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  • 09.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146559

    Europäischer Gerichtshof – C-518/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Europäischer Gerichtshof

    Schlussanträge v. 17.02.2016
    Az.: C-518/14 - Senatex

    1. Den rechtlichen Rahmen der vorliegenden Rechtssache bildet die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(2) . Insbesondere werden Fragen danach aufgeworfen, welche Wirkung der Berichtigung einer fehlerhaften oder unvollständigen Rechnung zu dem Zeitpunkt, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden kann, beizumessen ist, und ob eine solche Berichtigung zeitlich beschränkt werden kann.

    2. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich erläutern, warum ich der Ansicht bin, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, keine Wirkung für die Vergangenheit zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem die ursprüngliche Rechnung berichtigt wurde, und nicht für das Jahr, in dem sie ausgestellt wurde.

    3. Insoweit werde ich die Gründe darlegen, aus denen ich denke, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Ahndung des Unterbleibens zwingender Angaben vorsehen können, sofern diese den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, sowie Maßnahmen, die die Möglichkeit, eine fehlerhafte oder unvollständige Rechnung zu berichtigen, zeitlich beschränken, falls diese gleichermaßen für die entsprechenden auf innerstaatlichem Recht beruhenden steuerlichen Rechte und für die auf Unionsrecht beruhenden Rechte gelten (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).

    I – Rechtlicher Rahmen

    A – Unionsrecht

    4. Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

    „Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“

    5. Art. 167 der Richtlinie lautet:

    „Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.“

    6. In Art. 168 Buchst. a der Richtlinie heißt es:

    „Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

    a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden“.

    7. Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

    „Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

    a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen und [das] Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen“.

    8. Art. 179 der Richtlinie lautet:

    „Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird.

    Die Mitgliedstaaten können jedoch den Steuerpflichtigen, die nur die in Artikel 12 genannten gelegentlichen Umsätze bewirken, vorschreiben, dass sie das Recht auf Vorsteuerabzug erst zum Zeitpunkt der Lieferung ausüben.“

    9. Art. 219 der Richtlinie lautet:

    „Einer Rechnung gleichgestellt ist jedes Dokument und jede Mitteilung, das/die die ursprüngliche Rechnung ändert und spezifisch und eindeutig auf diese bezogen ist.“

    10. Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

    „Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:



    3. die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer im Sinne des Artikels 214, unter der der Steuerpflichtige die Gegenstände geliefert oder die Dienstleistung erbracht hat;

    …“

    11. Art. 239 der Richtlinie lautet:

    „Machen die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit nach Artikel 272 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe b Gebrauch, Steuerpflichtigen, die keine der in den Artikeln 20, 21, 22, 33, 36, 138 und 141 genannten Umsätze bewirken, keine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen, ist – sofern keine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde – auf der Rechnung die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Lieferers oder Dienstleistungserbringers und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers durch eine andere, von den betreffenden Mitgliedstaaten näher bestimmte Nummer, die so genannte Steuerregisternummer, zu ersetzen.“

    B – Deutsches Recht

    12. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005(3) bestimmt in seiner für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung (im Folgenden: UStG), dass ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen kann. Außerdem ist in dieser Bestimmung geregelt, dass die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraussetzt, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14 und 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine solche Rechnung muss u. a. alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Angaben enthalten.

    13. Die Vorsteuerbeträge können erst in dem Besteuerungszeitraum abgezogen werden, in dem alle materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des § 15 Abs. 1 UStG vorliegen.

    14. Nach § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in ihrer für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung kann eine Rechnung berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Es müssen nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden. Für die Berichtigung gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 UStG.

    15. In den Sonderfällen des unrichtigen oder unberechtigten Ausweises von Umsatzsteuer ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden. Nach dieser Bestimmung wirkt die Berichtigung von Rechnungen nicht zurück, sondern für den Zeitraum, in welchem dem Leistungsempfänger die berichtigte Rechnung übermittelt bzw. dem Berichtigungsantrag nach Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens entsprochen wird.

    16. Das vorlegende Gericht erläutert außerdem, dass die Abzugsberechtigung, wenn der Vorsteuerabzug wegen fehlender oder unzutreffender Rechnungsbestandteile versagt wird, durch Rechnungskorrektur zum Zeitpunkt der Berichtigung hergestellt werden kann. In diesem Fall bleibt das Umsatzsteueraufkommen für den Fiskus gleich, jedoch können sich fiskalische Mehrergebnisse zulasten des Unternehmers ergeben. Wird der Vorsteuerabzug nämlich erst Jahre später versagt, z. B. im Rahmen einer Außenprüfung, führen Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung in der Fassung, die für den im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum galt, zu erheblichen finanziellen Belastungen.

    II – Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

    17. Die Senatex GmbH (im Folgenden: Senatex) betreibt einen Großhandel mit Textilien. In ihren Steuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2011 gab sie an, einen Vorsteuerabzug aus den ihren Handelsvertretern erteilten Provisionsabrechnungen sowie aus den Rechnungen eines Werbegestalters (im Folgenden zusammen: streitige Rechnungen) vorgenommen zu haben.

    18. In der Zeit vom 11. Februar bis zum 17. Mai 2013 fand bei Senatex eine Außenprüfung des Finanzamts Hannover-Nord für die Jahre 2008 bis 2011 statt. Dabei wurde festgestellt, dass die streitigen, zwecks Vorsteuerabzugs eingereichten Rechnungen nicht den Anforderungen von § 15 Abs. 1 und § 14 Abs. 4 UStG entsprachen. Weder die Rechnungen selbst noch die dazugehörigen Unterlagen enthielten nämlich eine Steuernummer oder eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der betreffenden Handelsvertreter bzw. des Werbegestalters.

    19. Mit Datum vom 2. Mai 2013, noch während der Außenprüfung, berichtigte Senatex die Provisionsabrechnungen für die Jahre 2009 bis 2011 dergestalt, dass sie die Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des betreffenden Handelsvertreters ergänzte. Auch die Rechnungen des Werbegestalters wurden für die Jahre 2009 bis 2011 entsprechend berichtigt.

    20. Trotz dieser Berichtigungen erließ das Finanzamt Hannover-Nord am 2. Juli 2013 geänderte Steuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2011, in denen es darauf hinwies, dass der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen für die Jahre 2009 bis 2011 nicht vorgenommen werden könne, da seine Voraussetzungen erst zum Zeitpunkt der durchgeführten Berichtigungen, d. h. im Jahr 2013, und nicht in den Jahren 2009 bis 2011 vorgelegen hätten.

    21. Senatex legte daraufhin gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Außerdem stellte sich im Einspruchsverfahren heraus, dass für 2008 keine Berichtigungen der streitigen Rechnungen erfolgt waren. Mit Datum vom 11. Februar 2014 berichtigte Senatex daher die Provisionsabrechnungen für 2008, indem sie sie um die Angabe der Steuernummer bzw. der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der betreffenden Handelsvertreter ergänzte. Auch die Rechnungen des Werbegestalters wurden für das Jahr 2008 entsprechend berichtigt.

    22. Mit Bescheid vom 3. März 2014 hielt das Finanzamt Hannover-Nord an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen erst mit der Berichtigung der Rechnungen in den Jahren 2013 bzw. 2014 erfüllt gewesen seien. Eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung (ex tunc) sei nicht möglich.

    23. Gegen diesen Bescheid erhob Senatex am 5. März 2014 Klage beim vorlegenden Gericht. Sie ist der Auffassung, den Rechnungsberichtigungen komme Wirkung für die Vergangenheit zu, d. h. für die Streitjahre 2008 bis 2011, da sie vor der letzten Verwaltungsentscheidung, dem Bescheid vom 3. März 2014, erfolgt seien. Daher ersucht sie das vorlegende Gericht, die geänderten Umsatzsteuerbescheide des Finanzamts Hannover-Nord für die Jahre 2008 bis 2011 aufzuheben.

    III – Vorlagefragen

    24. Das Niedersächsische Finanzgericht, das Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Urteile des Gerichtshofs sowie der Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie hegt, hat entschieden, das Verfahren auszusetzen und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1. Ist die vom Gerichtshof im Urteil Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268) festgestellte Ex‑nunc ‑Wirkung einer erstmaligen Rechnungserstellung für den – hier vorliegenden – Fall der Ergänzung einer unvollständigen Rechnung durch die Urteile Pannon Gép Centrum (C‑368/09, EU:C:2010:441) und Petroma Transports u. a. (C‑271/12, EU:C:2013:297) insoweit relativiert, als der Gerichtshof in einem solchen Fall im Ergebnis eine Rückwirkung zulassen wollte?

    2. Welche Mindestanforderungen sind an eine der Rückwirkung zugängliche berichtigungsfähige Rechnung zu stellen? Muss die ursprüngliche Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten, oder kann diese später ergänzt werden mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Rechnung erhalten bleibt?

    3. Ist die Rechnungsberichtigung noch rechtzeitig, wenn sie erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erfolgt, das sich gegen die Entscheidung (Änderungsbescheid) der Finanzbehörde richtet?

    IV – Analyse

    25. Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 167, 178 Buchst. a, 179 und 226 Nr. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, keine Wirkung für die Vergangenheit zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem die ursprüngliche Rechnung berichtigt wurde, und nicht für das Jahr, in dem sie ausgestellt wurde.

    26. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, wenn die eine zwingende Angabe betreffende Berichtigung einer Rechnung nach Erlass einer Entscheidung erfolgt, mit der der Vorsteuerabzug versagt wurde, weil diese Angabe ursprünglich fehlte.

    27. Die erste und die zweite Frage veranlassen mich dazu, die Folgen einer Rechnungsberichtigung für den Zeitpunkt, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden kann, zu betrachten. Nach den deutschen Rechtsvorschriften führt die Rechnungsberichtigung nämlich nur für das Jahr, in dem die ursprüngliche Rechnung berichtigt wurde, zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug und nicht für das Jahr, in dem sie ausgestellt wurde.

    28. Nach Ansicht der deutschen Regierung ergibt sich aus den Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur ausgeübt werden kann, wenn gleichzeitig zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen müsse das Recht auf Vorsteuerabzug im Sinne von Art. 167 der Richtlinie entstanden sein, und zum anderen müsse der Steuerpflichtige die in ihrem Art. 178 vorgesehenen Bedingungen erfüllen, zu denen der Besitz einer gemäß den Art. 220 bis 236 sowie 238 bis 240 der Richtlinie ausgestellten Rechnung gehöre. Bei der Berichtigung einer Rechnung seien diese beiden Voraussetzungen jedoch erst zum Zeitpunkt der Berichtigung erfüllt und nicht zum Zeitpunkt der Ausstellung der ursprünglichen Rechnung. Daraus folge, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur zum Zeitpunkt der Berichtigung ausgeübt werden könne.

    29. Ich teile diese Ansicht aus folgenden Gründen nicht.

    30. Nach gefestigter Rechtsprechung ist das Recht auf Vorsteuerabzug ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, das grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann und das für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden kann(4) . Das Recht auf Vorsteuerabzug hat daher sofortigen und globalen Charakter. Wie der Gerichtshof außerdem regelmäßig in Erinnerung ruft, soll der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet auf diese Weise die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterliegen(5) .

    31. Nach Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Die für die Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts erforderlichen materiellen Voraussetzungen werden in Art. 168 Buchst. a der Richtlinie aufgezählt. Somit ist, um dieses Recht geltend machen zu können, zum einen erforderlich, dass der Betroffene Steuerpflichtiger im Sinne der Richtlinie ist, und zum anderen, dass die Gegenstände oder Dienstleistungen, auf die sich das Recht auf Vorsteuerabzug stützt, vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet werden und dass diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden(6) .

    32. Die Modalitäten für die Ausübung des Vorsteuerabzugs werden in Art. 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgezählt. Der Steuerpflichtige muss namentlich im Besitz einer gemäß Art. 226 der Richtlinie ausgestellten Rechnung sein(7), die u. a. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthält(8) .

    33. Diese Voraussetzungen, die der Steuerpflichtige erfüllen muss, um sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, wurden vom Gerichtshof als „formelle Voraussetzungen“ qualifiziert(9) . Sie stellen nicht die Voraussetzungen dar, die für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt sein müssen, sondern verschaffen den Steuerbehörden alle für die Erhebung der Umsatzsteuer erforderlichen Informationen und erlauben es ihnen, ihre Kontrolle auszuüben, um Steuerhinterziehungen zu verhindern(10) .

    34. Werden z. B. bei einer Kontrolle durch die Steuerbehörden Fehler oder Versäumnisse bei der Erstellung der Rechnung festgestellt, hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, sie zwecks Ausübung seines Rechts auf Vorsteuerabzug zu berichtigen. Diese Möglichkeit ist in Art. 219 der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelt, der lautet: „Einer Rechnung gleichgestellt ist jedes Dokument und jede Mitteilung, das/die die ursprüngliche Rechnung ändert und spezifisch und eindeutig auf diese bezogen ist.“ Der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass die Richtlinie es nicht verbietet, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen(11) .

    35. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage, wie sich die Berichtigung einer Rechnung in zeitlicher Hinsicht auf das Recht auf Vorsteuerabzug auswirkt.

    36. Insoweit führt das vorlegende Gericht die Urteile Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268), Pannon Gép Centrum (C‑368/09, EU:C:2010:441) sowie Petroma Transports u. a. (C‑271/12, EU:C:2013:297) an. Die beiden letztgenannten Urteile betreffen zwar die Berichtigung einer Rechnung zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug, doch wird darin nicht auf die Frage der zeitlichen Auswirkung einer solchen Berichtigung auf die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug eingegangen.

    37. So ging es im Urteil Pannon Gép Centrum (C‑368/09, EU:C:2010:441) um die Frage, ob die Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, nach der kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, wenn die Rechnung über die dem Steuerpflichtigen gelieferten Gegenstände oder die ihm erbrachten Dienstleistungen ursprünglich eine falsche Angabe enthielt, deren spätere Berichtigung nicht alle in den anwendbaren nationalen Vorschriften enthaltenen Voraussetzungen erfüllte(12) . Der Gerichtshof musste daher darüber entscheiden, ob die Berichtigung einer Rechnung zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug möglich ist und ob die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, weitere Bedingungen neben den von der Mehrwertsteuerrichtlinie auferlegten materiell- und formell-rechtlichen Voraussetzungen, im konkreten Fall eine fortlaufende Nummerierung der berichtigten Rechnung, vorzusehen(13) . Im Urteil Petroma Transports u. a. (C‑271/12, EU:C:2013:297) führte der Gerichtshof aus, dass das gemeinsame Mehrwertsteuersystem es nicht verbietet, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen, entschied aber, dass in der Rechtssache, in der sein Urteil erging, die notwendigen Informationen, um die Rechnungen zu vervollständigen und mit den Anforderungen in Einklang zu bringen, vorgelegt wurden, nachdem die Steuerverwaltung den Vorsteuerabzug versagt hatte, so dass vor Erlass ihrer Entscheidung die ihr zugeleiteten Rechnungen noch nicht berichtigt worden waren, um sie in die Lage zu versetzen, die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sowie ihre Kontrolle sicherzustellen(14) . Daher ist festzustellen, dass die Urteile Pannon Gép Centrum (C‑368/09, EU:C:2010:441) sowie Petroma Transports u. a. (C‑271/12, EU:C:2013:297) nicht zur Rückwirkung der zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorgenommenen Berichtigung einer Rechnung Stellung nehmen.

    38. Das Urteil Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268) scheint mir die These der deutschen Regierung nicht zu stützen. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich ausgeführt, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG(15) erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind(16) . Mit anderen Worten, so der Gerichtshof weiter, muss die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung bewirkt worden sein, und der Steuerpflichtige muss im Besitz einer Rechnung sein(17) . Im konkreten Fall verfügte die Terra Baubedarf-Handel GmbH zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihr Recht auf Vorsteuerabzug für ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit erbrachte Dienstleistungen ausübte, jedoch nicht über eine Rechnung. Sie konnte daher keine Zahlungen vornehmen und im Zeitraum des Vorsteuerabzugs keine Mehrwertsteuer abführen. Somit lag keine Belastung eines bestimmten Umsatzes mit Mehrwertsteuer vor(18) . Deshalb entschied der Gerichtshof, dass die beiden nach Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um den Grundsatz zu wahren, nach dem das Recht auf Vorsteuerabzug für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt wird.

    39. Die Rechtssache, in der das Urteil Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268) ergangen ist, unterscheidet sich daher von der vorliegenden Rechtssache dadurch, dass Senatex, anders als die Terra Baubedarf-Handel GmbH, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihr Recht auf Vorsteuerabzug ausübte, über Rechnungen verfügte und die Umsatzsteuer gezahlt hatte. Diese Steuer hat daher eine vorausgehende Umsatzstufe im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit von Senatex belastet. Das Urteil Terra Baubedarf-Handel kann somit meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache nicht angeführt werden, um geltend zu machen, dass der Gerichtshof die Rückwirkung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Anschluss an die Berichtigung einer Rechnung verbiete.

    40. Das Urteil Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268) scheint mir vielmehr die gegenteilige Ansicht zu stützen. In Rn. 35 dieses Urteils greift der Gerichtshof nämlich eine ständige Rechtsprechung auf, wonach das Recht auf Vorsteuerabzug für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt wird. So wird nach Art. 179 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie „[d]er Vorsteuerabzug … vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird“.

    41. Mit dem sofortigen Abzug wird u. a. bezweckt, die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu wahren und zu verhindern, dass dem Steuerpflichtigen dadurch, dass er ganz oder teilweise mit dieser Steuer belastet wird, ein finanzielles Risiko entsteht(19) . Deshalb muss nach Art. 179 der Mehrwertsteuerrichtlinie der Zeitraum, in dem der erworbene Gegenstand oder die erbrachte Dienstleistung belastet wurde und das Abzugsrecht entstehen lässt, mit dem Zeitraum übereinstimmen, in dem das Abzugsrecht ausgeübt wird. Von diesem Grundsatz gibt es in der Richtlinie nur eine Ausnahme, nämlich die, dass die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen, die nur die in Art. 12 der Richtlinie genannten gelegentlichen Umsätze bewirken, vorschreiben können, das Recht auf Vorsteuerabzug erst zum Zeitpunkt der Lieferung auszuüben(20) ; dieser Fall liegt hier nicht vor.

    42. Würde die Berichtigung einer Rechnung dazu führen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für den Zeitraum ausgeübt werden kann, in dem die Berichtigung erfolgt ist, und nicht, wie im Ausgangsverfahren, für den Zeitraum, in dem die Rechnung ausgestellt und beglichen worden ist, würde dies gegen den Grundsatz verstoßen, dass dieses Recht sofortigen Charakter hat. Es würde darüber hinaus zu einem nicht unerheblichen finanziellen Risiko für den Steuerpflichtigen führen, denn er könnte, falls die Steuerbehörden der Ansicht sind, dass er vor der Berichtigung der Rechnung sein Recht auf Abzug der entrichteten Mehrwertsteuer nicht ausüben konnte, zur Zahlung von Nachzahlungszinsen – wie im Übrigen in der Abgabenordnung vorgesehen – verpflichtet werden, obwohl der Mitgliedstaat keine Einbuße an Steuern erleidet, da das Umsatzsteueraufkommen im Ergebnis gleichbleibt(21) .

    43. Ich stelle keineswegs die Relevanz der Rechnung im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem in Abrede. Sie ist eine Art des Nachweises zur Ermöglichung der Erhebung der Mehrwertsteuer oder des Vorsteuerabzugs. Deshalb stellt der Unternehmer, der den Verkauf eines Gegenstands oder die Erbringung einer Dienstleistung in Rechnung stellt, eine Rechnung mit Umsatzsteuer aus und erhebt diese für den Staat. Die Rechnung wird es dem Steuerpflichtigen, der die Umsatzsteuer entrichtet hat, zugleich ermöglichen, dies nachzuweisen und die Vorsteuer abzuziehen. Insbesondere ermöglicht es die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer den Steuerbehörden, die Umsatzsteuer leichter zu erheben, indem der betreffende Steuerpflichtige identifiziert und das tatsächliche Bestehen der Umsätze kontrolliert wird, um Steuerhinterziehungen zu bekämpfen.

    44. Wie der Gerichtshof jedoch wiederholt entschieden hat, verlangt der tragende Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn die Steuerpflichtigen bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt haben(22) . Diese Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall umso zwingender, als das Fehlen der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vom Steuerpflichtigen, der die Rechnungen berichtigt hat, korrigiert wurde und somit auch die im Unionsrecht vorgesehenen formellen Anforderungen eingehalten werden.

    45. Insoweit sind die Mitgliedstaaten zwar gehalten, die Angaben der Steuerpflichtigen zu prüfen und alle einschlägigen Unterlagen zu kontrollieren, wenn sie den Steuerbetrag berechnen oder das tatsächliche Bestehen der Umsätze prüfen, doch hindert sie nichts daran, Sanktionen für den Fall vorzusehen, dass diese formellen Anforderungen nicht eingehalten werden. Die verhängte Sanktion hätte nämlich abschreckende Wirkung, durch die die Wirksamkeit der Pflicht gewährleistet würde, die in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben in der Rechnung aufzuführen, würde den Steuerpflichtigen ermuntern, künftig achtsamer zu sein, und würde es ermöglichen, den infolge des Versäumnisses und der erforderlichen Berichtigung der Rechnung entstandenen Verwaltungskosten Rechnung zu tragen(23) . Die Mitgliedstaaten sind jedoch gehalten, diese Zuständigkeit unter Wahrung des Unionsrechts und insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuüben.

    46. In der mündlichen Verhandlung hat die deutsche Regierung angegeben, der Umstand, dass – wie im Ausgangsrechtsstreit – das Recht auf Vorsteuerabzug aufgeschoben und dem säumigen Steuerpflichtigen Nachzahlungszinsen auferlegt würden, habe Sanktionscharakter. Ich bin jedoch der Ansicht, dass bei dieser Sanktion der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wird. Die zwingenden Angaben in der Rechnung, zu denen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gehört, sollen nämlich den Steuerbehörden die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer und die Kontrolle zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen ermöglichen. Wie in der mündlichen Verhandlung dargelegt, ist für mich jedoch nicht ersichtlich, wie die Steuerbehörden in einem solchen Fall zwischen einem gutgläubigen Steuerpflichtigen und einem Steuerhinterzieher unterscheiden können. Für den Steuerhinterzieher ist es im Übrigen einfacher, eine falsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer einzutragen und darauf zu hoffen, dass seine Erklärung durchs Netz schlüpft, statt keine Angaben zu machen, was gerade die Aufmerksamkeit der Steuerbehörden erregen und sie zu einer Kontrolle veranlassen würde. Nehmen wir an, ein gutgläubiger Steuerpflichtiger reicht mit seiner Erklärung eine Rechnung ein, die keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthält. Er würde sehr wahrscheinlich einer Prüfung durch die Steuerbehörden unterzogen und könnte sich in der gleichen Situation wie Senatex wiederfinden, d. h., sein Recht auf Vorsteuerabzug würde aufgeschoben, und ihm würden Nachzahlungszinsen auferlegt, was nicht unerhebliche finanzielle Folgen hat. Ein solches System scheint mir der Rechtssicherheit zu entbehren und nicht geeignet zu sein, Steuerhinterziehungen wirksam zu bekämpfen. Es könnte ferner dazu führen, dass ein gutgläubiger Steuerpflichtiger und ein Steuerhinterzieher in gleicher Weise mit Sanktionen belegt würden.

    47. Um Missbräuche zu verhindern, können die Mitgliedstaaten meines Erachtens auch Maßnahmen zur zeitlichen Begrenzung der Möglichkeit vorsehen, berichtigte Rechnungen einzureichen. Dies bringt mich zur dritten Frage des vorlegenden Gerichts, mit der es vom Gerichtshof wissen möchte, ob die Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, nach der einem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, wenn die Berichtigung einer zwingenden Angabe in einer Rechnung nach Erlass einer Entscheidung erfolgt, mit der der Vorsteuerabzug versagt wird, weil diese Angabe ursprünglich fehlte.

    48. Die Einführung von Maßnahmen, mit denen eine Frist festgelegt wird, um die Berichtigung fehlerhafter oder unvollständiger Rechnungen zeitlich zu beschränken, ist in der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht vorgesehen. Daher bin ich der Auffassung, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, solche Maßnahmen in ihrem nationalen Recht vorzusehen. Sie müssen sich vergewissern, dass die eingeführten Maßnahmen die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhalten.

    49. Im vorliegenden Fall mag das Verbot jeder Berichtigung nach einer Entscheidung der Steuerbehörden, mit der die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug versagt wird, übertrieben erscheinen und somit die Ausübung dieses Rechts in der Praxis unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

    50. Bisweilen kann der Steuerpflichtige nämlich erst im Stadium eines Steueränderungsbescheids – abgesehen von Fällen der Steuerhinterziehung – Kenntnis von einem Versäumnis oder einem Fehler in Bezug auf eine zwingende Angabe in der Rechnung erlangen. Wäre jede Berichtigung nach einer Entscheidung wie einem Änderungsbescheid verboten, könnte dies dazu führen, dass schlicht und einfach jede Berichtigung einer fehlerhaften oder unvollständigen Rechnung abgelehnt würde. Dies hätte zur – schwerwiegenden – Folge, dass dem Steuerpflichtigen sein Recht auf Vorsteuerabzug, ein grundlegendes Recht, das es ermöglicht, den Grundsatz der Steuerneutralität zu gewährleisten, entzogen würde. Hinzu kommt, dass der Fehler oder das Versäumnis oft dem Ersteller der Rechnung unterläuft, also dem Verkäufer von Gegenständen oder dem Erbringer von Dienstleistungen.

    51. Ich bin daher der Ansicht, dass das Urteil Petroma Transports u. a. (C‑271/12, EU:C:2013:297) in diesem Punkt einer weitgehenden Nuancierung bedarf(24) .

    52. Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die Art. 167, 178 Buchst. a, 179 und 226 Nr. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, keine Wirkung für die Vergangenheit zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem die ursprüngliche Rechnung berichtigt wurde, und nicht für das Jahr, in dem sie ausgestellt wurde. Insoweit können die Mitglie dstaaten Maßnahmen zur Ahndung des Unterbleibens zwingender Angaben vorsehen, sofern diese den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, sowie Maßnahmen, die die Möglichkeit, eine fehlerhafte oder unvollständige Rechnung zu berichtigen, zeitlich beschränken, falls diese gleichermaßen für die entsprechenden auf innerstaatlichem Recht beruhenden steuerlichen Rechte und für die auf Unionsrecht beruhenden Rechte gelten (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).
    V – Ergebnis

    53. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Niedersächsischen Finanzgericht zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

    Die Art. 167, 178 Buchst. a, Art. 179 und 226 Nr. 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, keine Wirkung für die Vergangenheit zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem die ursprüngliche Rechnung berichtigt wurde, und nicht für das Jahr, in dem sie ausgestellt wurde.

    Insoweit können die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Ahndung des Unterbleibens zwingender Angaben vorsehen, sofern diese den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, sowie Maßnahmen, die die Möglichkeit, eine fehlerhafte oder unvollständige Rechnung zu berichtigen, zeitlich beschränken, falls diese gleichermaßen für die entsprechenden auf innerstaatlichem Recht beruhenden steuerlichen Rechte und für die auf Unionsrecht beruhenden Rechte gelten (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).

    (1) .

    (2) – ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie.

    (3) – BGBl. 2005 I S. 386.

    (4) – Vgl. Urteil PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    (5) – Vgl. Urteil PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    (6) – Vgl. Urteil PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    (7) – Vgl. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie.

    (8) – Vgl. Art. 226 Nr. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie.

    (9) – Vgl. Urteile Collée (C‑146/05, EU:C:2007:549, Rn. 25), Polski Trawertyn (C‑280/10, EU:C:2012:107, Rn. 41) und PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 29).

    (10) – Vgl. zu den weiteren Pflichten, die die Mitgliedstaaten vorsehen können, um die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, Urteile Nidera Handelscompagnie (C‑385/09, EU:C:2010:627, Rn. 49 und 50) sowie VSTR (C‑587/10, EU:C:2012:592, Rn. 44 und 45).

    (11) – Urteile Pannon Gép Centrum (C‑368/09, EU:C:2010:441, Rn. 43 bis 45) sowie Petroma Transports u. a. (C‑271/12, EU:C:2013:297, Rn. 34).

    (12) – Vgl. Rn. 36 dieses Urteils.

    (13) – Vgl. Rn. 42 bis 45 dieses Urteils.

    (14) – Vgl. Rn. 21, 34 und 35 dieses Urteils.

    (15) – Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).

    (16) – Diese Bestimmung wurde durch Art. 179 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ersetzt.

    (17) – Urteil Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268, Rn. 34).

    (18) – Urteil Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268, Rn. 35).

    (19) – Zum Vortrag des Umsatzsteuerüberschusses auf den folgenden Steuerzeitraum vgl. Urteil Kommission/Ungarn (C‑274/10, EU:C:2011:530, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    (20) – Vgl. Art. 179 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie.

    (21) – Vgl. Rn. 5 der Vorlageentscheidung.

    (22) – Vgl. Urteile Nidera Handelscompagnie (C‑385/09, EU:C:2010:627, Rn. 50 und 51) sowie Polski Trawertyn (C‑280/10, EU:C:2012:107, Rn. 43). Vgl. auch, in Bezug auf die Pflicht, die Aufnahme einer steuerpflichtigen Tätigkeit anzuzeigen, Urteil Dankowski (C‑438/09, EU:C:2010:818, Rn. 33 bis 36) und, in Bezug auf Aufzeichnungs- und Erklärungsfehler, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegende Vorgänge berühren, Urteil Ecotrade (C‑95/07 und C‑96/07, EU:C:2008:267, Rn. 63).

    (23) – Ich weise insoweit darauf hin, dass mehrere Mitgliedstaaten solche Geldbußen vorsehen (vgl. Art. 70 des belgischen Mehrwertsteuergesetzbuchs, Art. 77 des luxemburgischen Gesetzes über die Mehrwertsteuer oder auch Art. 1737 des französischen Allgemeinen Steuergesetzbuchs).

    (24) – In diesem Urteil hat der Gerichtshof Folgendes ausgeführt: „In der Tat verbietet das gemeinsame Mehrwertsteuersystem nicht, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen. Wenn alle für das Recht auf Vorsteuerabzug notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, kann ihm dieses Recht daher grundsätzlich nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt“ (Rn. 34, Hervorhebung nur hier).