassung in Düren aufgefordert worden ist, rechtmäßig.
    11

    1.

    Rechtsgrundlage der Bescheide ist § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach muß, wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes oder den Betrieb einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, dies der für den betreffenden Ort zuständigen Behörde anzeigen. Hieraus ergibt sich zugleich, daß die zuständige Behörde im Einzelfall durch Verwaltungsakt zur Erfüllung der Anzeigepflicht auffordern kann, wenn der Anzeigepflichtige dem Gesetzesbefehl nicht von sich aus nachkommt (Urteil vom 24. Juni 1976 - BVerwG 1 C 56.74 - GewArch 1976, 293). Die Klägerin betreibt - auch in ihrer Zweigniederlassung in Düren - ein Gewerbe im Sinne des § 14 GewO.
    12

    Gewerbe in diesem Sinne ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats jede nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene), auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe (freie wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeit höherer Art sowie persönliche Dienstleistungen höherer Art, die eine höhere Bildung erfordern) und bloße Verwaltung eigenen Vermögens (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1976, a.a.O.). An dieser allgemein anerkannten Definition hält der Senat fest, namentlich auch daran, daß es bei dem Ausnahmetatbestand der "persönlichen Dienstleistungen höherer Art" darauf ankommt, ob sie eine "höhere Bildung" erfordern oder nicht, unter "höherer Bildung" ist hier grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium zu verstehen (vgl. Urteil vom 15. Januar 1970 - BVerwG 1 C 17.68 - GewArch 1970, 125 <127>; VGH Mannheim, GewArch 1972, 271; Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 14. Aufl., Stand 1986, § 14 RdNr. 19; Fröhler/Kormann, Gewerbeordnung, 1978, § 1 RdNr. 6). Der Senat sieht keinen Anlaß, insoweit geringere Anforderungen zu stellen und dadurch den Gewerbebegriff und den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung einzuschränken.
    13

    Die Klägerin erfüllt diesen Ausnahmetatbestand einer freiberuflichen Tätigkeit nicht. Es bedarf keiner Erörterung, ob dies - entsprechend der Meinung des Beklagten - schon daraus folgt, daß die Klägerin eine juristische Person ist. Auch wenn man von der rechtlichen Organisation der Klägerin absieht und nur auf ihr Leistungsangebot abstellt, ergibt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Dienstleistungen, die das Leistungsangebot der Klägerin prägen und daher für die rechtliche Einordnung ihrer Tätigkeit maßgebend sind (vgl. Urteil vom 15. Januar 1970, a.a.O.), keine höhere Bildung im dargelegten Sinne voraussetzen.
    14

    Das Berufungsgericht hat - unter Auswertung des von den Schülern der Klägerin benutzten Anmeldeformulars, in dem deren Leistungsangebot beschrieben wird, ferner von Zeitungsanzeigen der Klägerin sowie der Angaben der Klägerin über Form und Preis ihrer Schülerbetreuung - festgestellt: Hauptbestandteil und prägendes Element sei die Hausaufgabenbetreuung. Grundsätzlich würden die Schüler nach Altersklassen und Fächerschwerpunkten in Gruppen von etwa sechs eingeteilt. Da die Schüler von verschiedenen Schulen kämen und da ihre Lernschwierigkeiten nach Art und Ausmaß völlig verschieden seien, sei ein intensiver Förderunterricht, der die individuellen Wissenslücken analysiere und nach einem auf jeden einzelnen Schüler zugeschnittenen Plan ausgleiche, von vornherein ausgeschlossen; ein solcher Förderunterricht könnte auch nicht zum Stundenpreis von 5 DM erteilt werden. Vielmehr erledigten die Schüler ihre Aufgaben unter der Aufsicht und Anleitung einer Betreuungsperson, die ihnen helfe, mit den in diesem Rahmen auftretenden Schwierigkeiten fertigzuwerden. Die hierzu erforderlichen Hilfeleistungen könnten ohne weiteres von Schülern einer höheren Jahrgangsstufe oder von Studenten erbracht werden. Zwar biete die Klägerin neben den Gruppenkursen auch sog. Intensiv-Kurse für jeweils nur ein oder zwei Schüler an, in denen größere Wissenslücken und Verständnisschwierigkeiten aufgearbeitet würden. Bei diesem Angebot handele es sich aber nur um eine Ergänzung der vorerwähnten Leistungen der Klägerin; diese Ergänzung sei nicht geeignet, das Gesamtbild grundlegend zu verändern. Unter diesen Umständen könne dahinstehen, ob die im Berufungsrechtszug aufgestellte, von früheren Angaben abweichende und völlig unsubstantiierte Behauptung der Klägerin zutreffe, ihre Lehrkräfte verfügten fast ausnahmslos über das Zweite Staatsexamen. Diese berufungsgerichtliehen Feststellungen sind für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO).
    15

    Allerdings erhebt die Revision die Rüge unzureichender Sachaufklärung; sie macht geltend: Das Berufungsgericht habe sich im wesentlichen darauf beschränkt, ihre "Anmeldebedingungen" auszulegen. Diese ergäben aber keinen hinreichenden Aufschluß. Zudem sei die Auslegung mangelhaft. In den Anmeldebedingungen werde auf das Unterrichtskonzept der Klägerin hingewiesen, so daß sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachaufklärung durch Augenschein oder durch Sachverständigengutachten hätte aufdrängen müssen. Durch eine solche Beweisaufnahme hätte sich bestätigt, daß die Klägerin so verfahre, wie es in der erwähnten Ausarbeitung beschrieben werde: Anhand des Schulstoffes, der Hausaufgaben und der Klassenarbeiten werde für jeden Schüler eine Analyse des Ist-Standes angefertigt. Diese sei Grundlage eines für jeden Schüler erstellten langfristigen Arbeitskonzepts. Generell gehe es der Klägerin auch um die Persönlichkeitsbildung der Schüler. Sie führe also einen echten Förderunterricht durch. Daß ein solcher bei Gruppen von sechs Schülern und zum Stundenpreis von 5 DM nicht möglich sei, stelle eine unzulässige Vorwegnahme der Beweisaufnahme dar. Eine besondere Sachkunde auf dem Gebiet des Nachhilfeunterrichts komme dem Berufungsgericht nicht zu. Soweit das Berufungsgericht mangelnde Substantiierung der Behauptung der Klägerin über die Ausbildung ihrer Lehrkräfte rüge, hätte es eines Hinweises bedurft, in welcher Weise eine nähere Substantiierung gewünscht werde.
    16

    Diese Aufklärungsrüge kann indessen keinen Erfolg haben. Dafür, daß die Einnahme eines Augenscheins geboten gewesen wäre, legt die Revision nichts dar. Ein Augenschein dient der sinnlichen Wahrnehmung der äußeren Beschaffenheit einer Sache, eines Menschen oder eines konkreten Vorgangs. Die Revision macht nicht ersichtlich, welche sinnlich wahrnehmbaren Einzelheiten der Unterrichtsgestaltung noch hätten aufgeklärt werden müssen. Dem Berufungsgericht brauchte sich entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzudrängen. Das Berufungsgericht hat aus bestimmten, von der Klägerin nicht bestrittenen Tatsachen Schlüsse auf die Art der Leistungen der Klägerin gezogen, insbesondere den Schluß, ihre Tätigkeit bestehe im wesentlichen nicht in einem individuell ausgerichteten intensiven Förderunterricht, sondern in Hausaufgabenbetreuung, wie sie von älteren Schülern oder Studenten erbracht werden könne und in zahllosen Fällen auch erbracht werde. Diese Schlußfolgerung wäre revisionsgerichtlich unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht nur zu beanstanden, wenn sich das Berufungsgericht damit eine Sachkunde zugeschrieben hätte, die ihm keinesfalls zur Verfügung stehen kann, oder wenn seine Entscheidungsgründe auf mangelnde Sachkunde schließen ließen (vgl. z.B. Beschluß vom 10. Februar 1978 - BVerwG 1 B 13.78 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8). Beides trifft nicht zu. Die Würdigungen und Schlußfolgerungen, die das Berufungsgericht vorgenommen hat, liegen nicht außerhalb des Bereichs, in dem ein Richter aufgrund seiner Lebenserfahrung urteilsfähig ist. Zu Zweifeln hieran geben die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils keinen Anlaß. Von einer unzulässigen "Vorwegnahme der Beweisaufnahme" kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Was die - vom Berufungsgericht als unsubstantiiert bezeichnete - Behauptung der Klägerin betrifft, ihre Lehrkräfte verfügten fast ausnahmslos über das Zweite Staatsexamen, so scheidet insoweit eine Verletzung der Aufklärungspflicht schon deshalb aus, weil es nach der - zutreffenden - materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts auf die Richtigkeit dieser Behauptung nicht ankommt, sondern nur darauf, welche Ausbildung für die ordnungsgemäße Durchführung der Hausaufgabenbetreuung erforderlich ist.
    17

    Demnach hat der erkennende Senat von folgenden Tatsachen auszugehen: Die Klägerin hält nicht etwa vorwiegend einen privaten Unterricht ab, in dem der Lehrer dem Schüler - ähnlich wie im Schulunterricht, jedoch unter noch stärkerer Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse des Schülers - planmäßig Wissen und Verständnis in einem bestimmten Schulfach vermittelt. Andererseits beschränkt sich die Tätigkeit der Klägerin nicht auf reine Beaufsichtigung der Schüler. Es handelt sich im wesentlichen um "mehr" als bloße Beaufsichtigung und um "weniger" als Schulunterricht, nämlich um Überwachung und Hilfestellung für kleine Schülergruppen bei der Erledigung der Hausaufgaben. Da dies eine andere Leistung als die Lehrtätigkeit des Lehrers in der Schule ist, kann für sie nicht dieselbe Ausbildung wie für einen Lehrer verlangt werden. Für die beschriebene Art der Hausaufgabenbetreuung sind freilich Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die über diejenigen der zu betreuenden Schüler hinausgehen; die Lehrkraft muß den Stoff, der Gegenstand der Hausaufgaben ist, vollständig beherrschen und erklären können. Das Berufungsgericht hat sinngemäß festgestellt, hierzu seien gute Schüler einer höheren Jahrgangsstufe und Studenten des betreffenden Faches ohne weiteres in der Lage. Dies läßt sich revisionsgerichtlich nicht beanstanden. Eine höhere Dienstleistung, für die eine "höhere Bildung", nämlich ein Hochschul- oder Fachhochschulabschluß, erforderlich wäre, liegt somit nicht vor. Ob die Klägerin im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB "Dienste höherer Art" leistet, "die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen", ist für die gewerberechtliche Beurteilung unerheblich.
    18

    2.

    Der Senat stimmt dem Berufungsgericht auch darin zu, daß die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin nicht aufgrund des § 6 GewO von der Anmeldepflicht nach § 14 GewO freigestellt ist.
    19

    Nach § 6 Satz 1 GewO finden die Vorschriften der Gewerbeordnung mit Ausnahme der §§ 24 bis 24 d und 120 c Abs. 5 keine Anwendung u.a. auf das "Unterrichtswesen". Das Berufungsgericht rechnet die Tätigkeit der Klägerin zu Recht nicht dem "Unterrichtswesen" zu. Es läßt dabei offen, ob der Auffassung des erstinstanzlichen Urteils zu folgen ist, wonach der Begriff "Unterrichtswesen" mit dem des "Schulwesens" im Sinne des Art. 7 GG übereinstimmt (so auch OVGLüneburg, GewArch 1977, 368), oder ob - gemäß der in Rechtsprechung und Literatur überwiegenden Ansicht - der Begriff "Unterrichtswesen" im Sinne des § 6 GewO alle Unterrichtsveranstaltungen umfaßt, die landesrechtlich geregelt sind. Der erkennende Senat teilt - wie der Oberbundesanwalt - die zuletzt genannte Ansicht.
    20

    Gegen die engere Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht, daß der Begriff "Unterrichtswesen" nach dem Wortsinn weiter ist als der Begriff "Schulwesen". Das Argument, § 6 GewO trage der verfassungsrechtlichen Lage Rechnung und danach sei nur das Schulwesen im Sinne des Art. 7 GG, nicht aber das sonstige Unterrichtswesen einer bundesrechtlichen Regelung im Rahmen des Gewerberechts (Art. 74 Nr. 11 GG) entzogen, kann die Auslegung des Verwaltungsgerichts nicht rechtfertigen. Auch wenn diese verfassungsrechtliche These, was keiner Erörterung bedarf, richtig sein sollte, ist der Bundes-Gewerbegesetzgeber nicht gehindert, sich auf dem gesamten Gebiet des Unterrichtswesens zugunsten der Länder zurückzuhalten. Dies hat er, wie noch auszuführen ist, getan. Davon geht auch die Gesetzgebungspraxis etlicher Bundesländer aus, die nicht nur für das Schulwesen, sondern auch für sonstige Unterrichtsveranstaltungen eingehende gesetzliche Regelungen mit Eingriffsermächtigungen, die dem § 35 GewO ähnlich sind, erlassen haben. Die Gültigkeit dieser Regelungen wäre in Frage gestellt, wenn die Gewerbeordnung auf gewerbsmäßig betriebene nichtschulische Unterrichtsveranstaltungen uneingeschränkt Anwendung fände.
    21

    Nach der Überzeugung des erkennenden Senats ist dies nicht der Fall. Der Begriff "Unterrichtswesen" im Sinne des § 6 GewO umfaßt entsprechend seinem Wortsinn auch nichtschulische Unterrichtsveranstaltungen - allerdings nur insoweit, als sie landesgesetzlich geordnet sind. Diese Auslegung ergibt sich zwar - mag auch der Ausdruck "Unterrichtswesen" bereits auf einen durch Rechtsnormen geregelten Unterricht hindeuten - nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift. Sie wird aber am besten dem Zweck der Bestimmung gerecht, wie er in den Materialien des Gesetzes zum Ausdruck kommt. Danach wollte der Gesetzgeber durch die Aufnahme des "Unterrichtswesens" in den Katalog des § 6 GewO sicherstellen, daß die gesamte Unterrichtsgesetzgebung der Länder unberührt bleibt (vgl. die amtliche Begründung des § 6 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund in: Reichstag des Norddeutschen Bundes, Sten.Berichte, 3. Band , 1869, S. 112). Dieser Absicht des Gesetzgebers, Normkonflikte zwischen dem die Erteilung von Unterricht regelnden Landesrecht und dem die Gewerbeausübung regelnden Reichs- bzw. Bundesrecht zu vermeiden, entspricht es, unter "Unterrichtswesen" im Sinne des § 6 GewO zwar nicht nur schulische, wohl aber nur landesgesetzlich geregelte Unterrichtsveranstaltungen zu verstehen. Infolgedessen unterliegen diejenigen Unterrichtsveranstaltungen, für die das Landesrecht keine (abschließende) Regelung trifft, (insoweit) der Gewerbeordnung, vorausgesetzt freilich, daß sie gewerblich betrieben werden. Daß der Gesetzgeber nicht jedweden Unterricht von der Geltung der Gewerbeordnung ausnehmen wollte, wird übrigens durch § 35 GewO in seiner ursprünglichen Fassung bestätigt, wonach "die Erteilung von Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht als Gewerbe ... denjenigen untersagt werden (darf), welche wegen Vergehen oder Verbrechen gegen die Sittlichkeit bestraft sind". Für die dargelegte Interpretation des Begriffs "Unterrichtswesen" spricht ferner, daß sie seit dem Jahre 1910 vom Reichsgericht (z.B. Urteile vom 28. Juni 1910, RGSt 44, 20 <22 f.>, und vom 20. Februar 1913, GewArch Erg. Bd. 1, 186 <188>) und von obersten Landesgerichten (z.B. Preuß. OVG, Urteil vom 26. Februar 1925, GewArch 23 <1926>, 70; Bay.ObLG, Urteil vom 9. Juni 1927, GewArch 25 <1928>, 336) vertreten wird und daß sich die Gesetzgebungs- und Verwaltungspraxis der Länder weithin darauf eingestellt hat. § 6 GewO enthält also nach Sinn und Zweck einen Vorbehalt für den Landesgesetzgeber dahin, daß die Gewerbeordnung zurücktritt, soweit für Unterrichtsveranstaltungen landesrechtliche Regelungen bestehen. Ein solcher bundesgesetzlicher Vorbehalt zugunsten des Landesgesetzgebers auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 11 GG) ist auch nach geltendem Verfassungsrecht unbedenklich.
    22

    Mit dieser Auslegung des Begriffs "Unterrichtswesen" ist zugleich die Auffassung abgewiesen, durch § 6 GewO sei das gesamte Unterrichtswesen vorbehaltlos von den Regelungen der Gewerbeordnung ausgenommen (so v. Ebner GewArch 1985, 1 ff., und 1985, 376 ff.). Diese Auffassung kann sich zwar auf den knappen Wortlaut des § 6 GewO berufen und erspart gewisse Abgrenzungsprobleme, hat aber den bereits erwähnten § 35 GewO a.F. gegen sich, der zeigt, daß die Anwendung der Gewerbeordnung auf Unterrichtsveranstaltungen nicht schlechthin ausgeschlossen sein soll. Außerdem erscheint es dem Senat eher sachgerecht, landesgesetzlich nicht geregelte gewerbliche Unterrichtsveranstaltungen nach der Gewerbeordnung zu behandeln, als sie - dies wäre die Folge einer Unanwendbarkeit der Gewerbeordnung - dem allgemeinen Polizeirecht zu unterstellen.
    23

    Die Hausaufgabenbetreuung, die nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts Hauptbestandteil und prägendes Element der Tätigkeit der Klägerin - auch in ihrer Zweigniederlassung in Düren - ist, gehört im Land Nordrhein-Westfalen nicht zum "Unterrichtswesen" im dargelegten Sinne. Wie das Berufungsgericht nämlich ausgeführt hat, enthält das nordrhein-westfälische Landesrecht keine Regelungen über Unterrichtseinrichtungen der von der Klägerin betriebenen Art. Es enthält zwar Bestimmungen über Privatschulen; doch erfüllen die Unterrichtsveranstaltungen der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsurteils den landesrechtlichen Schulbegriff nicht.
    24

    Die Aufklärungsrüge, die die Revision hiergegen erhebt, geht fehl. Die Revision meint, angesichts der Ausarbeitung über das pädagogische Konzept der Klägerin hätten sich dem Berufungsgericht Ermittlungen darüber aufdrängen müssen, ob die Klägerin - was das Verwaltungsgericht verneint habe - erzieherische Ziele, Persönlichkeitsbildung und soziale Lernziele verfolge. Bei dieser Rüge übersieht die Revision, daß das Berufungsgericht der Klägerin den Charakter einer Schule nicht nur aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen abspricht, sondern unabhängig davon auch deswegen, "weil sie keinen Unterricht nach einem von der Schulaufsichtsbehörde festgesetzten oder genehmigten Lehrplan erteilt" (UA S. 15). Wegen dieser zusätzlichen Begründung kann das Berufungsurteil auf dem angeblichen Aufklärungsmangel nicht beruhen.
    25

    3.

    Die Revision muß demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden.
    Streitwertbeschluss:

    Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4.000 DM festgesetzt.

    RechtsgebietGewOVorschriften§ 6 GewO; § 14 Abs. 1 GewO