Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 26.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196717

    Verwaltungsgericht Würzburg: Beschluss vom 17.07.2017 – W 3 M 15.30112

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Nr. W 3 M 15.30112

    Bayerisches Verwaltungsgericht Würzburg

    In der Verwaltungsstreitsache

    xxx
        - Kläger -
    bevollmächtigt:

    xxx

    gegen

    Bundesrepublik Deutschland,
    vertreten durch das Bundesamt für Migration
    und Flüchtlinge,
    Außenstelle Zirndorf,
    Rothenburger Str. 29, 90513 Zirndorf,
        - Beklagte -

    wegen

    Antrags auf Entscheidung des Gerichts gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss,

    erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 3. Kammer,

    durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Hansen
    als Einzelrichter
    ohne mündliche Verhandlung am 17. Juli 2017
    folgenden

    Beschluss:

    I.    Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

    II.    Der Erinnerungsführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

    Gründe:

    I.

    Der Kläger (Erinnerungsführer des vorliegenden Verfahrens) erhob unter dem Aktenzeichen W 3 K 10.30354 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland. In der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2012 ließ er beantragen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 16. November 2011 zu verpflichten festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Zur mündlichen Verhandlung am 15. März 2012 war der Bevollmächtigte des Klägers aus Frankfurt am Main nach Würzburg angereist. Mit Urteil vom 20. März 2012 verpflichtete das Gericht die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2011, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen und erlegte der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf.

    Mit Schreiben vom 28. Dezember 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, Kosten in Höhe von insgesamt 610,96 EUR gemäß § 104 ZPO festzusetzen. Hierin enthalten waren Fahrtkosten in Höhe von 11,00 EUR (ein Drittel von 33,00 EUR wegen Vertretung in drei Verfahren am selben Sitzungstag), dies unter Vorlage einer Bahnfahrkarte von Frankfurt nach Würzburg und zurück.

    Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Januar 2015 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg die außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers auf 607,96 EUR fest. Während sie die übrigen im Schreiben vom 28. Dezember 2014 genannten Positionen wie beantragt anerkannte, setzte sie als Bahnfahrtkosten fiktive Kosten für die Strecke Aschaffenburg-Würzburg und zurück (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7004 VV RVG) anteilig mit 8,00 EUR fest. Dies begründete sie damit, es hätten nur die fiktiven Reisekosten eines Aschaffenburger Anwaltes als notwendig i.S. des § 162 Abs. 1 VwGO anerkannt werden können, da erstattungsfähig nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten seien; dazu zählten in der Regel die Kosten eines in der Nähe des Wohn- bzw. Geschäftsorts der Partei oder des angerufenen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts. Der Klägerbevollmächtigte habe am 15. März 2012 in drei mündlichen Verhandlungen drei Kläger, die in Aschaffenburg wohnhaft seien, vertreten. Die fiktiv ab Aschaffenburg errechneten Bahnfahrtkosten seien daher anteilig zu einem Drittel festsetzungsfähig.

    Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Januar 2015 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 11. Februar 2015

                Entscheidung des Gerichts.

    Dies wurde damit begründet, der Kläger sei von seinem Bevollmächtigten bereits im behördlichen Verfahren vertreten worden, sodass grundsätzlich ein Anwaltswechsel für das Klageverfahren nicht mehr gefordert werden könne. Dass der Kläger nicht schon im behördlichen Verfahren einen Rechtsanwalt mit Sitz an seinem Wohnort beauftragt habe, könne ihm nicht als unwirtschaftliches Verhalten entgegengehalten werden, da im behördlichen Verfahren durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes keine Mehrkosten entstünden.

    Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Gericht vor. Dies wurde damit begründet, Reisekosten des Anwaltes seien gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Regel nur erstattungsfähig, wenn dieser seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz des Mandanten oder in dessen Nähe habe. Dabei seien Rechtsanwaltskosten nur bis zur Grenze der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen erstattungsfähig. Dies gelte auch für die Beauftragung eines sogenannten „auswärtigen“ Rechtsanwaltes. Die Erstattungsfähigkeit orientiere sich am Grundsatz der Kostenminimierungspflicht. Der in Aschaffenburg wohnhafte Kläger habe die Möglichkeit gehabt, bereits im Verfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unschwer einen in Aschaffenburg oder im Gerichtsbezirk ansässigen, im Asylrecht erfahrenen Rechtsanwalt hinzuziehen zu können. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass nur der Bevollmächtigte des Klägers zur entsprechenden Rechtsverfolgung in der Lage gewesen sei. Die Wahl eines „auswärtigen“ Anwalts bleibe nur dann ohne kostenrechtliche Nachteile, wenn der Kläger den Nachweis eines besonderen Vertrauensverhältnisses führen könne oder sonst gute Gründe für die Beauftragung des auswärtigen Anwaltes vorlägen. Hierzu sei im vorliegenden Fall nichts vorgetragen.

    Der Bevollmächtigte des Klägers nahm dahingehend Stellung, eine Kostenminimierungspflicht im gerichtlichen Verfahren lasse sich nicht auf das vor­angehende behördliche Verfahren vorverlagern. Die dort bestehende freie Wahl des Anwalts könne nicht in einem nicht vorherzusehenden gerichtlichen Verfahren im Nachhinein beschränkt werden. Die Gestaltung des Mandatsverhältnisses könne nicht Sache des Gerichts sein.

    Die Beklagte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

    Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte W 3 K 10.30354 Bezug genommen.

    II.

    Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Januar 2015 wurde vom Klägerbevollmächtigten lediglich insoweit angegriffen, als der Kostenfestsetzungsbeschluss die geltend gemachten Fahrtkosten (Nr. 7004 VV RVG) in Höhe von 11,00 EUR nur in Höhe von 8,00 EUR als erstattungsfähig festgesetzt hat. 

    Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 30. Januar 2015 durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, da auch der Einzelrichter die zugrundeliegende Kostenlastentscheidung getroffen hat. Denn das Kostenfestsetzungsverfahren stellt ein von der Kostenlastentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren dar, sodass das Gericht über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung entscheidet, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde; bei einer Entscheidung durch den Einzelrichter ist dieser auch im Erinnerungsverfahren zuständig (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 22. Auflage 2016, § 165 Rn. 3).

    Die gegen in den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 10. Januar 2015 erhobene Erinnerung ist nach § 165, § 151 VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.

    Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Eine Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines nicht am Sitz des Gerichts tätigen oder wohnenden Rechtsanwalts nur erstattungsfähig seien, wenn seine Zuziehung notwendig war, kennt die VwGO nicht. Die für den Zivilprozess insoweit in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene Regelung findet über § 173 VwGO keine Anwendung. Der Gesetzgeber wollte die Parteien im Verwaltungsprozess bei der Wahl eines Bevollmächtigten freier stellen (BVerwG, B.v. 11.9.2007 – 9 KSt 5/07 – NJW 2007, 3656).

    Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Anwalts zur Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO steht, wonach es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen handeln muss (BVerwG a.a.O.). Der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat. Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beauftragte Rechtsanwalt seine Kanzlei weder am Wohnsitz des Mandanten noch am Gerichtssitz hat, sind grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Gründe erstattungsfähig. Dies kann der Fall sein, wenn der beauftragte Anwalt etwa über Spezialkenntnisse verfügt und der Streitfall Fachfragen aus diesem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass ein verständiger Beteiligter die Zuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachten wird. Ein anderer Grund, der die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts rechtfertigen kann, ist ein bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2015 – 4 M 15.1062 – juris Rn. 11; B.v. 10.10.2011 – 20 C 11.1783 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.8.2014           – 15 C 13.1504 – juris Rn. 10: „Hausanwalt“; OVG Berlin-Bbg, B.v. 8.4.2013 – OVG 1 K 6.12 – juris Rn. 4; VGHBW, B.v. 19.6.2000 – 6 S 931/99 – juris Rn. 2; SächsOVG, B.v. 13.2.2009 – 2 E 101/08 – juris Rn. 4: Vertrauensverhältnis aus der „Vertretung in vielen anderen Verfahren“; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 69; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 9).

    Im vorliegenden Fall verfügt der Bevollmächtigte des Klägers nicht über derartige Spezialkenntnisse, die über vergleichbare Kenntnisse anderer im Asylrecht erfahrener Anwälte hinaus gingen, und der Streitfall warf nicht Fachfragen aus diesem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit auf, dass ein verständiger Beteiligter die Zuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachtet hätte. Im Bereich des Asylrechts sind im Gerichtsbezirk und auch am Ort des Wohnsitzes des Klägers verschiedene Anwälte tätig, die in der Lage sind, vergleichbare Prozesse adäquat zu führen. Dies ist gerichtsbekannt.

    Entgegen der Meinung des Bevollmächtigten bestand zwischen diesem und seinem Mandanten, dem Kläger, auch kein besonderes Vertrauensverhältnis, welches es rechtfertigen würde, die vorliegenden Mehrkosten in Kauf zu nehmen.

    Voraussetzen eines solchen „besonderen“ Vertrauensverhältnisses ist es, dass sich dieses vom üblichen Mandantenverhältnis abhebt und gute Gründe dafür vorliegen, dass es unzumutbar wäre, den Kläger auf einen gleichwertigen kostengünstigeren, weil im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt zu verweisen. Beispielsweise müsste sich der Anwalt schon im Vorfeld der Klageerhebung erheblich über das gewöhnliche Maß hinaus für die Belange des Klägers eingesetzt haben (VG Würzburg, B.v. 6.11.2012 – W 6 M 12.30232 – juris Rn. 20).

    Ein derartiges „besonderes “ Vertrauensverhältnis, welches sich vom üblichen Mandantenverhältnis abhebt, ist weder seitens des Klägers vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.

    Der Klägerbevollmächtigte hat lediglich vorgetragen, er habe seinen Mandanten bereits im behördlichen Verfahren vertreten, sodass grundsätzlich ein Anwaltswechsel für das Klageverfahren nicht gefordert werden könne. Dieser Argumentation kann das Gericht nicht folgen. Allein die Vertretung eines Asylsuchenden im Verwaltungsverfahren von dem Bundesamt lässt nicht regelmäßig das hier geforderte „besondere“ Vertrauensverhältnis entstehen. Zwar weist der Klägerbevollmächtigte zu Recht darauf hin, die Gestaltung des Mandatsverhältnisses könne nicht Sache des Gerichts sein; Sache des Gerichts ist es jedoch, das in der Verantwortung des mandatierten Rechtsanwalts tatsächlich gestaltete Mandatsverhältnis daraufhin zu überprüfen, ob es zur Entstehung eines „besonderen“ Vertrauensverhältnisses geführt hat. Voraussetzung hierfür wären Besonderheiten, die über das bloße Verfassen von Standardschriftsätzen auf der Grundlage von Angaben des Asylsuchenden zu seinen Fluchtgründen hinausgehen. Derartiges hat weder der Klägerbevollmächtigte vorgetragen noch ist dies für das Gericht anderweitig erkennbar, insbesondere nicht, dass sich der Klägerbevollmächtigte schon im Vorfeld der Klageerhebung erheblich über das gewöhnliche Maß hinaus für die Belange des Klägers eingesetzt hätte, woraus eine wie auch immer geartete Beziehung entstanden wäre, die über das bloße Mandantenverhältnis hinausginge.

    Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Klägerbevollmächtigten nicht gelungen ist, einen Nachweis zu führen, dass der Kläger auch mit Blick auf die Kostenminimierungspflicht gute Gründe dafür hatte, den auswärtigen, in Frankfurt am Main ansässigen Rechtsanwalt von seinem Wohnort in Aschaffenburg aus weiter mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu betrauen. Vielmehr hat das Gericht den Eindruck, dass es sich um ein normales Anwalts-Mandanten-Verhältnis gehandelt hat. Dabei ist klarzustellen, dass der Kläger seinen Anwalt beliebig und frei wählen konnte; jedoch kann dies bei der Kostenerstattung nicht zu Lasten der Beklagtenseite gehen. Die von der Urkundsbeamtin vorgenommene Kürzung der erstattungsfähigen Kosten ist rechtlich nicht zu beanstanden.

    Damit war die Erinnerung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG zurückzuweisen.

    Rechtsmittelbelehrung:

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

    gez.: Hansen

    RechtsgebietVwGOVorschriften§ 165 VwGO; § 151 VwGO; § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO;