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  • 24.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197317

    Landessozialgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 07.07.2017 – L 6 SB 4350/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landessozialgericht Baden-Württemberg

    Beschl. v. 07.07.2017

    Az.: L 6 SB 4350/15

    Tenor:

    Die Kosten des auf Antrag des Klägers erhobenen Gutachtens von Dr. S. R., M.hospital S., vom 14. Juni 2016 werden auf die Staatskasse übernommen. Dies gilt nicht für die Kosten Dr. R. ergänzender Stellungnahme vom 7. März 2017.

    Gründe

    I.

    Der Kläger begehrt konkludent die Übernahme der Kosten eines Wahlgutachtens auf die Staatskasse.

    In dem Berufungsverfahren L 6 SB 4350/15 hatte der Kläger die Zuerkennung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 und damit der Schwerbehinderteneigenschaft beantragt. Den entsprechenden Antrag bei der Versorgungsverwaltung hatte er am 26. Mai 2014 gestellt, eine rückwirkende Zuerkennung hatte er nicht beantragt.

    Auf seinen Antrag hin hat der Senat mit Beweisbeschluss vom 15. Februar 2016 Dr. S. R. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 14. Juni 2016 bekundet, bei dem Kläger liege auch eine Nierenfunktionseinschränkung vor, die einen - weiteren - Teil-GdB von 20 bedinge. Er hat dort ausgeführt, diese Einschränkung bestehe seit Januar 2013. Laborchemische Messwerte zu ihrem Nachweis hat er aber nur für Februar 2016 angegeben.

    Hieraufhin hat der Beklagte im Vergleichswege angeboten, den begehrten GdB von 50 ab Februar 2016 zuzuerkennen. Der Kläger hat dies abgelehnt und auf eine Zuerkennung bereits ab Antragstellung bestanden. In dem hieraufhin anberaumten Erörterungstermin am 10. November 2016 hat er als Grund dafür angegeben, er beziehe seit Dezember 2014 eine Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen, könne aber noch in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen wechseln, wenn ihm die Schwerbehinderteneigenschaft spätestens zum 1. Dezember 2014 zuerkannt werde.

    Der Kläger hat sodann unmittelbar Kontakt mit dem Wahlgutachter aufgenommen und um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. Dies hat er dem Senat im Nachgang mitgeteilt, woraufhin der Senat darauf hingewiesen hat, dass auch Wahlgutachter Gerichtssachverständige seien und eine direkte Kontaktaufnahme durch die Parteien unterbleiben sollte.

    In seiner - wie ausgeführt nicht vom Senat angeforderten - ergänzenden Stellungnahme vom 7. März 2017 hat Dr. R. die laborchemischen Messwerte unter anderem für Januar 2013 nachgereicht.

    Der Beklagte hat sodann ein Anerkenntnis über die Zuerkennung eines GdB von 50 ab dem 1. Januar 2013 abgegeben, das der Kläger angenommen hat.

    Der Wahlgutachter hat bislang nur die Kosten des Hauptgutachtens abgerechnet.

    Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2017 hat der Kläger um die Erstattung der aus seinem Kostenvorschuss bestrittenen Gutachterkosten gebeten.

    II.

    Der Antrag des Klägers vom 21. Juni 2017 war dahin auszulegen, dass die Übernahme der Kosten des Wahlgutachtens auf die Staatskasse nach § 109 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begehrt wird. Die dem Wortlaut nach begehrte Erstattung scheidet aus, da der fragliche Teil des Kostenvorschusses bereits an den Sachverständigen ausbezahlt worden ist.

    Über diesen Antrag entscheidet nach § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4 SGG der Berichterstatter. Die "Entscheidung über Kosten" im Sinne dieser Vorschrift betrifft auch die Kosten eines Wahlgutachtens (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 155 Rz. 9e).

    Die Entscheidung fällt auch noch im "vorbereitenden Verfahren" nach § 155 Abs. 2 Satz 1 SGG, da das Verfahren unstreitig durch angenommenes Anerkenntnis erledigt worden ist und daher der Senat mit der Sache nicht befasst war.

    Grundsätzlich sind die Kosten des Gutachtens von Dr. R. auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat die Erledigung des Rechtsstreits wesentlich gefördert (zu den Voraussetzungen einer Kostenübernahme vgl. Keller, a.a.O., § 109 Rz. 16a). Dr. R. hat das Ausmaß der Nierenfunktionsstörung des Klägers dargestellt und dafür auch den zutreffenden GdB-Wert von 20 vorgeschlagen. Am Rande hat er auch schon hier angemerkt, die von ihm beschriebene Störung bestehe seit 2013. Diese Ausführungen waren ein wesentlicher Grund dafür, dass das Berufungsverfahren mit einem Erfolg des Klägers geendet hat. Bereits auf das Hauptgutachten hin hatte der Beklagte im Vergleichswege einen GdB von 50 angeboten, allerdings ab einem späteren Zeitpunkt als vom Kläger benötigt, wie sich dann herausgestellt hat.

    Diese Erwägungen gelten an sich - erst Recht - für Dr. R. ergänzende Stellungnahme vom 7. März 2017. Darin hat er unter anderem die laborchemischen Messwerte für Januar 2013 nachgeliefert, also seine schon in dem Gutachten geäußerte Meinung, die Nierenfunktionsstörung habe bereits damals bestanden, bewiesen. In der Folge hat der Beklagte die Schwerbehinderteneigenschaft auch schon für diesen früheren Zeitpunkt anerkannt, sogar streitgegenstandsübergreifend, da das Berufungsverfahren nur die Zeit seit Antragstellung im Mai 2014 betraf.

    Gleichwohl können die - etwaigen, insofern ist bislang nichts abgerechnet worden - Kosten Dr. R. für die ergänzende Stellungnahme nicht auf die Staatskasse übernommen werden. Diese Stellungnahme hat der Sachverständige nicht im Auftrag des Gerichts erstattet, sondern auf eine anscheinend direkte Anfrage des Klägers hin. Auch ein Wahlgutachter nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG ist ein Gerichtssachverständiger nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m.§ 402 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Er wird vom Gericht beauftragt. § 109 Abs. 1 SGG schränkt lediglich das Auswahlrecht des Gerichts ein (§ 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO, vgl. aber bereits dort § 404 Abs. 5 ZPO). Eine ergänzende Stellungnahme im Nachgang zu einem bereits erstatteten Wahlgutachten muss daher der Kläger im Rahmen des § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO bei dem Gericht beantragten (Keller, a.a.O., § 109 Rz. 10b). Eine direkte Kontaktaufnahme zwischen einer Partei und einem Gerichtssachverständigen ist grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 404a Abs. 4 ZPO zulässig; dies gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (Keller, a.a.O., § 118 Rz. 11d). Treten Parteien ohne Zustimmung oder zumindest vorherige Kenntnis des Gerichts mit einem Sachverständigen in Kontakt, besteht die Gefahr, dass nicht aktenkundige Informationen übermittelt werden, zu denen sich die Gegenseite nicht verhalten kann (§ 128 Abs. 2 SGG); außerdem kann daraus unter weiteren Umständen eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen entstehen.

    Aus diesen Gründen können Kosten einer ergänzenden Stellungnahme eines Wahlgutachters, die nicht nach § 411 Abs. 3, Abs. 4 ZPO das Gericht eingeholt hat, nicht auf die Staatskasse übernommen werden.

    Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

    RechtsgebieteSGG, ZPOVorschriften§ 109 Abs. 1 SGG; § 118 Abs. 1 SGG; § 404a Abs. 4 ZPO; § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO